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Robert Forster
"Ich bin einfach kein Singer-Songwriter mehr"

Grant McLennan und Robert Forster gründeten Ende der 70er die Go-Betweens. 2006 starb Grant McLennan – seitdem widmet sich Forster verstärkt seiner Solokarriere. Sein neues Album: "Songs To Play". Darauf zehn sanfte Akustik-Rocksongs und ein Robert Forster, der viel fröhlicher klingt als noch auf der Platte davor.

Robert Forster im Corso-Gespräch mit Christoph Reimann | 19.09.2015
    Der australische Singer/Songwriter Robert Forster
    Der australische Musiker Robert Forster. (Deutschlandradio / Torben Waleczek)
    Christoph Reimann: Robert Forster, gleich im ersten Song Ihrer neuen Platte beschreiben Sie sich selbst als einen ungeduldigen Typen. Als jemanden, der die Geschenke schon vor Weihnachten auspackt. Trotzdem liegen zwischen dieser und der letzten Platte sieben Jahre. Wie passt das zusammen?
    Robert Forster: Es war auch eine sehr frustrierende Zeit für mich. Ich hatte mir fünf Jahre Zeit gegeben. Und die letzten zwei Jahre haben mich wirklich verrückt gemacht. Denn ich habe zu dieser Zeit an mehreren Dingen gleichzeitig gearbeitet, und nichts davon wurde fertig, um es zu veröffentlichen.
    Reimann: The Boxset for instance ….
    Forster: Das Boxset, das Album … als eine Person, die nicht sehr geduldig ist, wurde ich wirklich unruhig. Aber jetzt geht’s mir besser.
    Reimann: Sie haben Ihre Platte als einen Neubeginn angekündigt. Warum wollten sie noch mal neu anfangen?
    Forster: Als ich das Album "The Evangelist" im Jahr 2008 rausbrachte, fingen gleichzeitig verschiedene neue Dinge an. Ich habe zum Beispiel auf einmal viele neue Songs geschrieben, weil mir "The Evangelist" so viel Energie gegeben hatte. Schließlich ist diese Platte besonders wichtig für mich. Grant McLennan, mit dem ich zusammen die Go-Betweens gegründet hatte, war gerade mit 48 Jahren gestorben. Ich wusste sofort, dass ich mich nach Grants Tod in einer neuen Phase meiner Karriere befinden würde - andernfalls hätte ich meinen Job aufgeben müssen.
    Reimann: Haben Sie denn nach dem Tod von Grant McLennan 2006 darüber nachgedacht, mit dem Musikmachen aufzuhören?
    Forster: Nein, ich mag es einfach zu gerne, aufzutreten und die Songs zu spielen.
    Reimann: Das Album "The Evangelist" ist geprägt von der Trauer um McLennan. Auf der neuen Platte "Songs To Play" sind die Stücke hingegen schneller und sie hören sich fröhlich an. Es sind einige Liebeslieder drauf. Ein Song, der heißt "I Love Myself (And I Always Have)". Können wir also davon ausgehen, dass es Ihnen zurzeit gerade richtig gut geht?
    Forster: Die letzten sechs, sieben Jahre liefen wirklich gut. Es gab keine Katastrophe in meinem Leben. Die meisten Songs habe ich zwischen 2008 und 2011 geschrieben. Ich fand die Songs, die ich schrieb, wirklich gut. Das hat mich glücklich gemacht und deshalb wurden auch die Songtexte so fröhlich. Das hat sich gegenseitig positiv beeinflusst.
    Reimann: Manche Musiker sagen ja, dass Ihnen ein bisschen Unglück im Leben hilft, um Inspiration für neue Songs zu finden. Bei Ihnen ist das also anscheinend nicht so.
    Forster: Nein. Ganz im Gegenteil: Je entspannter und fröhlicher ich bin, desto besser. Deshalb freue ich mich zum Beispiel auch immer, wenn ich in Deutschland bin. Ich kann mich hier einfach mehr zurücklehnen. Mehr träumen. Deutschland ist mein zweites Zuhause. Meine Frau kommt aus Deutschland. Und wenn wir hier sind, kümmert sie sich um alles: die Behörden, die Versicherungen. Wenn wir in Australien sind, muss ich mich um sowas kümmern.
    Reimann: Sie haben gesagt, dass das Album ein Neuanfang für Sie ist. Aber es sind natürlich immer noch Robert-Forster-Songs auf der Platte - und auch Songs, die sich ganz klar nach den Go-Betweens anhören. Und das auch thematisch: Der Regen zum Beispiel, der taucht in vielen Songs der Go-Betweens auf, und auf der neuen Platte gibt es einen Song mit dem Namen "Turn On The Rain". Warum hat der Regen bei Ihnen so eine große Bedeutung?
