Hamburg und die wilden 60er

Von Werner Nording · 03.06.2006
Mit dem Star Club in Hamburg verbinden Musikfans vor allem die Beatles. Doch in den 60er Jahren traten hier fast alle Größen des Musikgeschäfts auf - und sie kreierten einen eignen Sound: Das, was heute als Beat-Musik bezeichnet wird, hatte als Hamburg-Sound seinen Ursprung in den Clubs der Hansestadt. Das HamburgMuseum blickt zurück in eine wilde Zeit.
Wer mit dem Kurator des HamburgMuseums Ortwin Pelc durch die Beatles-Ausstellung geht, lernt erst einmal in einem langen Gang die Musik der 50er Jahre kennen. Am Ende dieses Gangs stößt man auf ein spießiges Wohnzimmer der 60er Jahre, mit Couchtisch, Nordmende-Fernseher und dem obligatorischen röhrenden Hirsch als Bild an der Wand.

Man kommt so in diese Ausstellung rein, hat einen Eindruck, wie es in einem gut bürgerlichen Haushalt Anfang der 60er Jahre aussah, am Ende der Wirtschaftswunderzeit, den Menschen ging's gut, sie waren verheiratet, dachten an die Gegenwart und Zukunft, möglichst nicht an die Vergangenheit, wo ja einige unangenehme Dinge passiert waren und plötzlich tauchten dann in Hamburg ganz andere Dinge auf St. Pauli auf, ganz andere Musik, langhaarige Halbstarke, die beunruhigten dann schon die bürgerlichen Menschen.

Die Not hat ein Ende, die Zeit der Dorfmusik ist vorbei, am Freitag den 13. April eröffnet der Star Club die Rock'n'Roll Twist Parade 1962, verspricht ein Plakat, das auf die einschlägige Adresse "Hamburg St. Pauli Große Freiheit 39" hinweist. Im Star Club sind sie alle aufgetreten: The Everly Brothers, Gerry and The Pacemakers, Little Richard, Jerry Lee Lewis, Ray Charles, aber auch Hamburger Bands wie die Rattles. Bis auf die Rolling Stones waren alle bekannten Musiker der 60er Jahre hier.

Prominenteste Künstler aber waren zweifellos die Beatles, deren Zeit in der Hansestadt im Mittelpunkt der Ausstellung steht. Hamburg ist für uns die Quelle der Beat-Musik, sagt der Kurator, hier entstand das, was man heute den "Hamburg Sound" nennt.

Das ist eigentlich das, was allgemein heute als Beat-Musik bekannt war. In der englischsprachigen Welt hat man das "Hamburg-Sound" genannt und das fiel uns auf, wir haben das wieder belebt, um klarzumachen, dass die Beat-Musik der ersten Hälfte der 60er Jahre in Hamburg entstanden ist in den hiesigen Clubs auf St. Pauli und die Engländer und Amerikaner, die das gehört haben, das so genant haben, weil er eben aus dieser Stadt kam.

John Lennon hat von sich gesagt, er sei musikalisch in Hamburg aufgewachsen. In Hamburg hatten die Beatles ihren großen Durchbruch. Hier sind sie anfangs nächtelang für 50 Mark in der Woche durch die Musikclubs der Reeperbahn getingelt, bis sie schließlich weltberühmt wurden. Die Hansestadt hat jahrzehntelang dieses kulturelle Erbe sträflich vernachlässigt, merkt Gisela Jarks scharf an, die Direktorin des HamburgMusueums.

"Da gibt es mit Sicherheit Nachholbedarf, der Starclub und seine Rolle für die Hamburger Musikszene und die Entwicklung der Jugendkultur in Hamburg ist sehr lange nicht berücksichtigt worden, es gab Privatsammler, das ist vor allem der Ulf Krüger, der sich auch sehr dafür eingesetzt hat, aber in Hamburg hat man das runtergespielt, da gab es andere Städte, die sich wesentlich intensiver damit beschäftigt haben und das ist eigentlich bisher nicht gut gelaufen für Hamburg, da versuchen wir jetzt ein bisschen einzuhaken."

An jedem Wochenende pilgerten die Jugendlichen in die Musikclubs, die jungen Männer im Anzug, mit Nylonhemd und Krawatte, die jungen Frauen im Kostüm oder mit Petticoat. Hier hatten die Eltern nichts zu sagen, hier führten die Musiker und die Kellner das Regiment. Um diese wilde Zeit wieder aufkleben zu lassen, hat das Museum mehr als 1300 Objekte zusammengetragen, die mit der Musikgeschichte und Jugendkultur der 60er Jahre zu tun haben. Ein besonderer Schatz sind die Originallebensläufe, die die Beatles schreiben mussten, als Bernd Kämpfert sie unter Vertrag nehmen wollte, erzählt der Pelc.

"Ja sie berichten, was sie gemacht haben, wo sie herkommen und wie sie gelebt haben, was ich eigentlich am witzigsten finde, wenn Sie John Lennon nehmen, der schreibt dann zum Schluss, 'ambition to be rich, John W. Lennon, leader', hat er sich gleich als leader bezeichnet, sein Wunsch war also reich zu werden, ist ihm dann ja auch gelungen."

Der Musiker Ulf Krüger, der selbst im Star Club aufgetreten ist, hat seine umfangreiche Beatles-Sammlung vor einigen Jahren dem Museum übergeben. Krüger erinnert sich noch gut, wie die Fotografin Astrid Kirchherr den Beatles ihre typische Frisur verpasst hat. Kirchherr, die damals mit dem Beatles-Bassisten Steward Suthcliff verlobt war, orientierte sich an den Existentialisten in Frankreich, die ihre Haare länger und nach vorne gekämmt trugen.

"Und als die Beatles in diesen Kreis kamen, war es nur normal, dass Stuart zu Astrid sagte, Mensch kannst du mir die Haare nicht auch so kämmen, und dann hat sie das gemacht, weil man damals nicht zum Frisör ging, weil die haben die Haare immer sehr kurz geschnitten, hat Astrid das gemacht, dann nach einer Weile kam George, der sagte, Mensch, kannst Du das bei mir nicht auch machen, dann haben die andern gelacht, hör doch auf, dann hat er sie wieder nach hinten gekämmt, sich dann aber doch entschlossen, wie man heute sagt Beatles Haarschnitt zu tragen, bis sich schließlich auch die Oberbeatles John und Paul bei einem Besuch in Paris die Haare von ihrem Freund Jürgen Vollmer schneiden ließen und damit die Haarmode einer ganzen Generation prägten."

Über die Pfingsttage gibt es in Hamburg parallel zur Ausstellung auch ein Eröffnungsfestival mit bekannten Musikern und einen Beatlemania-Basar mit Sammlerstücken aus aller Welt. Beatles-Liebhaber dürften auf ihre Kosten kommen.

Service: Die Ausstellung "The Hamburg Sound - Beatles, Beat und große Freiheit" ist vom 3. Juni bis zum 5. November 2006 zu sehen.