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Neues Kartellrecht geplant
Ökonom: Wettbewerb in der Digitalwirtschaft erhalten

Digitalkonzerne sollen aus Wettbewerbsgründen an die kürzere Leine gelegt werden. So könnte es großen Konzernen etwa erschwert werden, potenzielle Konkurrenten vom Markt wegzukaufen, sagte der Ökonom Justus Haucap im Deutschlandfunk.

Justus Haucap im Gespräch mit Sina Fröhndrich | 04.09.2018
    Das Hauptquartier von Google in Beijing, China
    Großen Konzernen wie Google soll es schwerer gemacht werden, Wettbewerber aufzukaufen (imago)
    Sina Fröhndrich: Google wird 20. Und zum Geburtstag gibt es ein Geschenk – der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU denkt über ein neues Kartellrecht für die Digitalwirtschaft nach - denn er sieht den Wettbewerb gefährdet.
    Altmaier hat eine Studie in Auftrag gegeben, die an diesem Dienstag übergeben wird. Mitautor ist der Ökonom Justus Haucap von der Uni Düsseldorf, früherer Vorsitzender der Monopolkommission. Mit ihm konnte ich sprechen. Ein Gutachten zum 20. Geburtstag von Google mit dem Tenor, Digitalkonzerne aus Wettbewerbsgründen an die kürzere Leine zu legen - ist das eine Art besonderes Geschenk?
    Justus Haucap: Nee, das ist Zufall. Das ist keinerlei Absicht gewesen und zeigt vielleicht, dass man nach 20 Jahren von Google sich doch noch immer mehr Gedanken darüber machen muss, wie man mit den neuen Machtverhältnissen umgehen kann.
    "Was wir vorschlagen, ist keine Revolution"
    Fröhndrich: Dann schauen wir mal auf Ihre Empfehlungen für das Ministerium. "Die Entwicklungen in der digitalen Wirtschaft können den Wettbewerb gefährden", steht da. Und Sie fragen, ob das geltende Kartellrecht dagegen gewappnet ist. Wie ist denn Ihr Fazit? Ist es das?
    Haucap: Im Grunde ziehen wir erst mal ein positives Fazit und sagen, in seiner ganzen Grundstruktur ist das Kartellrecht schon sehr gut aufgestellt, um mit den Besonderheiten der digitalen Wirtschaft auch umgehen zu können. Gleichwohl sehen wir auch Anpassungsbedarf an ein paar Stellen, wo tatsächlich man noch mal nachjustieren kann, um den Besonderheiten der digitalen Welt gerecht zu werden.
    Aber was wir vorschlagen ist keine Revolution, sondern tatsächlich eine Justierung und eine Nachbesserung oder Neuschärfung des Kartellrechts an ein paar Stellen.
    Fröhndrich: Können wir da vielleicht einen Punkt rausgreifen? Vereinfacht erklärt: Was schlagen Sie da vor?
    Haucap: Ein Punkt ist zum Beispiel, dass wir sagen, auch bei Unternehmen, die noch nicht marktbeherrschend sind auf einem bestimmten Markt, aber bei denen man sieht, dass Märkte zu kippen drohen, da kann dieses "Winner takes all" Phänomen auftreten, wo dann möglicherweise nur einer übrig bleibt. Da sollte man aufpassen, dass das von den Unternehmen nicht strategisch herbeigeführt wird, zum Beispiel, indem sie es künstlich erschweren, dass Nutzer mehrere Dienste parallel nutzen. Denn das ist ja eigentlich ein großer Vorteil der Internet-Ökonomie. Man kann eigentlich auch mehrere Dienste parallel nutzen, relativ unkompliziert.
    "Das ist ein großer Vorteil der digitalen Wirtschaft"
    Fröhndrich: Zum Beispiel Messenger-Dienste.
    Haucap: Zum Beispiel Messenger-Dienste. Prinzipiell könnte man auch soziale Netze – machen vielleicht auch, dass sie verschiedene soziale Netze nutzen, oder auch verschiedene Suchdienste, verschiedene Kaufplattformen nutzen. Das ist eigentlich ein großer Vorteil der digitalen Wirtschaft. Das ist nicht so, sagen wir mal, wie bei meinem Stromanbieter. Wenn ich den einen nutze, dann muss ich wechseln und zum anderen hingehen. Da kann ich immer nur bei einem sein. Das ist ja eigentlich ein toller Vorteil der digitalen Wirtschaft, der Wettbewerb ermöglichen sollte.
    Fröhndrich: Jetzt kommt das Aber!
    Haucap: Aber natürlich versuchen die großen Unternehmen, das zu unterbinden, dass man auch andere Dienste nutzt, weil sie natürlich möchten, dass man möglichst viel Zeit bei ihnen verbringt. Sie versuchen, das teils auch strategisch einfach zu unterbinden oder künstlich zu erschweren, das parallele Nutzen verschiedener Dienste, und das kann man schon früher aufgreifen.
    Erschwerung der Parallelnutzung soll untersagt werden
    Fröhndrich: Und wie sollte das dann gehen? Wie könnte man da früher schon tätig werden?
