Hanf-Anbau im Allgäu

Goldgräberstimmung auf dem Acker

07:50 Minuten
Ein grauhaariger Mann mit Pferdeschwanz steht auf einem Acker und begutachtet Pflanzenstängel und -blüten.
Hanflobbyist Christoph Rossner will den Anbau ankurbeln. Er selbst raucht seit längerem Cannabis gegen chronische Schmerzen. © Deutschlandradio / Tobias Krone
Von Tobias Krone · 18.10.2021
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Hanf könnte einer der Werkstoffe der Zukunft sein. Und mit einem hohen THC-Gehalt taugt er auch zum Rausch. Wie viel Hanf künftig in Deutschland angebaut wird, liegt auch an der kommenden Bundesregierung. Bauern im Allgäu sondieren schon mal die Möglichkeiten.
Die Stoppeln hart, die Kleidung klamm. Noch liegt Nebel über den Hügeln ringsum. Doch hinter den bräunlich vertrockneten Dolden auf dem Feld nebenan erhebt sich eine goldene Morgenröte.
"Für Europa und speziell für Deutschland sind wir noch ganz in den Anfängen. Und das ist definitiv ein Gold- oder Ölrausch. Das ist grünes Öl."
Christoph Rossner steht am Rand eines Hanffeldes im Allgäu, nicht weit von seiner Heimatstadt Memmingen entfernt, und blinzelt durch die Schatten in das Meer aus Pflanzen. Diese Sorte ist sogenannter Industrie- oder Nutzhanf – mit einem sehr geringen THC-Gehalt.

Wer den Industriehanf raucht, wird nicht high

"Diese Sorte steht bei knapp zwei Metern, und bildet einen schönen Top, eine schöne Blüte, einen Fruchtstand, in dem sich dann die Nüsse gebildet haben", erläutert Rossner. "Und die wurde von uns gewählt, weil sie große, dünne Stängel macht. Weil wir Interesse daran haben, dass wir die Fasern verwerten."
Wer diese Blätter raucht, wird nicht high. Nur solche Sorten sind bislang zugelassen in Deutschland – auch wenn sich das bald ändern könnte. Sollte sich die mögliche Ampel-Koalition für eine Legalisierung von Cannabis aussprechen, dann könnten Felder wie diese in Deutschland aus dem Boden schießen. Wie stark sie kontrolliert werden, ist noch völlig unklar.
Für Christoph Rossner jedenfalls steht fest: "Das wäre für die Landwirte hier in Deutschland eine unglaubliche Möglichkeit, mit ökologischen Hanfprodukten einen Markt zu bedienen, der gigantisch groß ist. Wenn man sich allein die Zahlen aus Kanada anschaut, die man mit dem deutschen Markt vergleichen kann, kann man davon ausgehen, dass in Deutschland 40 Millionen Konsumenten Cannabis konsumieren wollen, aber aufgrund der rechtlichen Situation gerade in den Schwarzmarkt gedrängt werden."

Der Geschäftsmann mit dem grauen Pferdeschwanz und den runden Brillengläsern ist Hanf-Enthusiast und Hanf-Lobbyist. Und selbst legaler Konsument von Cannabis. Seit einem Unfall ist Christoph Rossner Schmerzpatient – und inhaliert die Droge.
"Ich kann das legal machen, weil ich vom Arzt ein Privatrezept bekomme, weil die Krankenkasse in meinem Fall die Kosten noch nicht übernehmen möchte. Aber ich bekomme auf Privatrezept legal hoch THC-haltiges Cannabis. Und das hilft mir bei meinen Schmerz- und Migräneattacken sehr gut."

Ein Auto aus Hanf

Christoph Rossner kann minutenlang erzählen, was man noch alles aus Hanf machen kann: vom Eiweißfutter bis zum Baustoff.
"Es gab schon ein Auto, das komplett aus Hanf gebaut war, das war das Hemp Car von Henry Ford. Da waren die Karosserie, schwingende Teile, Federn, sogar Teile vom Motorblock, Getriebe, Zahnräder, alles aus einem Hanfverbundstoff. Und wenn wir da wieder hinkommen könnten, könnten wir ökologische Autos bauen, die man kompostieren kann."
Doch bis jetzt ist der Hanfanbau in Deutschland etwas für Pioniere. Alles muss beantragt, genehmigt und kontrolliert werden.

