Hamburg plant neuen Stadtteil

Nach der Hafencity kommt bald Grasbrook

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Blick auf Promenade Grasbrookhafen, angrenzend entsteht hier ein neues Viertel.
Blick auf die Promenade Grasbrookhafen, angrenzend entsteht hier ein neues Viertel, das für ganz unterschiedliche Menschen attraktiv gemacht werden soll. © imago stock&people
Von Axel Schröder · 17.04.2019
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Deutschlands größtes innerstädtisches Bauprojekt, die Hamburger Hafencity, bekommt einen Nachbarn. Auf dem Kleinen Grasbrook, einer Halbinsel auf der anderen Elbseite, sollen viele Hafenbetriebe dem Wohnungsbau weichen. Die Bürger gestalten mit.
Sein Büro hat Professor Jürgen Bruns-Berentelg mitten in der Hafencity, in dem Stadtteil, dessen Gesicht er maßgeblich mitbestimmt hat. Jetzt ist der Geschäftsführer der HafenCity Hamburg GmbH, im doppelten Wortsinn zu neuen Ufern unterwegs. Mit einem Elektroauto geht es zum Kleinen Grasbrook. Heute ist die Halbinsel noch von Hafenbetrieben dominiert, Mitte der 20er-Jahre soll dort unter Federführung der Hafencity GmbH ein neues Stadtviertel wachsen: "Das ist ein ganz großer Schritt auch für Hamburg. Es ist nicht so, dass quasi eine 'Vorort-Bau-Haltung' übertragen wird auf die Südseite der Elbe, sondern es gibt eine starke Entwicklung mit einer hohen Wohnqualität. Gleichzeitig mit einer hohen wirtschaftlichen Bedeutung durch die nahezu 16.000 Arbeitsplätze. Und das ist die kritische Masse, die wir auch benötigen."
Bruns-Berentelg lenkt den Wagen am Nordufer der Elbe entlang. Auf der anderen Elbseite sind die alten Gewerbehallen des Kleinen Grasbrooks zu sehen. Nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch 3.000 Wohnungen sollen auf der Halbinsel entstehen. Je ein Drittel Eigentums-, reguläre Miet- und Sozialwohnungen.

Ein Panorama auf 3,1 Kilometern

Es geht über die Elbbrücken, rüber zum Kleinen Grasbrook. Jürgen Bruns-Berentelg parkt den Wagen, führt im dunkelblauen Anzug über die heute noch schmucklose Uferpromenade, den rissigen Asphalt. Er wirft einen Blick nach Norden, über die Elbe, in die Zukunft: "Etwa in diesem Bereich beginnt der Wohnungsbau. In dieser Richtung. Und man sieht natürlich dort die Elbphilharmonie, die Bebauung des Strandkais. Da kommen ja einige Gebäude dazu. Die Bebauung der Hafencity, das, was am Baakenhafen gegenüber entsteht. Und natürlich das Elbbrückenquartier mit der U-Bahn-Station und, durch die Kräne angedeutet, mit der S-Bahn-Station. Man hat hier ein Panorama auf 3,1 Kilometern auf der gegenüberliegenden Seite. Für diejenigen, die sich etwas für moderne Stadtentwicklung interessieren, ist das ein Ausblick, den man in Europa nicht mehr toppen kann!"
Dass nicht alle Hafenanlagen und Umschlagbetriebe für die neuen Pläne vom Kleinen Grasbrook verschwinden müssen, sei kein Problem. Der Lärm von alteingesessenen Betrieben, von der Eisenbahn- und Autobahntrasse der Elbbrücken werde von Büro- und Gewerbebauten abgeschirmt. Die Bewohner des neuen Quartiers würden ihre Ruhe haben, so Bruns-Berentelg. Ein lebenswertes und vielfältiges Viertel solle entstehen. Und um die städtebaulichen Planungen mit den Ideen der Hamburgerinnen und Hamburger kurzzuschließen, wurden seit Sommer 2018 vier so genannte Grasbrook-Werkstätten veranstaltet. Zuletzt Anfang Februar.
Jürgen Bruns-Berentelg, Geschäftsführer der HafenCity Hamburg GmbH
Jürgen Bruns-Berentelg, Geschäftsführer der HafenCity Hamburg GmbH© Deutschlandradio / Axel Schröder

Die großen und kleinen Wünsche der Bürger

Die Besucher im Haus der altehrwürdigen Patriotischen Gesellschaft beugen sich über die Luftbildaufnahmen vom Kleinen Grasbrook. Gelb umrandet sind die Konturen des Areals, auf dem schon Anfang des kommenden Jahrzehnts die Bauarbeiten beginnen sollen. Die Menschen haben jede Menge Ideen mitgebracht: "Eine Parkzone in Verbindung mit Bademöglichkeiten in großem Stil. Nicht, dass man im Elbwasser badet, sondern das künstlich anlegt auf einem schwimmenden Schwimmbad. Und das integriert in einer schönen Parkanlage."
"Ich glaube, erstmal muss es attraktiv gemacht werden für ganz unterschiedliche Menschen. Ich finde es immer wichtig, dass sich verschiedene Menschen in einem Stadtteil treffen. Jung und alt, reich und arm." Und natürlich soll es viel Grün, viel öffentlich genutzten Raum geben. Welche Mischung am Ende auf dem Kleinen Grasbrook entstehen wird, steht heute, ganz am Anfang der Planungsphase, noch nicht fest. Eine junge Frau wünscht sich, dass sich das neue Viertel deutlich von der auf dem Reißbrett entstandenen Hafencity unterscheidet: "Ich kenne mich noch nicht so gut aus, ich wohne hier noch nicht so lange. Aber vielleicht sollte es ein bisschen zugänglicheres Stadtviertel werden im Vergleich zur Hafencity. Die wirkt auf mich immer recht kühl und unnahbar. Dass es vielleicht eher ein Viertel wird für die Menschen, die dort wohnen wollen und nicht unbedingt ein Aushängeschild für die Stadt."

