
GrundschuleViele Kinder sind "eigentlich nicht beschulbar"
Beitrag hören Podcast abonnieren- Der Grundschule werden immer mehr Erziehungsaufgaben aufgebürdet. Das beklagt die Grundschullehrerin Julia Petry in einem offenen Brief auf Facebook. (imago images / Christine Roth)
Julia Petry ist gerne Grundschullehrerin. Doch die Schwierigkeiten würden immer mehr, sagt die Pädagogin. Vor allem, weil die Zahl der Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten und sozialen Problemen "extrem" zugenommen habe.
Eine Stunde mehr pro Woche sollen bayerische Grundschullehrerinnen und –lehrer nach dem Willen des bayerischen Kultusministeriums künftig unterrichten. Für die Grundschullehrerin Julia Petry war diese Ankündigung der Anlass, in einem offenen Brief auf Facebook ihren Unmut auszudrücken. Nicht nur über die aktuelle Maßnahme, sondern generell über die immer schwieriger werdende Situation von Grundschullehrern.
Probleme bereitet Petry zufolge vor allem die große Heterogenität der Schüler, auch wenn das an einer Grundschule zunächst etwas ganz Normales sei – und etwas Gutes: "Diese Vielfalt ist positiv und gewinnbringend", betont die Lehrerin.
Aber in den letzten Jahren habe die Zahl der Kinder mit emotionalen oder sozialen Problemen und Verhaltensauffälligkeiten extrem zugenommen: "Das heißt, sie können sich nicht konzentrieren, kaum zuhören, Stillsitzen fällt wahnsinnig schwer. Es gibt unglaublich viele Konflikte, die ausgetragen werden, und es fällt einfach diesen Kindern wahnsinnig schwer, sich zurückzunehmen."
Petry vermutet die Ursache für diese Entwicklung in den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen, vor allem in der Mediennutzung. "Ein Kind, was es jetzt beispielsweise gewöhnt ist, von klein auf die Zeit vor Fernseher und Tablet zu verbringen, wird natürlich eine andere Motivation vielleicht entwickeln für die Schule, andere Voraussetzungen entwickeln als ein Kind, dem regelmäßig vorgelesen wird oder das viel an der frischen Luft spielen kann."
Helikoptereltern – und Eltern, die sich gar nicht kümmern
Verhaltensauffällige Kinder hätten Auswirkungen auf den gesamten Unterrichtsalltag, betont die Lehrerin. Denn man wolle sich natürlich diesen Kindern zuwenden und ihnen gerecht werden. "Aber auch den anderen Kindern muss man ja noch gerecht werden. Und das ist eigentlich das, was das Unterrichten gerade so schwierig macht."
Die gesellschaftlichen Veränderungen spiegeln sich offenbar auch in der Elternarbeit wider. Auf der einen Seite gebe es die Eltern, für die es "sehr wichtig" sei, was in der Schule passiere. "Viele Eltern fragen wöchentlich oder alle zwei Wochen nach, wie es steht", sagt Petry.
"Und auf der anderen Seite haben wir die Eltern, die vielleicht den Schwerpunkt zu Hause nicht so sehr auf die Schule setzen, wo dann die Elternarbeit deshalb schwierig wird, weil man sie erreichen muss – oder eben noch zusammen mit anderen Behörden zusammenwirken muss, um halt da die Kinder so richtig in die Schule mit einzubinden."
Von den Behörden wünscht sich Petry mehr Sensibilität für die gestiegene Belastung. "Wir möchten allen Kindern gerecht werden", betont sie.
"Das ist natürlich immer eine schwierige Angelegenheit. Aber je schwieriger sozusagen die Voraussetzungen sind, umso weniger können wir eigentlich dieses hohe Ideal erfüllen, das wir uns alle gesetzt haben."
(uko)