Grüne fordern Reform des Bergrechts

Moderation: Marietta Schwarz · 27.02.2012
Beim sogenannten Fracking wird mittels eines Gemischs aus Wasser, Sand und giftigen Chemikalien Gas aus Schiefer- und Tonschichten herausgepresst. Da die Umweltrisiken unvorhersehbar seien, fordert der Grünen-Politiker Oliver Krischer einen Stopp der Bohrungen. Das ließe sich aber nur durch eine Reform des Bergrechts durchsetzen.
Marietta Schwarz: Auch in Deutschland wird die Fracking-Technik momentan diskutiert, Erdgasunternehmen streben Probebohrungen an oder sind längst dabei. Vor allem in Nordrhein-Westfalen werden immense Gasvorkommen in tiefen Gesteinsschichten vermutet, entsprechend hoch ist dort die Skepsis der Bürger. Dort beginnen jetzt in vielen Städten Aufklärungsveranstaltungen. Oliver Krischer ist Sprecher für Energie- und Ressourceneffizienz bei den Grünen und jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Krischer!

Oliver Krischer: Guten Morgen!

Schwarz: Was ist denn eigentlich so gefährlich am sogenannten Fracking?

Krischer: Ja, das Problem ist, dass man dieses Gas nur gewinnen kann, indem man mit hohem Druck Wasser mit giftigen Chemikalien in den Untergrund presst. Und das ist natürlich ein Problem, giftige Chemikalien im Grundwasser, giftige Chemikalien im Bodenwasser, das ist eigentlich nicht in Ordnung, das sind Dinge, die wir eigentlich seit Jahrzehnten hinter uns gelassen haben. Wir haben in Europa, in Deutschland insbesondere, sehr ausgereifte Wasserschutzbestimmungen. Leider gelten die im Bereich Bergbau nicht so, wie das in anderen Bereichen üblich ist, und das ist das das große Risiko. Weil, wir können es eigentlich nicht verantworten, unsere Grundwasservorräte mit solchen Chemikalien zu belasten.

Schwarz: Jetzt haben wir im Beitrag gerade besonders krasse Beispiele für die Gefahren von Fracking gehört. Aber das wäre nun so, denke ich, in Deutschland gar nicht möglich: Eine quasi kontrollfreie Erdgasgewinnung!

Krischer: Nein, sicherlich sind in Deutschland die Rechtsbedingungen anders, als das in den USA der Fall ist. Aber man muss einfach sehen, dass in der Vergangenheit in Deutschland auch schon Fracking stattgefunden hat, Unternehmen wie Exxon haben diese Technologie angewandt. Und interessanterweise sind da auch Dinge gelaufen, Dinge passiert, die man eigentlich als Normalbürger gar nicht für möglich hält. Da hat man zum Beispiel in Minden-Lübbecke 25.000 Liter Dieselöl in den Untergrund gefüllt, um einfach die Stabilität der Bohrung zu testen. Gehen Sie als Privatmann mal hin und schütten Dieselöl in den Untergrund, Sie kriegen größte Probleme mit den Bürgern! Insofern ist das so abwegig nicht, dass auch hier in Deutschland, wenn auch sicherlich nicht in dem Ausmaß, wie das in den USA der Fall ist, fragwürdige Technologien und Praktiken angewandt werden.

Schwarz: Also sagen sie pauschal Nein zu dieser Methode?

Krischer: Ja, entscheidend sind die Bedingungen, unter denen das stattfinden kann. Es ist ja erst mal nichts dagegen einzuwenden, dass man das Gas fördert. Die Frage ist einfach die: Kann man das ohne giftige Chemikalien machen? Das heißt, ist es möglich, diese Technologie meinetwegen mit Wasser und Sand anzuwenden, so wie das in Zukunft vielleicht mal angedacht wird? Aber im Moment scheint das nicht der Fall zu sein. Um das Gestein aufbrechen zu können und das Gas aus dem Gestein herauslösen zu können, ist es nach derzeitigem Stand nur möglich, das mit giftigen Chemikalien zu machen. Wenn die technische Entwicklung mal weiter geht, dass wir sagen, das geht auch ohne Gift, dann sieht die Sache natürlich schon mal ganz anders aus.

