Haggada von Arik Brauer

"Man kann sich nicht sattsehen an den Bildern"

05:54 Minuten
Ein Porträt des Künstlers Arik Brauer.
Arik Brauer 2018: Farbenfroher Künstler und Wegbegleiter in schwierigen Zeiten. © picture alliance / dpa / Robert Jäger / APA / picturedesk.com
Danielle Spera im Gespräch mit Miron Tenenberg · 26.03.2021
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Derzeit ist anlässlich Pessachs in Wien die Haggada von Arik Brauer zu sehen. Der österreichische Künstler starb im Januar, kurz nach seinem 92. Geburtstag. Er prägte die "Wiener Schule des Phantastischen Realismus".
Die Haggada ist ein spezielles Gebetbuch mit Liedern und Geschichten, das durch den kleinteilig strukturierten Pessach-Abend mit seinen rituellen Speisen führt. Oft ist sie reich verziert - und manchmal ist es sogar ein Politikum, welche Haggada benutzt wird.
Danielle Spera, die Direktorin des Jüdischen Museums Wien, hat Arik Brauer selbst kennengelernt. Sie kuratierte eine Ausstellung über ihn und zeigt derzeit seine Haggada im Artrium des Museums in der Dorotheengasse.

Details, die an sein Leben erinnern

Miron Tenenberg: Frau Spera, welchen Stellenwert hat Arik Brauers Haggada für Sie und die Jüdinnen und Juden in Wien?
Danielle Spera: Arik Brauer hat in den 70er-Jahren bereits eine Haggada illustriert. Die war so schön, dass sie relativ rasch vergriffen war - und Arik Brauer hat dann keine Zeit und keine Möglichkeit gehabt, eine neue Haggada zu schaffen. Vor einigen Jahren ist ein gemeinsamer Freund dann an Arik Brauer herangetreten und hat ihn auf die Idee gebracht, doch eine neue Haggada zu illustrieren. So ist diese neue Haggada 2014 entstanden, die wir auch im Jüdischen Museum ausgestellt haben, um an Arik Brauer zu erinnern.
Es ist eine unglaublich farbenprächtige Arbeit. Es ist eine Arbeit, die einen sofort in die Geschichte des Auszugs aus Ägypten hineinzieht. Man kann sich gar nicht sattsehen an diesen Bildern. Daher hat sie für mich einen ganz besonderen Stellenwert, auch für das Museum, weil er in Zusammenarbeit mit dem Museum und mit unserem gemeinsamen Freund Erwin Javor diese Arbeit geschaffen hat. Das heißt also, es ist ursächlich auch mit dem Museum verbunden, und es ist ein wunderschönes Werk geworden, das sicher jeden Sederabend noch kurzweiliger erscheinen lässt.
Tenenberg: Wenn Sie davon reden, dass die Bilder so farbenfroh sind: Haben Sie ein Lieblingsbild, welches sie kurz beschreiben können?
Spera: Das ist wirklich schwierig zu sagen. Aber es gibt ein Bild "Die Lobpreisung der Frauen", da steht eine Frau im Mittelpunkt, wie in vielen Arbeiten von Arik Brauer. Das ist ein besonders schönes Bild, aber auch "Die vier Söhne" sind wunderbar, und "Der Auszug aus Ägypten". Ich kann es gar nicht sagen. Es sind oft Details, in die man sich hineinversetzen kann oder die einem vielleicht erst auffallen, nachdem man das Bild schon oft gesehen hat. Es ist wirklich eine ganz wunderbare Arbeit.

Ein Freund seit der Kindheit

Tenenberg: Sie waren auch die Kuratorin vor fünf Jahren, als die Haggada das erste Mal im Jüdischen Museum ausgestellt wurde. Sie haben Brauer auch kennengelernt.
Spera: Arik Brauer ist ein Freund, den ich seit meiner Kindheit kenne. Mein Vater und Arik Brauer waren Jugendfreunde, haben sehr viel Zeit gemeinsam verbracht und so habe ich Arik Brauer schon als Kind kennengelernt. Er hat mich sehr oft auch durch schwierige Situationen begleitet wie den Tod meines Vaters. Und ich durfte dann Arik Brauer Lebensausstellung zu seinem 90. Geburtstag gestalten, hier im Jüdischen Museum Wien, gemeinsam mit einer Kollegin, und das war eine so fantastische Arbeit mit ihm, diese Ausstellung zusammenstellen zu dürfen und durch sein Leben führen zu dürfen, das ja unglaublich facettenreich ist.
Tenenberg: Was hat denn die Arbeit mit Arik Brauer so fantastisch gemacht?
Spera: Dieses Eintauchen in seiner Malerei, dieses Eintauchen in seine verschiedenen Kunstformen, denn Arik Brauer war definitiv ein Universalkünstler. Wir haben diese Ausstellung zu seinem Geburtstag dann auch "Alle meine Künste" genannt. Arik Brauer hat ein Bild speziell für die Ausstellung gemalt, ein großes Bild. Das haben wir mitverfolgt von der leeren Leinwand bis zum letzten kleinen Pünktchen, das er noch auf die Leinwand gebracht hat, und das war faszinierend, ihm bei der Arbeit zuzusehen.
Es war für mich auch schön, dass ich ihn in Israel besuchen durfte, in seinem Haus, das ja ein eigenes Kunstwerk ist, das er dort geschaffen hat. Es war in jedem Bereich dieser Ausstellungsvorbereitung einfach ganz, ganz spannend mit ihm zu sein. Er hat dann im letzten Moment auch noch ein Bild gemalt, ein ganz kleines Bild. Wir haben ein Bild von seiner Schwiegermutter ausgestellt und da hat er gesagt: 'Aber da gibt's kein Bild von meinem Schwiegervater. Da habe ich noch einen Rahmen.' Und er hat wirklich zwei Tage vor der Ausstellungseröffnung noch dieses Bild gemalt.

Künstler und Lebensmensch

Tenenberg: Morgen beginnt Pessach. Welche Haggada werden sie dafür benutzen?
Spera: Ich habe beide Brauer-Haggada, ich verwende eigentlich seine erste. Die habe ich von meinem Mann geschenkt bekommen. Er hat sie in seiner Schulzeit auch schon verwendet. Sie ist ein antiquarisches Stück sozusagen. Aber auf jeden Fall jetzt auch die neue, von der haben wir viele kleine Ausgaben, auch Tischausgaben, die wir damals produziert haben. Und die sind gerade für den Sederabend sehr praktisch.
Tenenberg: Die Ausstellung von Arik Brauers Haggada in Ihrem Museum ist auch eine sehr persönliche Ausstellung für Sie?
Spera: Absolut. Arik Brauer ist ein Lebensmensch für mich gewesen. Ich bin unendlich dankbar für die vielen Momente, die ich mit ihm teilen durfte.

Die Pessach-Haggada von Arik Brauer ist noch bis zum 5. April im Jüdischen Museum Wien zu sehen.

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