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Vor 150 Jahren
Die Entdeckung des Helium-Gases

Im irdischen Alltag kommt Helium vor allem als Füllmittel für Gasballons oder Luftschiffe zum Einsatz. Im Kosmos spielt das einst geheimnisvolle "Sonnenelement" hingegen eine wichtige Rolle. Die Entdeckung des Gases durch den Franzosen Jules Janssen geschah eher zufällig - während einer Sonnenfinsternis.

Von Dirk Lorenzen | 18.08.2018
    Bild einer Sonnenfinsternis
    Eine bedeutende Sonnenfinsternis fand am 18. August 1868 in Indien und Siam (heute zum großen Teil Thailand) statt. Während dieser entdeckte Jules Janssen zufällig das bis dahin unbekannte Helium. (picture alliance /dpa /NASA via Consolidated /Aubrey Gemignani)
    Mitte des 19. Jahrhunderts war die Sonne für die Astronomen im Wesentlichen noch einfach eine große gelbe Kugel am Himmel. Größe und Abstand waren bekannt, aber woraus die Sonne besteht, wie sie Hitze und Licht produziert, war unklar. Um mehr über die Physik dieses Sterns zu lernen, setzten die Forscher auf bessere Teleskope und Messinstrumente – und reisten, wie ein historischer Bericht schildert, um die halbe Welt:
    "Eine bedeutende Sonnenfinsternis fand am 18. August 1868 in Indien und Siam statt. Das Spektroskop war in der Zwischenzeit in allgemeinen Gebrauch gekommen, und so haben vor allem Engländer, Franzosen und Deutsche Expeditionen ausgerüstet, um die Protuberanzen der Sonne spektroskopisch zu untersuchen."
    Ein Spektroskop zerlegt das Licht in sein Spektrum und zeigt so die charakteristischen Linien verschiedener chemischer Elemente. Die Astronomen wollten auf diese Weise vor allem die Protuberanzen untersuchen: Explosionswolken, die von der Sonne aufsteigen und am besten zu sehen sind, wenn die gleißend helle Scheibe bei einer totalen Sonnenfinsternis abgedeckt ist. So lagen zahlreiche Astronomen auf der Lauer, als der Schatten des Mondes über Indien hinweg zog.
    "Der erfolgreichste Beobachter war der Franzose Jules Janssen, der im Innern Vorderindiens an einem hohen Punkte war, wo die Luft ausnehmend ruhig war. Als der letzte Sonnenstrahl durch den vorrückenden Mond abgeblendet war, zeigte sich eine enorme, viele tausend Kilometer über die Oberfläche der Sonne emporragende Protuberanz."
    Nur knapp sechs Minuten Finsternis
    Die Finsternis dauerte nur gut sechs Minuten, und so musste sich Jules Janssen beeilen, um das Spektrum der glühenden Sonnenmaterie beobachten zu können. Dabei machte der Astronom aus Paris eine Entdeckung, die nicht nur für Himmelskundler bedeutend ist, erklärt Michael Fröba, Professor für anorganische Chemie an der Universität Hamburg.
    "Da hat er eine besondere gelbe Linie messen können, die ungewöhnlich war, die man vorher nicht kannte, die auch nicht direkt die Linie war, die man gut kannte, die Natrium-Emissionslinie, die auch gelb ist. Und er hat dann eben festgestellt: Das muss ein neues Element sein. Und weil es so spektral nachgewiesen wurde durch das Sonnenlicht, hat man es eben Helium genannt."
    Auf der Erde nur in geringem Maße vorhanden
    Anfangs meinten die Forscher, den Stoff, der das unbekannte Leuchten im Spektrum verursacht, gäbe es nur auf der Sonne. Daher wurde aus dem altgriechischen Wort Helios, Sonne, der Name Helium abgeleitet. Der Name klingt nach einem Metall, tatsächlich aber ist Helium ein geruch- und farbloses Gas.
    Erst fast 30 Jahre nach Janssens Beobachtung in Indien gelang auch der Nachweis des Heliums in einem Labor auf der Erde.
    "Es kommt auf der Erde nur in Spuren vor: in der Atmosphäre in ganz geringen Mengen; in der Erdkruste, wo es durch radioaktiven Zerfall gebildet wird, in etwas höheren Mengen, aber auf der anderen Seite: Im Weltall ist es das zweithäufigste Element nach Wasserstoff, weil es nach dem Big Bang und der Bildung von Wasserstoff das nächste Element ist, das durch Kernfusion gebildet wird."
    Helium macht im Kosmos fast ein Viertel der Materie aus. Normale Sterne wie die Sonne bestehen grob zu drei Vierteln aus Wasserstoff, zu einem Viertel aus Helium und nur in geringen Mengen aus anderen Elementen. Helium ist äußerst reaktionsträge und geht keine chemischen Verbindungen ein.
    "Es ist nichtsdestotrotz ein wichtiges Element und wird sogar auf der so genannten roten Liste der kritischen Elemente mit geführt, weil es eben in Spuren oder in geringen Mengen letzendlich nur auf der Erde vorkommt und wir es zum Beispiel für Tiefkühltemperaturprozesse benötigen.
    Helium wird normalerweise bei minus 269 Grad Celsius erst flüssig, vorher ist es gasförmig. Und das kann man eben verwenden, wenn man flüssiges Helium hat, als Kühlmittel, um bei Tieftemperaturprozessen diese Temperatur überhaupt zu halten."
    Magnete in großen Beschleunigeranlagen wie dem CERN in Genf werden meist mit flüssigem Helium fast auf den absoluten Nullpunkt gekühlt. Auch der europäische Infrarotsatellit Herschel war mit Helium auf tiefste Temperaturen gebracht worden, um für die Wärmestrahlung der kosmischen Objekte besonders empfindlich zu sein.
    Im irdischen Alltag kommt das recht teure Gas, das viel leichter ist als Luft, vor allem als Füllmittel für Gasballons oder Luftschiffe zum Einsatz. Im Kosmos spielt das einst geheimnisvolle "Sonnenelement" Helium eine enorme Rolle, denn es trägt dazu bei, dass am Himmel die Sterne leuchten.