Ein Areal im typischen Hamburger Drittelmix

Klar ist aber, dass neben gewerblich genutzten Arealen an den Rändern auch rund 6.000 Wohnungen gebaut werden sollen. Mit dem typischen Hamburger "Drittelmix": ein Drittel geförderter Wohnungsbau, ein Drittel Eigentumswohnungen und ein Drittel frei vermietbare Wohnungen.
Neben Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt und Oberbaudirektor Josef Höing nahm auch der Professor für Stadtplanung Cees Christaanse an der Grasbrook-Werkstatt teil. Der Stadtplaner war maßgeblich an der Entwicklung der Hamburger Hafencity beteiligt. Und dass es dort lange gedauert hat, bis ein lebendiges, vielfältiges Viertel für die Menschen entsteht, wundert ihn gar nicht: "Ich würde die Sache umdrehen. Eigentlich ist es so, dass ausnahmslos Entwicklungsprojekte wie die Hafencity die ersten 20, 30 Jahre total leblos sind. Und bei der Hafencity ist schon nach der Hälfte der Entwicklung – die andere Hälfte muss noch kommen – heute schon ein relativ starker sozialer, kultureller Humus anwesend."

Aktives Einmischen in die Planungen des neuen Viertels

Und der mache sich bemerkbar durch die vielen Bürgerinitiativen, die sich beständig einmischen in die Planungen der immer noch nicht ganz fertigen Hafencity. Beim Kleinen Grasbrook soll mit den Werkstätten versucht werden, die Bürgerinnen und Bürger, anders als bei der Hafencity, schon frühzeitig einzubinden. Die vielen Klebezettel an den Stellwänden zeugen jedenfalls vom Ideenreichtum der Menschen: die einen wünschen sich einen Anleger für Elektroboote und mehr Brücken, die anderen eine offene, überdachte Markthalle und möglichst wenig Durchgangsverkehr. Nach den Werkstattterminen werden die Klebezettel nicht etwa entsorgt, sondern archiviert, erklärt Susanne Bühler von der auch bei den neuen Planungen federführenden Hafencity GmbH:
"Das wird dokumentiert und in den wettbewerblichen Dialog mit eigebracht. Das heißt, es gibt eine Auslobungsbroschüre und diese Auslobungsbroschüre kriegen dann eben auch die Büros, die dann eingeladen werden für den wettbewerblichen Dialog."
Zurück an der Elbe, auf dem Kleinen Grasbrook. Jürgen Bruns-Berentelg, dessen Hafencity GmbH das Stadtentwicklungsprojekt federführend betreut, freut sich die gute Beteiligung der Hamburgerinnen und Hamburger an den Ideen-Werkstätten. Einige Vorschläge sind heute fester Bestandteil der Planungen. "Es soll eine grüne Uferzone geben. Und die soll dann natürlich auch als öffentlicher Park für alle Hamburger, für die Veddel, aber natürlich auch für die Grasbrooker gelten."

Ein Badestrand als Sahnehäubchen

Und die Veddel, das Hamburger Quartier mit seiner Mischung aus lautem Hafen, aus Industrie, Autobahn und Wohnbebauung müsse, über einen Tunnel oder eine Brücke an den Kleinen Grasbrook angedockt werden, so der Stadtplaner. Dass in den Grasbrook-Werkstätten von vielen Teilnehmern auch die Idee eines öffentlichen Badestrands am Elbufer formuliert wurde, findet auch Jürgen Bruns-Berentelg sehr verlockend. Die praktische Umsetzung dürfte aber schwierig sein:
"Wenn man sich umguckt, dann sieht man natürlich, dass man hohe Kaimauern hat, dass man ein Tidegewässer hat. Man hat eine Bundeswasserstraße. Das ist schon ein richtiges Unterfangen, wenn man sich einen Strand hier vorstellen wollte. Es gibt aber einen wunderbaren Strand hier zwischen den Elbbrücken, der noch gar nicht so richtig genutzt wird. Da muss man sich überlegen, tatsächlich andere Strandlagen deutlich besser zu nutzen. Ich vermute mal, es könnte ein Badeschiff geben, aber es könnte sicherlich keinen Strand geben!"
Wenn die Planungen konkreter werden, sollen alle Interessierten auch in den Dialog mit den beteiligten Stadtplanungsbüros eingebunden werden. Dann wird sich zeigen, was von den Ideen der Werkstattbesucher tatsächlich in den Stadtraum des neuen Viertels einfließt.
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