Gutes Handeln in einer schlechten Welt

30.06.2011
McGill hat das, was man eine "dunkle Vergangenheit" nennt – einst war er der Lieblingsdetektiv von allerlei dubiosen Gestalten. Kein Deal war ihm zu schmutzig, kein Job zu eklig. Doch jetzt will er endlich alles richtig machen.
Der Privatdetektiv-Roman kommt in die Jahre. Seine große Zeiten, die Periode von 1930 bis 1960 und das Revival in den 1980er/1990er Jahren, hat er dazu benutzt, um sein Grund- und Leitmotiv weidlich zu variieren: Der "private eye" hat einen Klienten, der ihn aufs Kreuz legen will, auf dass der Detektiv um sein Leben und – vor allem – um seine Integrität kämpfen muss. Auch Walter Mosleys neue Serie um den ebenfalls in die Jahre gekommenen schwarzen "private investigator" Leonid McGill folgt diesem tradierten Muster: so sehr und so selbstreferenziell auf die Klassiker des Subgenres bezogen, dass man von Neo-Klassizismus zu reden versucht ist.

McGill, Sohn eines Kommunisten, verheiratet mit einer notorisch untreuen Frau, verantwortlich für eine Schar von Patchwork-Kindern, deren ein charmanter Nachwuchsverbrecher ist, lebt als Romanfigur in zwei Welten: in der des heutigen New York City und in der, die literarisch von Chandler & Co. geprägt ist. McGill hat das, was man eine "dunkle Vergangenheit" nennt – einst war er der Lieblingsdetektiv von allerlei Gangstern und anderer dubioser Gestalten. Kein Deal war ihm zu schmutzig, kein Job zu eklig, wenn nur die Kohle stimmte. Doch jetzt will er – nach einem traumatischen Erlebnis, das wir vermutlich erst in den nächsten Bänden der Serien kennenlernen werden – endlich alles richtig machen.

Gutes Handeln in einer Welt, die alles andere als das favorisiert und belohnt, war immer Mosleys Leitmotiv: in seinen historischen Krimis um den Privatdetektiv wider Willen Easy Rawlins, der Mosley international bekannt machte, und in den Episodenromanen um den Mörder und Ex-Knacki Socrates Fortlowe, die das "gute Handeln" offen diskutieren. Für McGill baut Mosley jetzt gleich mehrere Ethik-Fallen: Er muss seinen kriminellen Sohn daran hindern, einen Mord zu begehen, er muss ein armes, superreiches Mädchen beschützen, sich selbst retten und überlegen, ob er der Mafia einen abtrünnigen Buchhalter ausliefert. Dazu rast er durch ein New York, das von Schattengestalten bevölkert ist, die allesamt aus den Universen von Jerome Charyn oder Chester Himes stammen könnten: in Renaissance-Outfits residierende Polit-Profis, die die Stadt kontrollieren, Super-Spezialisten für Mord und Elektronik, Hoodies, multitalentierte Huren.

Manche Szenen und Szenarien wie der Wohnsitz eines bösen alten Mannes sind direkte Zitate, so wie die Treibhausszene aus Chandlers "The Big Sleep", die Mosley hier neu aufbaut. Ähnlich schnell springen McGills Gedanken von einer Zeitebene in die nächste, ein Leben in Rückblenden, aufgesplittert in Episoden, kleine narrative Vignetten und manchmal sogar Gleichnisse. Der für Mosley aber wichtigste Subtext tickert die ganze Zeit: Auch wenn das Buch im Jahre 2008 spielt und Obama sich anschickt, Präsident zu werden und sich in den USA vieles geändert hat – dass diese Gesellschaft immer noch tief rassistisch ist, das strahlt jede Zeile des Romans ab. So präzise der gute, alte PI-Roman nachgebaut ist, so deutlich und unbarmherzig verweist er bei Mosley auf die Signaturen der heutigen Zeit.

Besprochen von Thomas Wörtche

Walter Mosley: Manhattan Karma
Aus dem amerikanischen Englisch von Kristian Lutze
Suhrkamp, Berlin 2011
389 Seiten, 9,95 Euro