Hamburg

Gedenken an Deserteure in der NS-Zeit

Das Foto zeigt das Konzept des Künstlers Volker Lang für ein Deserteurdenkmal in Hamburg.
So sieht das Konzept des Künstlers Volker Lang für ein Deserteurdenkmal in Hamburg aus. © picture alliance / dpa / Anselm Gaupp
31.08.2015
Der Künstler Volker Lang schafft in Hamburg ein Mahnmal für die Opfer der Hamburger Militärjustiz im Nationalsozialismus. Stehen wird es an einem umstrittenen Ort zwischen zwei weiteren Monumenten.
Die meisten Passanten eilen schnell an den beiden so monumentalen Denkmälern vorbei. Ziehen ihre Rollkoffer über das Pflaster, sind unterwegs zum Hamburger Bahnhof Dammtor. Kaum jemand nimmt Notiz von den Denkmälern, von den beiden Antipoden, die hier um die Deutung der deutschen Vergangenheit ringen.
Auf der einen Seite steht das Krieger-Denkmal, der so genannte "Kriegsklotz" aus massivem Muschelkalk. Mit seinen im Relief marschierenden Wehrmachtssoldaten, mit geschulterten Gewehren und Messern am Koppel. 1936 entworfen von Richard Kuöhl. Monumentale NS-Ästhetik. Ihm gegenüber erinnert das Gegen-Denkmal Alfred Hrdlickas von 1985 an das Leid und die Toten, die Ertrinkenden und Verbrannten des Zweiten Weltkriegs.
Das "Denkmal für das Hamburger Infanterieregiment 76" des Bildhauers Richard Kuöhl, das im Jahr 1936 in Hamburg errichtet wurde.
Das "Denkmal für das Hamburger Infanterieregiment 76" des Bildhauers Richard Kuöhl, das im Jahr 1936 in Hamburg errichtet wurde.© Axel Schröder
Jetzt beginnen – genau dazwischen – die Bauarbeiten für ein drittes Monument. Einen Gedenkort für die Opfer der Hamburger Militärjustiz in der NS-Zeit, für über 350 Menschen. Entworfen vom Hamburger Künstler Volker Lang.
"Man liest es schon als einen Ort von zwei Denkmälern, die sich irgendwie stumm gegenüberstehen und jedes für sich agieren möchte. So habe ich es bisher immer verstanden."
Hineinlocken in das Denkmal
Und nun könnte Volker Langs Mahnmal diese Lücke schließen. Es dient dem Andenken an die Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz in Hamburg. Auf der dreieckigen Grundfläche sollen die Wände in die Höhe ragen. Zwei davon bestehen aus bronzenen Gittern, aus Buchstabenreihen. Sie bilden einen Text des Schriftstellers Helmut Heißenbüttel. Er kämpfte als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Wurde verwundet und erlebte das Jahr 1944 fernab der Front.
Ein Teil des unvollendeten "Mahnmals gegen den Krieg" des Bildhauers Alfred Hrdlicka in Hamburg
Ein Teil des unvollendeten "Mahnmals gegen den Krieg" des Bildhauers Alfred Hrdlicka in Hamburg© Axel Schröder
Heißenbüttel notierte Textfragmente der Zeit, konservierte die blechern-scheppernden Stimmen aus dem Volksempfänger, aus öffentlichen Reden, aus Zeitungen. Und setzte die Fragmente 1967 zusammen, in seiner Collage "Deutschland 1944". Volker Lang geht ein paar Schritte auf die alte Platane zu, zeigt den geplanten Standort des Denkmals:
"Der Eingang wird ungefähr in dem Bereich sein. So dass man über den Rasen geht und dann bildet sich ein Trampelpfad. Kommen dann hier rein. Dann ist hier die gefaltete Betonwand, zur Linken und zur Rechten sind die beiden Gitter. Das südliche Gitter ist von außen lesbar. Und das rechte Gitter ist von Innen lesbar und ist die Fortsetzung."
Einweihung im November
Volker Lang will die Besucher hineinlocken in das Denkmal, will sie die bronzenen Texte lesen lassen, durch die der Blick auf den "Kriegsklotz" fällt.
"Die Sprache dieser beiden Skulpturen oder Denkmäler, die ist sehr stark einen Eindruck hin gemacht. Und meine Arbeit ist sehr stark auf ein Nachdenken, auf eine Reflexion hin gemacht. Und dieses Hineingehen heißt auch, sich damit auseinandersetzen zu wollen. Jemanden auch zu zwingen, sich auseinanderzusetzen, wenn er etwas verstehen möchte."
Nicht alle werden begeistert sein vom neuen Denkmal, fürchtet Lang. Aber es könnte die Wunden heilen, die die jahrzehntelangen Debatten um die beiden schon existierenden Mahnmale, die Antipoden am Bahnhof Dammtor, hinterlassen haben. Und diese Entwicklung, so Volker Lang, wäre undenkbar ohne die jahrzehntelange Arbeit der einst zum Tode verurteilten und mit dem Leben davongekommenen Wehrmachtsdeserteure.
Von Menschen wie dem 92-jährigen Ludwig Baumann. Von ihm ging die Initiative für das Hamburger Denkmal für die Deserteure aus. Im November soll es eingeweiht werden. 73 Jahre, nachdem Ludwig Baumanns aus der Wehrmacht desertierte.
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