Gute Geschäfte und wachsendes Vertrauen

Von Stephan Detjen |
Mit Blick auf die Euro-Rettung stand Merkel in der Rolle einer Hilfsempfängerin vor Premier Wen Jiabao. Doch China bleibt ein ambivalenter Partner: Eine Lockerung der absoluten Parteiherrschaft ist trotz aller Wandlungen nicht erkennbar.
Die zweiten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen finden in einer Phase denkbar großer Ungewissheiten auf beiden Seiten statt. "Wie geht es weiter mit Europa und dem Euro?", mussten sich Angela Merkel und ihre Ministerriege von ihren unübersehbar besorgten Gesprächspartnern in Peking fragen lassen. "Wie geht es weiter mit China?", versuchte die Kanzlerin mit ihrem fast vollständig angetretenen Kabinett zu ergründen.

Antworten auf die letzte Frage sind in diesen Tagen so schwer zu bekommen, wie auf die erste. China steht vor einem kompletten Austausch seiner Führungsregie. Im Oktober soll die Staats und Parteispitze auf einem KP-Kongress neu zusammengesetzt werden. Seit Monaten wird der Personalwechsel von heftigen Macht- und Flügelkämpfen hinter den Kulissen des Machtapparats begleitet.

Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, mit welchem Nachdruck die chinesische Seite ihr Interesse an einer Kontinuität der engen Beziehungen zur deutschen Regierung demonstriert. Deutschland ist der mit Abstand wichtigste Partner Chinas in Europa. Die Expansion der wechselseitigen Handelsbeziehungen hat in den vergangenen Jahren ein dichtes Geflecht gemeinsamer ökonomischer Interessen wachsen lassen. Zahllose Beispiele belegen, wie die Öffnung des Landes für einen zunehmend freien und fairen Handel auch kulturelle und wissenschaftliche Beziehungen intensiviert. Man darf sich über gute Geschäfte ebenso wie über gemeinsame Forschungsprojekte und den Austausch von Sprachschülern und Wissenschaftlern freuen.

Deutschland profitiert davon, gerade im Zeichen der Krise in Europa. Die Zeiten, in denen China vor allem ein Reiseziel für Entwicklungshilfeminister war, sind lange vorbei. Die Bundesregierung muss in Peking um Vertrauen für chinesische Investitionen in Deutschland und Europa werben. Mit Blick auf die Euro-Rettung stand Merkel heute in der Rolle einer Hilfsempfängerin vor dem chinesischen Ministerpräsidenten, der großzügig einen Vertrauensvorschuss gewährte und versprach, einen Teil seiner gigantischen Währungsreserven auch weiter in europäische Staatsanleihen und den Euro-Rettungsschirm anzulegen.

Das Interesse Deutschlands an einem Fortgang des Reform- und Öffnungsprozesses in China hat deswegen auch handfeste volkswirtschaftliche Gründe. Niemand kann sich wünschen, sich in wechselseitiger Abhängigkeit mit sturen Ideologen und machtversessenen Parteibonzen zu verbinden.

Aber China bleibt in dieser Hinsicht ein ambivalenter Partner. Eine Lockerung der absoluten Parteiherrschaft ist trotz aller Öffnungen und Wandlungen in anderen Bereichen nicht erkennbar. Wo sich die Kommunistische Partei in ihrem totalen Machtanspruch bedroht oder nur kritisch hinterfragt sieht, zeigt China sein anderes Gesicht: als Polizeistaat, der seine Gegner brutal unterdrückt, verschleppt und mundtot macht. Angela Merkel beteuert, gerade das im steten Kontakt gewachsene Vertrauensverhältnis mit den chinesischen Machthabern erlaube es, auch die Differenzen offen auszusprechen. Sie hat das heute mit Blick auf die Pressefreiheit in China auch einmal mehr öffentlich getan.

Wenn die deutsch chinesischen Regierungskonsultationen tatsächlich im Zweijahrestakt fortgesetzt werden, werden sie auch ein Gradmesser für die berechtigte Frage sein, ob solche Interventionen zu folgenlosen Ritualen erstarren.
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