Aber es gibt auch noch weitere Risiken wie etwa, dass man nach solchen Bohrungen mit kleinen Erdbeben, Mikroerdbeben zu rechnen hat, der Wasserverbrauch ist immens. Das sind Fragen, die man einfach jetzt im Laufe der nächsten Jahre wird klären müssen, politisch entscheiden müssen: Was ist uns eine solche Förderung von unkonventionellem Erdgas wert, ist uns das Risiko das wert? Und wenn ja, unter welchen Bedingungen?

Schwarz: Nun ist die Position der Erdgasunternehmen ja auch nicht so ganz klar. Auf der einen Seite sagen die, wir betreiben Fracking schon seit Jahrzehnten in Niedersachsen – Sie haben das eben auch angedeutet –, auf der anderen Seite heißt es, wir sind davon noch ganz weit entfernt. Also, wie weit ist Fracking in Deutschland denn nun fortgeschritten?

Krischer: Ja, das Fracking ist in der Vergangenheit schon angewendet worden. ExxonMobil beispielsweise spricht von mehreren hundert Fracks, die sie gemacht haben. Das ist dann ein Stück weit Wortklauberei, weil, was jetzt genau Fracking ist ... Sie wenden das jetzt nicht bei dem bekannten Schiefergas an, also in schieferhaltigen Gesteinsschichten, sondern beim Tight Gas, in tonsteinhaltigen Geschichten, da wird das dann anders genannt. Ich sage aber, Fracking ist in der Vergangenheit schon praktiziert worden. Insofern ist die Technologie nicht neu für Deutschland, aber es hat eigentlich ohne Wissen der Öffentlichkeit stattgefunden, es hat erst recht ohne Kritik der Behörden stattgefunden. Und das ist schon sehr fragwürdig, weil, ich glaube, wenn in der Vergangenheit man in Niedersachsen gewusst hätte, was da eigentlich praktiziert wird, wäre auch manches so nicht gelaufen.

Schwarz: Jetzt haben die Landesregierungen die Bohrungen ja vorerst gestoppt, in Nordrhein-Westfalen bis Sommer 2012. Und die Bundesregierung hat auch ein Gutachten in Auftrag gegeben und Norbert Röttgen sagt, bevor das nicht da ist, läuft gar nichts. Also, worüber sorgen Sie sich dann eigentlich?

Krischer: Ja, das Problem ist, die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat jetzt mal eine Art Moratorium gemacht, gesagt, solange wie Studien, wie die Risiken nicht untersucht sind, solange werden keine Genehmigungen erteilt. Das ist aber nur ein sehr begrenzter Zeitraum, weil, das deutsche Bergrecht lässt eigentlich keinen Stopp der Bohrungen zu. Sondern, wenn Sie als Unternehmen einen Antrag stellen und die Bedingungen erfüllen, dann kann man Ihnen eigentlich die Genehmigung nicht verwehren.

Das heißt, Exxon und andere, Wintershall, stehen längst in den Startlöchern, sind überall unterwegs und ich glaube, die lassen sich auch nicht mehr lange davon abhalten. Was wir einfach brauchen, ist, dass der Bund sich hier kümmert, dass Herr Röttgen nicht nur redet und Kritik an der Technologie übt, sondern dass wir eine Reform des Bergrechtes bekommen, dass der Staat auch sagen kann, nein, halt, Moment, wir wollen jetzt erst mal zwei Jahre in Ruhe uns das angucken, die Risiken ausloten, eine politische Entscheidung darüber treffen, ob wie diese Technologie, und wenn ja, unter welchen Bedingungen wollen.

Im Moment ist das alles so ein bisschen wie Hase und Igel: Der Staat, die Behörden laufen da den Erdgasunternehmen hinterher und wenn die Druck machen, so ist leider zu befürchten, wird das Ganze nicht mehr aufzuhalten sein.

Schwarz: Oliver Krischer, Sprecher für Energie- und Ressourceneffizienz bei den Grünen, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Krischer: Ich danke Ihnen!

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