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Organersatz
Forscher züchten Mäusenieren in Rattenembryos

Patienten, die auf eine Nierenspende angewiesen sind, warten oft Jahre, bis ein passendes Organ für sie gefunden ist. Abhilfe schaffen könnte ein neues Zuchtverfahren, mit dem japanische Forscher jetzt Mäusenieren in Rattenembryos wachsen ließen. Doch die Übertragbarkeit auf menschliche Organe ist umstritten.

Von Christine Westerhaus | 06.02.2019
    Eine zur Transplantation vorgesehene Niere wird von einer behandschuhten Hand aus einer Metallschüssel genommen.
    Heute stammen zur Transplantation vorgesehene Nieren von menschlichen Spendern. Künftig werden Ersatzorgane vielleicht in genetisch veränderten Tieren gezüchtet. (picture alliance / dpa / Balazs Mohai)
    Das Verfahren klingt gewöhnungsbedürftig. Masumi Hirabayashi und seine Kollegen vom National Institute for Physiological Sciences in Okazaki haben Rattenembryonen genetisch so verändert, dass diese keine eigenen Nieren ausbilden können. Dann haben sie Stammzellen von Mäusen in die Rattenembryonen verpflanzt. Und daraus entwickelten sich in der fremden Umgebung Nieren, die hauptsächlich aus Mäusezellen bestanden. Mäusenieren, herangereift in Ratten!
    "Uns war es vorher schon gelungen, auf die Art Bauchspeicheldrüsen zu züchten. In diesem Fall waren es Stammzellen von Ratten, die in Mäuseembryonen zu Organen heranwuchsen. Jetzt haben wir zeigen können, dass sich auch ein komplizierteres Organ wie die Niere so regenerieren lässt. Gerade bei menschlichen Nieren gibt es einen großen Bedarf, der nicht gedeckt werden kann. Wenn es uns gelingt, sie mit unserem Verfahren in tierischen Embryonen zu züchten, könnten wir diesen Engpass überbrücken.
    Ein neuer Weg zur Zucht menschlicher Nieren?
    Es ist ein neuer, ein fragwürdiger Ansatz. Was diesmal mit Mäusenieren funktioniert hat, wäre theoretisch auch mit menschlichen Organen möglich, meint Eckhard Wolf, Leiter des Instituts für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie an der Ludwig-Maximilians-Universität. Er forscht selbst auf dem Gebiet und kennt die Arbeit seiner japanischen Kollegen.
    "Was infrage käme ist, dass man eben Schweine generiert, die keine Nieren ausbilden können und in Embryonen von den Schweinen eben pluripotente menschliche Stammzellen injiziert. Das Problem dabei ist, dass die evolutionsgeschichtliche Distanz zwischen Mensch und Schwein wesentlich größer ist als die zwischen Maus und Ratte. Ratte und Maus hatten ihren letzten gemeinsamen Vorfahren vor etwa 10-15 Millionen Jahren während die Distanz zwischen Mensch und Schwein liegt in der Größenordnung von 100 oder mehr Millionen Jahren. Insofern ist es fraglich, ob dieser Ansatz zwischen Mensch und Schwein tatsächlich funktionieren kann."
    Noch ist die Technik längst nicht ausgereift
    Auch beim jetzigen Versuch lief nicht alles glatt: Die Ratten, in deren Körper Mäusenieren heranwuchsen, starben alle kurz nach der Geburt. Doch damit das Organ transplantiert werden kann, muss das Tier erwachsen werden. Ein weiteres Problem: Die eingespritzten Stammzellen lassen sich im fremden Embryo bislang nicht kontrollieren. Am Ende waren die gezüchteten Nieren nicht nur Maus. Einige Blutgefäße etwa und die Sammelrohre, die für den Abfluss des Urins aus der Niere sorgen, waren aus den Stammzellen der Ratte gebildet worden.
    "Würde man so ein Organ jetzt in Mäuse transplantieren, käme es zu einer Abstoßungsreaktion. In diesem Fall hätte man nicht viel gewonnen und das ist auch der Grund, warum wir nach wie vor den klassischen Ansatz der Xenotransplantation verfolgen. Das bedeutet, wir verändern Spenderschweine gentechnisch so dass dass ihre Gewebe oder Organe nach Transplantation in Primaten nicht abgestoßen werden und langfristig funktionieren können."
    Bei der klassischen Xenotransplantation versuchen Forscher, menschliche Organe durch tierische zu ersetzen. Dabei muss auf die ein oder andere Weise verhindert werden, dass der Körper das fremde, tierische Organ abstößt. In einem Ansatz etwa werden die fremden Organe mit einer Lösung durchspült, um alle tierischen Zellen zu entfernen. Andere Verfahren arbeiten mit genetisch veränderten Spendertieren, etwa mit vermenschlichten Schweinen.
    Forscher: "Wir werden diesen Weg weiter verfolgen"
    Vor kurzem ist es Eckhard Wolfs Münchner Kollegen gelungen, Herzen aus solchen transgenen Schweinen auf Paviane zu übertragen. Die Tiere überlebten mehrere Monate mit diesen fremden Herzen. Und auch andere Organe wurden bereits erfolgreich in Primaten, also Affen, verpflanzt.
    "Dieser Ansatz hat definitiv sehr gute Fortschritte gemacht. Es gibt Gruppen in den USA, die im Bereich der xenogenen Nierentransplantation arbeiten. Da hat man nach Transplantation von genetisch modifizierten Schweinenieren in Primaten Überlebenszeiten von über 400 Tage beobachtet. Auch mit Pankreasinseln von Schweinen hat man sehr gute Erfolge erzielt. Diese haben in diabetischen Primatenmodellen zum Teil über 1000 Tage funktioniert. Ich glaube, in dem Bereich hat es in letzter Zeit wirklich sehr große Fortschritte gegeben und wir werden definitiv diesen Weg weiter verfolgen."
    Zwar werden auch hier noch ein paar Jahre vergehen, bis die ersten tierischen Organe auf Menschen übertragen werden. Auch hier gibt es ethische Bedenken. Doch der Weg vom Labor in die Klinik scheint deutlich kürzer, als bei der Methode, die die japanischen Forscher heute im Fachblatt "Nature Communications" vorstellen.