"Gruppendynamik wie im Ferienlager"

Von Waltraud Tschirner · 01.05.2011
Der Filmjournalist Knut Elstermann hat einstige DEFA -Filmkinder aufgesucht und erzählt in seinem Buch "Früher war ich Filmkind" ihre Geschichten weiter. Einer von ihnen ist Axel Sommerfeld, der in "Insel der Schwäne" seinen einmaligen großen Auftritt hatte.
Film "Insel der Schwäne" von 1983:
Stefan muss mit seinen Eltern vom Dorf in die Stadt ziehen. Nach Berlin, wo sein Vater auf dem Bau arbeitet und die Eltern endlich eine eigene, eine Neubauwohnung bekommen haben. Alles in ihm sträubt sich dagegen. Stefan ist ein starker Charakter, ein verschlossener Jugendlicher, der eher mit seinem Blick Ablehnung, Wut, Verzweiflung signalisiert als mit Worten oder mit Fäusten. Der Regisseur Hermann Zschoche muss sofort eine Menge von Stefan in Axel Sommerfelds Gesicht gefunden haben:

"Als sich dann herausstellte, dass ich in der engeren Wahl war, dann war allein das natürlich eine Herausforderung, die man nicht einfach ausschlug zu der Zeit. Denn es gab ja wenig andere Möglichkeiten als den normalen Alltag, so dass jede Abweichung natürlich angenommen wurde."

Heute eilen Scharen von ehrgeizigen Müttern und Vätern mit Anhang zum Vorspielen, wenn irgendwo ein Castingtermin angezeigt wird. Sie wollen ihre Kinder zu Stars machen und viele Kinder wollen Stars werden.

Axel Sommerfeld:
"Berühmt zu werden, war auch schon am Anfang keine Motivation, da mitzumachen. Ich hatte mich damit auch nicht auseinandergesetzt und wusste auch nicht, dass man in dem Moment, wo man in einem Film mitspielt, einer größeren Öffentlichkeit bekannt wird. Das war mir eigentlich erst hinterher bewusst, als es soweit war.

Während des Films waren wir da eigentlich 'ne lustige Truppe von Leuten, die alle in dem gleichen Alter waren, und umso länger wir dort zusammen drehten. Damals hatte man ja noch so richtig Zeit für so'n Film. Das war ja fast'n halbes Jahr, das wir da zusammenverbrachten am Set, entwickelte sich 'ne Gruppendynamik wie im Ferienlager. Man hatte den ganzen Tag miteinander zu tun und die Drehpausen waren immer länger als die Momente, in denen gedreht wurde, und da haben wir natürlich auch viel Unsinn angestellt."

Filmton:
Hausmeister: "Erstens, wir grüßen – zweitens, wir malen nichts an die Wände, wir malen nichts in den Fahrstuhl, wir malen überhaupt nicht."

Axel Sommerfeld:
"Ja, die Versuchung war natürlich groß. Weil es auch 'ne angenehme Zeit war und weil es natürlich auch hinterher mit dem Ruhm zu tun hatte und mit dem Bekanntsein und es macht ja auch Spaß, dann hofiert zu sein. Auch am Set , dass sich alle darum kümmerten, wie sieht er aus, ist er ausgeschlafen? Geht es? Kann er seinen Text? Hat er genug zu essen, hat er genug getrunken?"

Wenn seine Augen dabei vergnügt blitzen sieht, dann fragt man sich natürlich, warum, lieber Kollege, bist du dann heute Toningenieur im Deutschlandradio und nicht Schauspieler wie eben zum Beispiel Sven Martinek, dein Gegenspieler im Film?

Axel Sommerfeld:
"War glaub ich 'ne intuitive Entscheidung, dass ich gesagt hab': Mag ich nicht. Es gab immer Situationen, die nicht ganz meinem Charakter entsprachen. Also es ist ja normalerweise so bei Kinderfilmen: Die Kinder werden ausgesucht nach dem Aufbau der Rolle und dann wird so lange gesucht, bis ein Kind gefunden wird, was ungefähr in dieses Rollenprofil passt. Und wenn es dann so eine Situation gab, die eben nicht ganz mir entsprach, dann merkte ich, wie schwer mir das dann fiel, das dann authentisch rüberzubringen. Gerade Sven Martinek war einer, bei dem merkte man sofort, wenn der Regisseur die Szene eigentlich anders wollte als er sie spielte, dann spielte er die Szene einfach anders."

Axel Sommerfeld hat schließlich an der Filmhochschule Konrad Wolf studiert, allerdings nicht Schauspiel, sondern Tontechnik. Und natürlich stellt er sich immer mal wieder die Frage, ob er vielleicht doch die andere Richtung hätte wählen sollen, wenn zum Beispiel Ursula Werner, seine Filmmutter in "Insel der Schwäne", den Deutschen Filmpreis erhält:

"Man hinterfragt natürlich so 'ne Entscheidung sein ganzes Leben lang, aber wenn ich darüber nachdenke, das neu zu entscheiden, würd' ich's immer wieder so entscheiden. Also es hilft nichts, in 'nem Beruf zu arbeiten, den man nur zu 85 Prozent erfüllen kann, wenn man noch 'ne Begabung hat, die man besser erfüllen kann – dann muss man immer das andere machen."

Interview mit Knut Elstermann zu seinem Buch "Früher war ich Filmkind"