Gruppe Rollers Inc. aus Berlin

Revival der Rollerdisco

05:31 Minuten
Mitglieder von "Rollers Incorporated" trainieren auf dem Tempelhofer Feld.
Rollers Inc. möchte den Rollschuhtanz gerne als moderne Sportart etablieren. © Deutschlandradio / Caroline Kuban
Von Caroline Kuban · 17.01.2021
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Was heute Rollerskates sind, waren früher Rollschuhe: ein Stiefel, vier Räder, viel Spaß. Die Rollers Inc. haben aus dem Freizeitsport einen Tanz gemacht. Ihre "Rollerdisco" findet zum Beispiel auf dem Tempelhofer Feld in Berlin statt.
Fünf Tänzer stehen in einer Reihe, gleiten geschmeidig über den Teer. Die Füße drehen zackig nach innen und außen, kurze Schritte, alles synchron. Schwingen vor und zurück, stoppen auf den Hinterrollen. Vierteldrehung – und von vorn.
Eva ist seit drei Jahren dabei. Trainiert zweimal die Woche und macht immer gern mit, wenn die Gruppe spontan zusammen tanzt. So wie beim sogenannten Huxleys.
"Das kommt von der Rollerdisco, die ehemals im Huxleys war, Huxleys Neue Welt, die es jetzt nicht mehr gibt", erzählt sie. "Ich bin früher Rollschuh auf der Halfpipe gefahren, richtig so mit Eishockeystiefeln. Dann habe ich das für mich wiederentdeckt, wollte aber mehr in die Richtung Tanzen gehen. Ich möcht nicht mehr hoch auf die Rampe, das ist mir zu krass."

Leute mit tänzerischem Hintergrund sind im Vorteil

Gelbe Stulpen, ausgewaschene Jeans, Strickmütze. Getanzt hat sie schon immer gern, sagt die 46-Jährige:
"Das jetzt auf so ein Sportgerät zu übertragen, auf Rollschuhe, das ist für mich auch eine Herausforderung. Die Balance zu halten und dann auch wirklich komplexere Schritte zu machen, ist wirklich schwieriger."
Deshalb schloss sie sich "Rollers Incorporated" an, einer Trainingsgruppe, die dem Verein der "Neuköllner Rollsportfreunde" angeschlossen ist. Die "Rollers Inc." trainieren normalerweise ein bis zwei Mal die Woche in einer Neuköllner Turnhalle. Gegründet wurde die Gruppe 2010 von Michel Schüler, der auch ihr Trainer ist. Der freischaffende Fotokünstler und Schauspieler ist seit seiner Kindheit auf Rollschuhen unterwegs. Mit zwölf entdeckte er seine Leidenschaft für Rollerdiscos. Seitdem gehört der Sport zu seinem Leben.
Trainer Michel Schüler posiert auf seinen Rollschuhen.
Der Fotokünstler und Schauspieler Michel Schüler ist schon seit Kindheitstagen auf Rollschuhen unterwegs.© Deutschlandradio / Caroline Kuban
Vivian steht nach 25 Jahren das erste Mal wieder auf Rollschuhen. Das Wichtigste am Anfang ist, dass man die Knie gebeugt hält und die Hacken leicht nach innen dreht, erklärt ihr Michel, dann kann man nicht wegrollen.
"Leute mit einem tänzerischen Hintergrund haben immer einen Vorteil, eher als die, die einen sportlichen Hintergrund haben, denn das Sportliche lernst du schneller: Gleichgewicht, Gewichtsverlagerung, Drehungen und so, das lernt man viel schneller, das Rhythmische braucht mehr Zeit. Und wenn die Leute dann noch vom Hip-Hop kommen, dann haben die noch einen größeren Vorteil, weil es da so viele Bezugspunkte gibt."

Vom Freizeitvergnügen zum Sport

Angefangen hat alles am "Venice Beach", jener legendären Strand-Promenade in Kalifornien. Nach einem weltweiten Boom in den 70er- und 80er-Jahren ebbte die Welle ab. Skateboards und Inline-Skates verdrängten den Rollerdance. Plötzlich waren Fitness und Schnelligkeit wichtiger als die Mischung aus Sport und Musik, erzählt Michel Schüler.
Um seinen Lieblingssport mit Gleichgesinnten wiederzubeleben, begann er, die Rollschuhszene zu vernetzen. Dazu kamen Kurse und Veranstaltungen, unter anderem in Neukölln und Kreuzberg. Längst haben die Rollschuh-Partys im Berliner Klub "SO 36" Kultstatus.
Rollers Inc. möchte den Rollschuhtanz gerne als moderne Sportart etablieren. Da spielt die Musik natürlich eine wichtige Rolle. Wenn Michel im SO 36 auflegt, spielt er eine Mischung aus 70er-Jahre-Songs und aktueller Musik:
"Das können schon verschiedene Genres sein. Ist natürlich meistens R&B, House, Funk. Aber es geht primär darum, dass du den richtigen Groove hast – und dann kannst du dich darauf prima bewegen."

Die Fans des Sports sind alterslos

Den richtigen "Groove", darunter versteht der Rollschuh-Tänzer "eine Form der Bewegung, die lässig und relaxed ist und nicht so hektisch-expressiv. Was wir machen, ist weicher, das hat auch mit dem Groove zu tun, weich, geschmeidig, sich so zu bewegen, aber dabei gar nicht so eng definiert, weil es ja eigentlich eine Freestyle-Disziplin ist."
Das Publikum ist meist bunt gemischt. Neben dem vollbärtigen 70-Jährigen fährt ein junger Mann im uralten Marken-Sportanzug, neben dem farbigen Rastaman ein Teenager in Hotpants und geringelten Kniestrümpfen. Während Anfänger und ältere Fahrer ihrer Runden drehen, sammeln sich am Rand die Tänzer, um zusammen Tricks und Schritte auszuprobieren.
Genau das schätzt Michel so an den Partys: "Das ist eigentlich ein breites Abbild der Gesellschaft. Die Leute haben alle möglichen Hintergründe. Man kommt halt zusammen, teilt nur diese eine Passion, teilt sich den Ort auch, teilt sich die Musik, tanzt zusammen und dadurch entsteht ein Gemeinschaftsgefühl."
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