Hasstiraden des Chefdirigenten in Cottbus

Künstler am Staatstheater verteidigen ihre Würde

Evan Christ dirigiert die Musiker des Staatstheaters Cottbus.
Seit Monaten klagten die Musiker über das Verhalten des Generalmusikdirektors Evan Christ - jetzt will Intendant Martin Schüler zurücktreten. © picture alliance / zb / Andreas Franke
Von Sylvia Belka-Lorenz · 26.04.2018
Am Staatstheater Cottbus klagen Musiker schon seit Monaten über den autoritären Stil von Generalmusikdirektor Evan Christ. Jetzt hat Intendant Martin Schüler seinen Rücktritt angekündigt. Die Unbeirrbarkeit der Musiker zeuge von einem Bewusstseinswandel, meint unsere Kritikerin.
Dass die letzte Produktion der beiden ausgerechnet Verdis-Tyrannenmord-Oper Macbeth sein würde, das ist das einzig einigermaßen Komische an der Geschichte.
Die Arbeitsbedingungen im Cottbuser Musiktheater sind unzumutbar, das haben die Künstler in ihrer Not öffentlich gemacht. Es folgte ein Aufstand, den es so noch nie an einem Theater gegeben hat. Im Visier der vermeintliche Delinquent: Evan Christ. Die Zornesausbrüche des Chefdirigenten waren mit Kunst und Temperament lange schon nicht mehr zu erklären.
Dass Theater, Orchester insbesondere, streng hierarchisch arbeiten und kein Ponyhof sind, das alles hat man tausende Male gehört und es ist dennoch falsch und zynisch.

Die Strahlkraft hat begeistert

Versetzen wir uns kurz in den Betrieb Oper hinein. Da steht einer am Pult und hält bis zu 150 Musiker und Sänger im Zaum. Das kann keiner machen, der nicht über ein ausreichend starkes Ego verfügt. Generalmusikdirektor, das kommt kurz vor Gott. Viele füttern dieses Selbstverständnis - solange dabei etwas Gutes herauskommt. In Cottbus kam lange viel Gutes dabei heraus. Als Evan Christ vor zehn Jahren hier startete, brachte er Weltläufigkeit mit, Charisma und Enthusiasmus. Er hat das Musikleben am Theater entstaubt und viele neue Zuschauer für die schrägsten Töne begeistert.
Damit hat sich auch Intendant Martin Schüler gern geschmückt. Er hat ihm wohl vieles durchgehen lassen, auch wenn die schlechter werdende Stimmung, die Kräche auf den Proben und die Hasstiraden sich herumsprachen. Zumal sie ja laut genug waren. Dass Kulturministerin Martina Münch sich nun so überrascht zeigt und dass Martin Schüler zunächst sogar das Ensemble bezichtigte, auf einem Rachefeldzug zu sein, das ist der eigentliche Skandal.

Verantwortung nicht wahrgenommen

Intendant Martin Schüler und Verwaltungschef Martin Roeder waren in der Verantwortung. Es hätte nicht so weit kommen dürfen, dass wieder und wieder Sänger zusammenbrachen, dass Musiker schwer krank und Gäste brüskiert wurden. Schüler und Roeder haben ihre Leute nicht geschützt. Die Mitarbeiter nicht, aber auch nicht den jetzt allseits gescholtenen Evan Christ vor sich selbst.
Dass zumindest einer aus dem Gespann nun abtritt: das hilft keinem von denen, die im Laufe der Jahre auf der Strecke geblieben sind. Aber es zeigt einen Rest Respekt. Während die Kulturministerin unbeirrt darauf beharrt, sie habe keine Ahnung gehabt, wie schlimm es gewesen sein muss an diesem Theater, das sie gerne einen Leuchtturm nennt.
Etwas wird von dem Cottbuser Aufstand übrig bleiben, wie auch immer er ausgeht. Dass ein Ensemble so zusammengestanden hat ist ein Novum, auch, dass schlechtes Benehmen von Vorgesetzten eben nicht mehr hingenommen wird. Dass Künstler unbeirrbar ihre Würde verteidigen - gegen Gott, Intendant und Kulturpolitik.
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