Grüne Woche

Ein Bauer tanzt aus der Reihe

Eine Milchkuh steht auf einer Weide.
Bauer Maiers Rinder sollen ohne solche Chips im Ohr auskommen. © picture-alliance / dpa / Horst Ossinger
Von Oliver Ramme · 20.01.2015
Der Bauer Ernst Hermann Maier behandelt seine 260 Rinder so, wie er es für richtig und würdevoll hält. Das widerspricht gelegentlich den Vorgaben der Behörden - mit denen er seit Jahren im Streit liegt. Doch Meier gibt nicht auf.
"Das ist der Erdabelbosch."
"Wo kommt der Name her?"
"Das ist holländisch und heißt Kartoffelstrauch - ja, du bist ein Schöner, du bist mein Freund."
Hermann Maier besitzt rund 250 Rinder, und jedes seiner Tiere hat einen Namen, auch ausgefallene wie Erdabelbosch. Erdabelbosch, braun-weiß gefleckt, wie alle anderen Rinder hier, streckt dem Landwirt seinen Kopf hin und lässt sich zwischen den Hörnern kraulen. Maier, ein drahtiger alter Mann mit Baseballkappe, begrüßt jedes Rind persönlich auf der Weide und verteilt Äpfel.
"Die sind nicht alle gleich, wie bei de Leut' auch. Wir gehören einfach dazu, wir sind Teil der Herde."
Die Sonne scheint auf die hügelige Winterlandschaft, mitten auf der schwäbischen Alb. Viel Matsch, kaum Gras, kein Schnee. 80 Hektar stehen den Kühen zur Verfügung, manche liegen im kalten Matsch und dösen vor sich hin. Die Tiere sind das ganze Jahr über draußen. Sie fressen, was ihnen die Natur gibt. Im Winter gibt es zusätzlich Heu.
Maier schlachtet behutsam - per Kopfschuss
Die Kühe vermehren sich natürlich, so will es Bauer Maier, der allerdings auch wirtschaftlich überleben muss. Deshalb ist zweimal in der Woche auf der Weide Schlachttag. Zweimal in der Woche fällt auf der Alb ein Schuss.
Maier stolziert mit schallgedämpftem Gewehr auf der Weide herum, sucht sich ein Rind aus und betäubt es vor allen anderen per Kopfschuss. Diesmal trifft es Victor, einen drei Jahre alten Bullen. Maier holt den Traktor, das erschlaffte Tier wird an den Beinen in eine Schlachtbox gehievt, anschließend ein Schnitt durch die Kehle. Das Blut läuft nach unten in die Rinne einer Metallkiste. Nach dem Hirntod, der Herztod –mitten auf der Weide. Maier macht all diese Handgriffe routiniert, abgeklärt. Hilfe braucht er nicht.
"Jetzt haben Sie ein emotionales Verhältnis zu Ihren Tieren. Wie leicht oder schwer fällt es Ihnen, die Tiere zu töten?"
"Das ist ein Scheiß-Geschäft! Das ist keine schöne Sache. Ich würde es aber wahnsinnig feige finden, es nicht selber zu tun. Man ist das den Tieren schuldig."
Bauer Maiers Schlachtmethode ist zwar schonend, aber gemessen an den strengen EU-Richtlinien, außergesetzlich. Denn geschlachtet werden darf nur in Schlachthöfen. Maier erzählt in seiner Stube neben dem Kachelofen über den zehn Jahre währenden Rechtsstreit, den er wegen seiner Schlachtmethode geführt hat. Überlebt hat sein Betrieb nur, weil alle möglichen Menschen gespendet haben, nicht nur Freunde.
"Da kamen wildfremde Leute und haben Geld gebracht, einfach so. Ein Schrotthändler kam mit seinem Schrottauto. Also so ein richtig grober Typ. Keiner, der am Sonntag in die Kirche geht. Der kommt da rein in den Raum in dem wir gerade sitzen, bringt eine Mappe zum Vorschein und legt 30.000 D-Mark auf den Tisch – der wollte nicht mal eine Quittung haben."
"Das heißt, die haben Sie dann gerettet."
"Ja, sicher."
25.000 Euro wurden wegen fehlender Ohrmarken eingefroren
Am Ende hat Maier gewonnen und einen Präzedenzfall geschaffen. Unter Einhaltung strenger Regeln darf auf Weiden nun geschlachtet werden, so wie es Maier tut. Aber der 73-Jährige streitet schon wieder. Die EU-Fördergelder hat das Land Baden-Württemberg bereits eingefroren. Im Jahre 2014 waren es mehr als 25.000 Euro, die Maier verwehrt wurden. Diesmal geht es um die Ohrmarken seiner Tiere.
"Es kann nicht sein, dass man lebende Tiere ausstaffiert mit Ohrmarken wie Nummernschilder bei Autos. Das kann nicht sein, das verstößt gegen das Grundgesetz. Es kann nicht sein, dass man Tieren ohne Not Schmerzen zufügt ohne Alternative. Aber es gibt ja eine Alternative."
Maiers Alternative: Chips, kleine Sensoren, die er den Tieren unter die Haut sticht. So wie bei Hunden und Pferden. Nur: Das EU-Gesetz schreibt bei Rindern sichtbare Marken am Ohr vor. Beaufsichtigt wird das aus der Landeshauptstadt Stuttgart.
"Also ich verbiete Herrn Maier überhaupt nichts."
Alexander Bonde ist Landwirtschaftsminister in Südwesten. Ein Grüner. Aber Bauer Maier hält seine Tiere grüner, als das Gesetz es erlaubt.
"Die Europäische Union hat nach der BSE-Krise entschieden, dass Rindern zwei Ohrmarken angebracht werden müssen und die EU hat klare Sanktionsregelungen erlassen. Es gibt eine eindeutige Rechtslage in Europa, die Herrn Maier auffordert, rechtskonform mit seinen Rindern umzugehen und, so wie es in ganz Europa gilt, dass er die Auflagen des Seuchenbekämpfungsrechtes einhält."
Und dazu gehören zwei Ohrmarken, eine auf jeder Seite. Wie Autoschilder eben. Maier, der ewige Revoluzzer von der Alb hingegen findet ...
"... dass man in einem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat nicht jeden Blödsinn mitmachen muss, nur weil sich das irgendein Idiot ausgedacht hat. Wo kommen wir da hin? Wenn jemand innovativ ist, muss man das fördern."
Maier wird auch dieses Mal nicht klein beigeben. Ob seine Kühe in Zukunft Ohrmarken tragen müssen oder nicht, werden Erdabelbosch und die anderen Rinder zu Lebzeiten wohl nicht mehr erfahren. Vorher fällt der - legale - Schuss.
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