    Haucap: Ich will da jetzt nicht allzu technisch werden, aber es gibt eine bestimmte Klausel im deutschen Kartellrecht – Paragraph 20 ist das für die Experten, der sagt: Wenn es auch Unternehmen unterhalb der Marktbeherrschung gibt, die schon relativ marktstark sind, wenn die bestimmte Praktiken verfolgen, dann kann man das einfach untersagen. Da schlagen wir vor, dass man da eventuell eine neue Klausel einfügt, die sagt, auf Plattform-Märkten ist das strategische Erschweren der Parallelnutzung verschiedener Dienste untersagt.
    Fröhndrich: Jetzt reden wir in dem Zusammenhang ja oft immer von den Großen, Google, Facebook und so weiter. Jetzt nehmen Sie in dem Gutachten aber auch kleinere Unternehmen in den Blick, innovative kleinere Unternehmen, die auch den Wettbewerb behindern können. An wen denken Sie da?
    Haucap: Eine Sorge, die viele haben, ist, dass kleine Unternehmen systematisch aufgekauft werden von den Großen – eigentlich Unternehmen, die durchaus sich zu Wettbewerbern hätten entwickeln können, aber doch es eine Gesamtstrategie der großen Anbieter zu geben scheint, den Wettbewerb vom Markt wegzukaufen. Da schlagen wir vor, dass man diese Strategie, dass man systematisch jeden, der droht, ein Wettbewerber zu werden, aufkauft, dass man das auch einfacher in den Blick nehmen können soll als Kartellbehörde.
    "Man kann sicher nicht alle Wettbewerbsprobleme damit lösen"
    Fröhndrich: Jetzt basiert die Macht dieser Konzerne oft ja auch auf Daten, und das greifen Sie auch auf und sagen, dass aktuell auch über eine Daten-Sharing-Pflicht diskutiert wird. Das heißt, Facebook könnte zum Beispiel verpflichtet werden, bestimmte Daten offenzulegen. Das hat Andrea Nahles, die SPD-Vorsitzende vor kurzem gefordert. Was soll das bringen? Was macht man dann mit diesen Daten?
    Haucap: Häufig ist es ja so, dass Unternehmen sagen, wir würden auch gerne ähnliche Dienste entwickeln und verwenden, aber uns fehlen die Zugriffe auf die notwendigen Daten, um das tun zu können. Das müssen gar nicht die wirklich persönlichen Daten sein, sondern das können häufig ruhig anonymisierte Daten sein. Stellen wir uns vor, ich will auch eine Suchmaschine entwickeln; dann muss ich gar nicht genau wissen, wie Sie oder ich oder Herr Müller klickt. Ich muss nur wissen, wie so ein typischer Verbraucher oder Nutzer klickt, wenn ich ihm welche Links zeige.
    Und wenn ich sage, daraus, aus dem Klickverhalten kann ich tatsächlich viel lernen und dann meine Programme auch immer besser machen, dann kann das natürlich ganz sinnvoll sein, die auch in anonymisierter Form zu teilen oder verfügbar zu machen. Das müssen häufig auch gar nicht alle Daten sein; da reichen häufig auch Teile. Dann kann man sicherlich nicht alle Wettbewerbsprobleme der Welt damit lösen, aber man kann zumindest ein Puzzle-Teil dazu beitragen, dass dann auch Unternehmen es einfacher haben, in den Wettbewerb zu kommen.
    Fröhndrich: Ist das denn wirklich wahrscheinlich, dass ein großes Unternehmen wie Facebook sich in seine Daten schauen lässt und die selbst anonymisiert preisgeben würde?
    Haucap: Ich bin da gar nicht so unoptimistisch, dass das passieren würde. Das ist auch eigentlich gar nicht so was Neues. Denken wir daran, wir haben wir denn die Telekom, die Energiemärkte und auch andere Infrastrukturmärkte liberalisiert beziehungsweise da Wettbewerb geschaffen, indem wir der Deutschen Telekom gesagt haben, na gut, Du musst auch andere auf Dein Netz lassen. Letzten Endes ist das nicht so, dass man sagt, das ist so neu, mit diesem Problem hätten wir noch nie zu tun gehabt. Von daher bin ich ganz optimistisch, dass man auch das lösen wird.
    Verfahren erst im eigenen Land testen
    Fröhndrich: Jetzt handelt es sich ja um Empfehlungen für das Bundeswirtschaftsministerium. Jetzt ist es ja so: Wir sehen auch ein Vorgehen des Bundeskartellamtes gegen Facebook und die EU-Kommission ist gegen Google vorgegangen. Wie ist es denn, wenn wir jetzt wirklich auf so ein Unternehmen wie Google schauen? Ist nicht ohnehin in vielen Fällen der Digitalwirtschaft eher die EU zuständig?
    Haucap: Das stimmt. Die EU führt viele Verfahren. Das hat natürlich auch ganz praktische Gründe, weil letztendlich es relativ unsinnig wäre, das gleiche Verfahren in 28 Mitgliedsstaaten zu führen. Aber wir sehen, das Bundeskartellamt ist auch eine der aktiveren und auch größeren Wettbewerbsbehörden in Europa, und an dem Vorgehen gegen Facebook sieht man, dass auch das Bundeskartellamt durchaus aktiv wird. Und das hat vielleicht sogar Vorteile, dass man sagt, man führt solche Verfahren dann auch erst mal im eigenen Land, weil das ja doch teils noch neuere Phänomene sind, denen wir uns da ausgesetzt fühlen, und man dann, ich will nicht sagen, experimentiert, aber doch gewisse Lernprozesse durchleben muss.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.