Haifisch im Kuschelbärgewand

Von Alexander Kohlmann · 11.12.2011
Der Stoff dreht sich um einen Firmenchef, der einen imaginären Oberboss erfindet, weil er es nicht erträgt, harte Entscheidungen zu rechtfertigen. Kühnel hat den Film des dänischen Regisseurs Lars von Trier für die Bühne adaptiert - das Ergebnis ist allerdings wenig überzeugend.
Im realistischen Dogma-Stil erzählt von Trier, wie Ravn einen Schauspieler anheuert, der den jahrelang abwesenden Oberboss vor den erstaunten Mitarbeitern und wichtigen Geschäftspartnern spielen soll. Dieser Schauspieler merkt schnell, dass sich in diesem Büro unfassbarer Hass aufgestaut hat. Der liebe Kuschelbär Ravn hat, immer vertreten durch den imaginären Oberboss, vor keiner Entscheidung zurückgeschreckt und ist bei der Behandlung seiner Mitarbeiter buchstäblich über Leichen gegangen. Der Schauspieler des Oberbosses muss so seine Reflexionen über das Theater mit der Realität der Wirtschaft konfrontieren und sich dem dämonisch-schizophrenen Ravn stellen, der gleichzeitig von allen geliebt werden und doch rücksichtslos seine Interessen vertreten will.

Zwei Hauptrollen und eine Geschichte also, die dankbarer nicht sein könnte und leider eine Inszenierung, der es gelingt, so ziemlich jeden Tiefgang aus dieser Story zu tilgen. Aus der bitterbösen Farce über die - in der Wirtschaft weit verbreitete - Entkopplung von Entscheidungsträgern und den betroffenen Mitarbeitern, hat der Regisseur Tom Kühnel einen Abend gemacht, in dem eine harmlose Slapsticknummer an die andere gereiht wird. Florian Hertweck als "Boss of it ll" ist für die Rolle zu jung besetzt und eher ein jugendlicher Mark Zuckerberg denn ein erfahrener, grübelnder und auch verzweifelnder Mime, der all seine Erfahrungen im Abonnentensystem plötzlich mit der Realität konfrontiert sieht.

Auch für Janko Kahle als abgründiger, nur scheinbar so lieber Ravn, für den die ahnungslosen Mitarbeiter schon einmal ein Ständchen singen, bleibt in dieser Nummernrevue kein Raum, mit einem psychologischen Spiel der Figur die Fallhöhe zu geben, die sie besitzt. Selbes gilt auch für die, im Original schutzlos "der Firma" ausgelieferten Angestellten, die in Hannover schon mal in Zombiekostümen über die Bühne robben: Wenn Ravn zum Ende sein Lebenswerk verkaufen und alle seine Schützlinge knallhart um die Früchte der gemeinsamen Arbeit betrügen will, hat mit dieser Truppe bestimmt niemand Mitleid.

Dazu passt die durchweg heitere Stimmung im Premieren-Publikum, dass dankbar die vielen vordergründigen Pointen des Abends quittiert, die sehr oft wichtiger erscheinen als die Auseinandersetzung mit den Abgründen der Vorlage. Dass sich im Film ein Mitarbeiter Ravns aufgrund eines Rauswurfs durch den "Boss of it All" erhängt, streicht Kühnel kurzerhand aus seiner Bühnenadaption. So ist aus der Tragikomödie von Triers doch noch ein echter Schenkelklopfer geworden.


Mehr Infos im Web:

Schauspiel Hannover: "The Boss of it all"