In anderen Ländern geht schon mehr

"Wir dürfen nur bis 0,2 Prozent THC-Gehalt anbauen. Und andere Länder wie Indien, USA, Uruguay, Kanada, die dürfen schon Hanfpflanzen anbauen, die bis fünf, sieben, acht, zehn Prozent Gehalt haben", berichtet Rossner. "Dadurch haben sie einen Riesenvorteil unseren Landwirten gegenüber, denn der Ertrag von solchen zweihäusigen Pflanzen ist viermal größer als der der Hybride, die bei uns aufgrund der gesetzlichen Situation erlaubt sind."
Christoph Rossner will jetzt die Chance nutzen und eine Art Agrargenossenschaft gründen – um zusammen mit Bauern Hanf anzubauen und zu verarbeiten. Daher auch dieser Termin, zu dem er die Bauernschaft aus dem Umland eingeladen hat. Den Landwirten erläutert er die einzelnen Schritte am 2, 5 Hektar großen Feld.
Ein Mann in Arbeitskleidung und Basecap begutachtet auf einem Acker eine Hanfpflanze.
Vorsichtige Annäherung an ein potenzielles Geschäftsmodell: Landwirt Wachter begutachtet eine Hanfpflanze.© Deutschlandradio / Tobias Krone
Darunter ist auch Gerhard Wachter aus dem schwäbischen Edenbachen. Er steht mit Baseballkäppi und Blaumann an einem Hanfballen und inspiziert zusammen mit Kollegen eine Präsentationshanfblüte mit Augen, Nase und Händen: "Mal gucken, was das bringt zu klassischer Landwirtschaft, zu bisheriger Getreide-, Maisfruchtfolge. Hanf lässt sich nach dem Mais säen, macht eine gute Bodenstruktur, braucht wenig Spritzmittel. Dünger vielleicht auch wenig, das weiß ich noch nicht."

"Eine historische Chance"

Wie Marihuana-Fans sehen hier die wenigsten aus. Statt Marihuanarauch weht hier vor allem der Würstl-Duft vom Informationsstand übers Feld. Die Bauern hier interessiert vor allem eines: "Der Verkauf natürlich. Das ist ganz wichtig. Was man bekommt."
Dass Hanf sich auch finanziell lohnt – da ist sich Heinrich Hobelsberger, Nebenerwerbslandwirt aus dem niederbayerischen Passau, sicher. Der Mann mit dem Schnurrbart und dem karierten Hemd hat seit sechs Jahren komplett auf Hanf umgestellt und verkauft sein Biohanföl in der nahen Studentenstadt.
"Das ist eine historische Chance, in Zeiten, in denen die Preise verfallen – Schweinepreise. Getreidepreise sind momentan eher im Steigen, das ist richtig, aber letztendlich sind die Erzeugerpreise so niedrig wie nach dem Krieg, inflationsbereinigt teilweise sogar niedriger als damals", sagt Hobelsberger.

Begutachtung auf dem Acker

Dann wird es laut. Ein riesiger Mähdrescher, spezialisiert auf die Hanfpflanzen, präsentiert sich den Bauern, die betrachten mit leuchtenden Augen und respektvollem Abstand die Maschine. Dann rückt sie dem Hanf zu Leibe.
Die Maschine spuckt hinten die Stängel aus, die auf dem Feld liegenbleiben. Sigmar Hammer, Großbauer von der Schwäbischen Alb, schwarze Daunenjacke, schwarzer Schal, beugt sich über die Spreu auf dem Boden und greift hinein.
"Der große Unterschied zwischen der Hanfpflanze und dem Getreide ist: Beim Getreide spricht man vom Stroh. Hier haben wir eine Faserpflanze, und das ist fast hölzern. Das ist natürlich schon ein ganz anderes Material, um das zu ernten, und nachher auch für die Ballenpresse eine gewisse Herausforderung."

Ohne Kontrollen geht es auch künftig nicht

Sigmar Hammer ist der Meinung, es könnte lukrativ sein, Hanf anzubauen. Auch wenn er diese Entscheidung ganz unabhängig von der Legalisierungsfrage treffe, betont er.
"Das wird trotzdem einen Kontrollapparat hinter sich ziehen. Weil: Einer sagt dann, ich habe den industriellen Hanf, hat den anderen aber gesät. Und dann kommt die ganze Nachbarschaft zum Blätterpflücken, und das wird dann mit Sicherheit von oben irgendwie reglementiert werden müssen, wie jetzt auch."

Hammer ist sich allerdings noch nicht sicher, ob er auch den starken Hanf anbauen würde, wenn das erlaubt wäre:
"Sie müssen damit rechnen, dass der Tourismus dann kommt. Und dann bist du als Anbauer verantwortlich dafür, wenn irgendwas passiert. Und ich möchte eigentlich nicht dauernd die Polizei auf dem Acker haben. Im Augenblick ist der Nutzhanf unsere Idee, unser Ziel. Und das könnte interessant sein. Das müssen wir jetzt einfach mal ausprobieren."
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