Handy als Vokabeltrainer

Von Michael Engel |
Die meisten Pädagogen sehen die Handy-Begeisterung von Jugendlichen mit Skepsis. Doch das Mobiltelefon muss Schülerinnen und Schüler nicht unbedingt vom Lernen abhalten. Im Gegenteil: Mit kleinen Zusatzprogrammen wird aus dem Handy schnell ein Vokabeltrainer.
Wenn Sina zur Schule fährt, schaut sie gebannt auf ihr Handy. So wie viele Jugendliche in der Straßenbahn. Allerdings: nicht zum Daddeln, wie die anderen, sondern zum Pauken.

Sina lernt Englisch. Und das Handy ist ihr Vokabeltrainer.

"Wir schreiben in der ersten Stunde einen Test. Und da ist es gut, wenn ich mich mit meinem Handy vorbereiten kann. Ich hab die Vokabeln ja praktisch immer bei mir ..."

"M" steht für "mobile" – unterwegs – mLearning für die mobile Alternative zum Pauken daheim. Denn: Büffeln geht auch anderswo. Beim Warten an der Bushaltestelle, in der Straßenbahn, auf dem Weg zu Freunden.

"… wenn wir die Vokabeltrainer irgendwo vorstellen, kriegen wir sowohl von den Lehrern eine sehr positive Resonanz so nach dem Motto: Endlich mal etwas Gescheites mit diesen Handys, als auch von den Schülern die’s einfach, ja, Vokabellernen ist nie aufregend, aber das macht relativ ein bisschen mehr Spaß als nur mit den Vokabelheftchen zu lernen."

... so die Meinung von Dorothea Martin. Sie leitet beim Klett-Verlag die Gruppe "Elektronische Medien" und ist verantwortlich für den Vokabeltrainer, der mit dem Handy herunter geladen werden kann – so wie Klingeltöne.

"... das sind Vokabeltrainer, die im Grunde genommen ganz einfach aufgebaut sind: Ich habe eine Vokabel, muss ihre Entsprechung kennen, eine gewusste Vokabel wandert in den Hintergrund des Handys sozusagen, in den Datenbankbestand. Eine nicht gewusste Vokabel wird permanent wiederholt, bis der Schüler sie schließlich weiß ..."

Vokabeltrainer gibt es für Englisch, Französisch, Spanisch, Latein – zum Herunterladen direkt von der Homepage. 4,99 Euro will Klett für die elektronische Nachhilfe – pro Halbjahr. Obwohl das Angebot schon seit einem Jahr steht, ist die Nachfrage bislang allerdings eher mager.

"Das ist jetzt kein Kontraargument gegen das eLearning per se, ich glaube aber, dass das Handy an sich ein Medium ist, was die Kinder und Jugendlichen für sich entdeckt haben und für sich nutzen und damit auch ihre eigene Welt gestalten."

... meint Dr. Sandra Hestermann vom Cornelsen-Verlag eher skeptisch. Zwar bietet auch ihr Verlag mLearning fürs Handy an. Dass die Jugendlichen hier allerdings anbeißen, mag sie noch nicht so recht glauben.

"... ich denke, dass der Versuch, jetzt Lernprogramme für das Handy anzubieten, von den Jugendlichen per se jetzt eben auch abgelehnt wird, weil es eben nicht Bestandteil ihrer Sphäre ist. Und von daher sehe ich das kritisch, dass wir sozusagen durch die Hintertür – als Lehrer – hier die Schüler mit so einem Lernprogramm auf dem Handy beschäftigen."

Ob SMS, URL oder MP3. Das Handy ist Freizeitspaß, Unterhaltungsmedium, Kamera und Internetportal in einem. Ob Jugendliche da noch lernen wollen, hängt wohl auch von den Inhalten ab. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung denkt zum Beispiel an "Sexualkunde". Dr. Mane Huchler:

"Sexualität, Partnerschaft und Liebe ist für Jugendliche das Thema Nummer eins letztendlich. Und das Handy ist das Medium Nummer eins. Also bringen wir zwei Dinge zusammen: Das Thema Nummer eins und das Medium Nummer eins und haben beide Themenbereich pädagogisch miteinander verbunden."

Herausgekommen ist ein Video, das die Handhabung von Kondomen zeigt. Mit einem Trickfilm, mit Texterklärungen, musikalisch untermalt. Nach zwei Minuten und 15 Sekunden ist die Lektion zu Ende.

Ob das mobile Lernen mit dem Handy selbstverständlich wird, das ist die große Frage. Neue, internetfähige Geräte, sogenannte Smartphones mit großen Displays, werden nach Ansicht von Experten völlig neue Nutzungen ermöglichen. Gleichwohl, die Verlage sind gespalten:

"Diese riesengroßen Displays sind ja jetzt erst in der letzten Generation der Blackberrys und der Palms sozusagen auf den Markt gekommen. Und ich weiß auch nicht, ob man gerade jetzt als Bildungsverlag, die wir ja nach wie vor unser Geld gerade auch im Printmedienbereich verdienen, ob wir diese Entwicklung jetzt gewaltsam vorantreiben sollen."

Verschlafen will Dr. Sandra Hestermann die Entwicklung aber auch nicht. Denn: Schulen ohne Computer und Internet wird es bald nicht mehr geben. –Handys fügen sich hier nahtlos ein, meinen die Befürworter. Es gebe ja noch den "Flightmodus" beim Handy – ohne Möglichkeit zum Telefonieren - nur zum Lernen. Für die Überflieger von morgen.