Harhoff fordert steuerliche Förderung von Forschungsausgaben

Dietmar Harhoff im Gespräch mit Marietta Schwarz · 29.02.2012
Wo stehen wir im Bereich von Forschung und Innovationen international? Der Jahresbericht der Expertenkommission nimmt dies kritisch unter die Lupe. Nach Ansicht des Vorsitzenden Dietmar Harhoff hat Deutschland die Spitze schon lange eingebüßt und erst "mit einer gewissen Verspätung" gegengesteuert.
Marietta Schwarz: Ideenreichtum und Kreativität gehören in einem hoch entwickelten Land wie Deutschland zum Rohstoff Nummer eins, der Wohlstand und Wachstum sichern kann, da sind sich Politik und Wirtschaft eigentlich einig. Und doch ist die Bundesrepublik nicht mehr das Gründerland, das sie einmal war, etwa zu Wirtschaftswunderzeiten. Uns geht es gut, die Zahl der Arbeitslosen war nie geringer, aber wenn es um Forschung und Innovation geht, dann zieht es so manchen Erfinder, Entwickler oder Forscher noch immer ins Ausland, etwa in die USA. Werden Innovationen hierzulande genug gefördert? Das jährliche Gutachten der unabhängigen Expertenkommission Forschung und Innovation gibt darüber Auskunft, heute wird es vorgelegt. Und der Vorsitzende der Kommission, Professor Dietmar Harhoff, der ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!

Dietmar Harhoff: Guten Morgen!

Schwarz: Herr Harhoff, wie steht es denn laut Gutachten um den Forschungs- und Innovationsstandort Deutschland?

Harhoff: Das Gutachten, das wir heute vorlegen, ist das fünfte. Wir haben 2008 mit dieser Arbeit begonnen, damals war die Expertenkommission Forschung und Innovation neu eingerichtet worden. Und seither beschäftigen wir uns also mit dem Thema, wo Deutschland steht. Deutschland steht, wenn Sie das runtergebrochen wollen auf einen einfachen Ausdruck, im oberen Mittelfeld. Vor 25 Jahren waren wir wahrscheinlich noch Spitze, aber zwischenzeitlich haben andere auch große Anstrengungen unternommen, haben erkannt, dass Innovation, dass Forschung sehr wichtig ist. Und wir haben mit einer gewissen Verspätung erst vor sieben, acht Jahren wieder gegengesteuert und haben damals wieder ernst zu nehmende Maßnahmen ergriffen, um Forschung und Innovation stärker in den Vordergrund zu rücken.

Schwarz: Wer sind denn diese anderen?

Harhoff: Diese anderen, also führende Innovationsnationen sind zum Beispiel in Skandinavien, Finnland und Schweden, diese beiden Nationen geben deutlich mehr für Forschung und Innovation aus – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – als wir. Es sind aber auch Länder wie Japan und Korea. Korea hat in den letzten 30 bis 40 Jahren einen wirklich atemberaubenden wirtschaftlichen Aufschwung hingelegt, der im Wesentlichen auf Innovation begründet ist.

Schwarz: Was machen denn diese anderen besser als die Bundesrepublik? Sie haben jetzt gesagt, die geben mehr aus. Ist das der springende Punkt?

Harhoff: Na ja, also, mehr Geld ausgeben alleine kann es ja nie sein. Man kann ja auch Geld fürchterlich schlecht ausgeben. Aber irgendwo müssen natürlich die Investitionen in Forschung, Innovation, Entwicklung herkommen und da kann der Staat natürlich einiges tun, um solche Investitionen für private Investoren auch relativ profitabel zu machen. Man muss sich da vor Augen halten: Der Großteil der F+E-Aufwendungen wird in allen Ländern nicht vom Staat, sondern von der Wirtschaft getätigt. Bei uns sind das etwa zwei Drittel, die Verhältnisse in anderen Ländern sind ähnlich.

Schwarz: Das heißt, der Staat ist nur bedingt für Innovationsförderung zuständig, das muss eigentlich von privaten Investoren gefördert werden?

Harhoff: Die Investitionen werden größtenteils von privaten Unternehmen getätigt, die natürlich damit auch Profitabilitätsaussichten verbinden. Die müssen auch ihren Aktionären gegenüber natürlich mit solchen Aktivitäten Geld machen. Das gelingt in der Regel auch recht gut. Der Staat kann durch Rahmenbedingungen, durch bestimmte Fördermaßnahmen natürlich auch unterstützen. Und der Staat kann natürlich auch dadurch, dass er ein effizientes Hochschulsystem unterstützt, dafür sorgen, dass das notwendige Wissen, das dann in den Unternehmen umgesetzt wird in Innovationen, vorhanden ist.