    Forster: Das kommt von Creedence Clearwater Revival, einer Band aus den 60ern, die ich wirklich gemocht habe, als ich elf Jahre alt war. Die hatten Songs mit dem Namen "Have You Ever Seen The Rain" und "Who Stopped The Rain". Und das fand ich einfach großartig. Ich finde, John Fogerty sollte mehr Songs über den Regen schreiben. Daher kommt das - zumindest zum Teil. Und dann hat der Regen für mich auch viel mit Brisbane zu tun. Der Regen dort ist tropisch. Ich mag das Wort. Und deshalb schreibe ich alle fünf oder zehn Jahre einen neuen Regensong.
    Reimann: Wir haben gerade über Grant McLennan gesprochen. Auf der neuen Platte ist ein Stück mit dem Namen "Songwriters On The Run". Das ist die Geschichte von zwei Songwritern, die aus dem Gefängnis ausbrechen, sich vor der Polizei verstecken und ihre Lieder singen. Es liegt nahe, dahinter auch eine Anspielung auf Sie und McLennan, also auf die Go-Betweens, zu sehen.
    Forster: Das stimmt, aber auf eher verworrene Weise. Man entdeckt so was ja auch manchmal selbst erst viel später. Diesen Song habe ich in Deutschland geschrieben, im Jahr 2009. Damals waren gerade zwei Kriminelle aus einem Gefängnis ausgebrochen. Ich glaube, es war in Hamburg. Die "Bild"-Zeitung hatte das total aufgebauscht und die Leser vor zwei frei rumlaufenden Mördern gewarnt. Die Wörter criminals on the run hatte ich damals in mein Tagebuch geschrieben, weil ich dachte: Das ist ein guter Songtitel. Als ich dann den Song geschrieben habe, musste ich feststellen, dass ich von Kriminellen gar keine Ahnung habe. Über Songwriter weiß ich aber viel. Also wurden die Verbrecher in dem Song zu Songwritern. Und es geht schon ein bisschen um Grant und mich, denn ich schöpfe ja aus meinen Erfahrungen.
    Reimann: Sie und McLennan haben die Go-Betweens Ende der 70er gegründet. Haben Sie zwei sich damals, ähnlich der Songwriter in dem Song, auch als Gesetzeslose gefühlt?
    Forster: Weniger als Gesetzeslose, mehr als Träumer. Wir waren zwei junge Typen in Brisbane. Wären wir in Paris gewesen, in Berlin, London oder New York, wären wir auf Gleichgesinnte getroffen. Aber wir hatten nur unsere Träume: über Filme, über Bücher, über Songs. Ich glaube, das hat uns in dieser Stadt zusammengebracht. Auf einmal hatte ich jemanden getroffen, der mein Zwilling hätte sein können. Es waren sofort er und ich – nicht er und ich gegen die Welt – aber wir mussten unbedingt zusammen nach Paris, nach Berlin … Es gab sofort diesen Pakt zwischen uns. Es gab sofort diese Art von Romantik zwischen uns.
    Reimann: Wenn Sie an die Musik von heute denken … Sie und McLennan haben ja eine ganz eigene Musiksprache entwickelt. Männer, die auch sanft sein können. Damals war das außergewöhnlich. Aber haben Sie das Gefühl, dass sich heute wirklich viel geändert hat in dieser Hinsicht?
    Forster: Schon ein bisschen. Uns war es von Anfang an wichtig, Frauen in der Band zu haben. Denn in jedem Buch, das wir mochten, in jedem Film, der uns gefiel, spielten Männer und Frauen eine Rolle. Und unsere Band sollte einfach das Leben widerspiegeln. Und ja, ich denke schon, dass das jetzt selbstverständlicher ist. Und in Brisbane reden die Leute immer noch über uns – und dabei nicht nur über unseren Erfolg oder so, sondern auch darüber, wie wir als Typen waren.
    Reimann: Als Go-Betweens sangen Sie oft über Probleme, wie sie Leute mittleren Alters haben, und doch steckten Sie selbst noch in einem jungen Körper. Macht es das Ihnen leichter, nun älter zu werden?
    Forster: Ja, schon. Aber wir haben die Jugend auch nie verraten, als wir selbst noch jung waren. Es gibt keine Fotos von Grant oder mir, auf denen wir Lederhosen tragen. Wir waren jung, aber wir haben nicht dieses typische rebellische Verhalten an den Tag gelegt, wie es viele junge Leute tun - obwohl wir in einer Rock’n’Roll-Band waren.
    Reimann: Sie haben etwa über gesellschaftliche Verhältnisse oder Romanzen geschrieben.
    Forster: Genau. Was mir beim Älterwerden hilft, ist, dass ich jetzt viele verschiedene Dinge tue. Ich bin kein Musiker, der alle zwei Jahre ein neues Album rausbringt. Das würde ich gar nicht hinkriegen. Ich bin froh, dass ich jetzt zum Beispiel auch als Musikjournalist arbeite und meine Karriere nicht mehr allein auf dem Musikmachen basiert. Daher fühlt es sich großartig an, älter zu werden. Ich bin einfach kein Singer/Songwriter mehr. Und es fühlt sich gut an, das nicht mehr zu machen.