Schwarz: Und tut er das auch, tut er genug?

Harhoff: Sie meinen jetzt, der deutsche Staat?

Schwarz: Ja!

Harhoff: Na ja, unsere Aufgabe ist natürlich Verbesserungsmöglichkeiten zu finden. Wir glauben, das tun wir auch regelmäßig. Aber wie schon gesagt, in den letzten Jahren sind doch einige beeindruckende Programme auf den Weg gebracht worden, die Hightech-Strategie der Bundesregierung ist unseres Erachtens positiv zu sehen, auch wenn sie vielleicht noch in einzelnen Feldern schärfer profiliert und formuliert werden könnte. Und darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von Förderinstrumenten, die auch in Deutschland zum Einsatz kommen. Wir haben natürlich regelmäßig in den letzten Jahren auch wieder Vorschläge gemacht, so zum Beispiel für eine steuerliche F+E-Förderung, die in vielen OECD-Ländern gegeben ist und die wir auch in Deutschland für eine sinnvolle Maßnahme halten würden.

Schwarz: Schauen wir doch mal auf die deutsche Solarindustrie, die gerade kriselt, die hat sich teilweise aus kleinen Hinterhoffirmen entwickelt, die später Tausende Mitarbeiter beschäftigten. Jetzt sind einige insolvent. Für solche Firmen hat die thüringische Ministerpräsidentin gerade mehr staatliche Unterstützung für Entwicklungsleistungen gefordert. Ist da zum Beispiel fördertechnisch etwas schiefgelaufen?

Harhoff: Ich glaube nicht, dass da fördertechnisch etwas schiefgelaufen ist. Also, wir haben ja hier eine Überlappung verschiedener Fördermechanismen gehabt. Zum einen das Energieeinspeisegesetz, das auf der Nachfrageseite dafür gesorgt hat, dass in Deutschland ein regelrechter Boom für Solaranlagen zustande kam. An diesem Boom haben sich natürlich auch ausländische Anbieter beteiligt, insbesondere Anbieter aus China. Gleichzeitig haben natürlich auch die Solarunternehmen Forschungsförderung in Anspruch nehmen können wie andere Unternehmen auch. Ich kenne jetzt den genauen Vorschlag der Ministerin nicht, müsste mir den auch erst anschauen, bevor ich mich da jetzt hinterstelle oder davorstellen würde. Aber wir behandeln im aktuellen Gutachten sehr wohl die Situation der Solaranlagenanbieter, weil dort natürlich eine kritische Situation eingetreten ist.

Schwarz: Made in Germany, das schätzt man ja vor allem im Maschinenbau oder in der chemischen Industrie, da kommt Innovation offenbar ganz von alleine. In anderen Bereichen hinkt Deutschland hinterher. Wo muss denn besonders viel gefördert werden und wo kann man sich es vielleicht auch sparen, weil wir da den Anschluss sowieso verpasst haben?

Harhoff: Ja, Sie haben völlig recht. Aufholjagden in Bereichen zu starten, in denen wir seit langer Zeit die technische, die wissenschaftliche Führung verloren haben, ist natürlich unklug. Also, zu solchen Bereichen gehört in der vollen Breite – Spezialbereiche sind immer etwas anderes, über die will ich nicht sprechen –, die Halbleiterelektronik. Die ist inzwischen fest etabliert in den asiatischen Ländern, zum Teil noch in den USA. Dort aufzuholen, dürfte sehr schwer sein. Aber es gibt natürlich im Bereich organischer Halbleiter oder anderer technischer Bereiche immer wieder Neuerungen. Unser Petitum, unser Wunsch, unsere Aufforderung an die Bundesregierung ist immer gewesen, den Raum für solche Neuerungen, die dann durch Gründung vorangetragen werden in der ersten Stufe, die sich dann zu großen Unternehmen entwickeln, diesen Raum besonders zu unterstützen und die Rahmenbedingungen für Gründungen, für Wagniskapital zu verbessern.

Schwarz: Professor Dietmar Harhoff, Vorsitzender der Expertenkommission Forschung und Innovation, Herr Harhoff, danke für das Gespräch!

Harhoff: Vielen Dank!

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