Große Waldbrandgefahr in Bayern

Trocken wie Knäckebrot

06:22 Minuten
Ein Feuerwehrmann löscht einen Waldbrand in Heinersreuth im Landkreis Bayreuth 2019.
Bereits 2019 kämpften Bayern und viele andere Bundesländer mit extremer Trockenheit und vielen Bränden. © dpa/ Fricke
Von Tobias Krone · 27.04.2020
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Wärme und Wind haben die Waldböden im April ausgetrocknet: Die Brandgefahr ist zur Zeit besonders hoch. Der Ausnahmezustand durch Corona treibt zudem mehr Erholungssuchende in die Wälder - und mit den Menschen wächst die Brandgefahr noch weiter.
Die Brandgefahr im Wald lauert im Boden. Simon Tangerding stapft durch den Fichtenwald, einige Radminuten vom Starnberger Ortsrand entfernt. Unter einem Baum hält er an und gräbt ein kleines Loch in die Erde, die in Wirklichkeit gar keine Erde ist.
"Ich bin jetzt weit über eine Handbreit unten in dem Boden und das ist immer noch Humus. Also wir sind nicht auf dem Mineralboden. Wenn das anfängt zu brennen, ist Schluss. Dann rennt man am besten weg. Und ruft die Feuerwehr."
Humus, eine dichte hellbraune kompakte Mischung. Simon Tangerding hält einen Klumpen in der Hand.
Waldschützer Simon Tangerding hält eine Handvoll Humus in der Hand.
Waldschützer Simon Tangerding mit einer Handvoll Humus.© Tobias Krone
"Diesen Bodenhumus, den kann man sich so vorstellen, dass einfach große Nadelpakete unverrottet oben auf dem Mineralboden aufliegen, die trocknen aus. Diese Nadeln werden nicht wieder feucht. Oben regnet es dann drauf, das verdunstet dann wieder und was durchläuft, geht in den Mineralboden - aber dieses wirkliche Humuspaket an sich, das bleibt staubtrocken. Und ganz oft ist es so, dass man selbst nach einem starken Regenschauer dieses Humuspaket in die Hand nehmen und auseinanderbrechen kann. Und beim Brechen macht es ein Geräusch, als würde man Knäckebrot brechen."

Der Mensch ist chancenlos

Simon Tangerding ist ausgebildeter Förster und Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. In diesen Tagen herrscht deutschlandweit wieder Waldbrandgefahr und mancherorts hat es auch bereits gebrannt. Tangerding hat große Waldbrände während seiner früheren Berufsaufenthalte in Afrika und Russland erlebt.
"Man kann sich das gar nicht vorstellen, was so ein brennender Baum für eine unglaubliche Hitze entwickelt. Sobald man dieses Feuer gesehen hat, hat man gemerkt, dass der Mensch so richtig chancenlos ist."
Nun sind wir zwar nicht in der sibirischen Taiga. Doch auch im gemäßigten Bayern kann sowas vorkommen.
"2016 hatten wir um die Weihnachtszeit einen sehr großen Waldbrand in einem Forstbetrieb bei Bad Tölz. Der ist innerhalb kürzester Zeit außer Kontrolle geraten."
Damals hatten drei Bergsteiger, die Silvesterfeuerwerke vom nahegelegenen Jochberg aus anschauen wollten, ein Lagerfeuer gemacht. Das geriet schnell außer Kontrolle. Eine Fläche so groß wie 36 Fußballfelder brannte ab. Glücklicherweise geschah das an einem unbesiedelten Berghang, sodass es am Ende bei einem Sachschaden in sechsstelliger Höhe und Geldstrafen von mehreren Tausend Euro blieb.
Generell ist es so: Der Mensch ist die Haupt-Gefahrenquelle für trockene Wälder:
"Also ganz konkret, der Urlaubssuchende oder der Erholungssuchende geht spazieren, raucht im Wald eine Zigarette und die wird dann, sagen wir mal, halbherzig oder überhaupt nicht ausgedrückt und dann in die Böschung geschmissen."
Oft sind es auch Reisigfeuer von Waldbesitzern, die aus dem Ruder laufen. Nur ein Bruchteil der Waldbrände lässt sich auf Blitzeinschläge zurückführen. Gerade hat der Wetterdienst das Waldbrandrisiko rund um München von Stufe 3 auf Stufe 4 hochgesetzt, die zweithöchste Risikostufe.

Überwachung aus der Luft

In Teilen Brandenburgs, Mecklenburgs und Niedersachsens herrscht sogar Stufe 5. Die Bäume selbst sind feucht, weil sie im Frühling wieder Wasser aus dem Boden ziehen, doch der Wind ist stark und trocknet bei den milden Temperaturen totes Laub und den Boden aus. Stufe 4 bedeutet, dass Förster Fabian Löchner am Wochenende in einen Flieger steigt und den Westen seiner Region Oberfranken nach Rauch absucht.
"Wir als Luftbeobachter sind speziell ausgebildete - in der Regel - Forstleute oder Personal von der Feuerwehr. Und bei entsprechender Waldbrandstufe fliegen wir zusammen mit Piloten der Luftrettungsstaffel Bayern eine in der Regel vordefinierte Route ab und halten auf diesem Flug Ausschau nach Rauchentwicklung. Und falls wir da irgendwo was entdecken, dann fliegen wir das an, prüfen das, ob das ein Feuer ist, versuchen dann natürlich so schnell wie möglich die Koordinaten rauszufinden und melden das dann an die entsprechende Leitstelle."
Ein Waldweg führt weit in den Wald hinein.
Der Wald bei Starnberg: Am Wochenende kommen die Ausflügler. Hauptgefahren-Quelle für den Wald ist der Mensch.© Tobias Krone
Die alarmiert dann auch die örtliche Feuerwehr und schon auch mal die Polizei. So ließen sich viele Brände schon im Keim ersticken – oder unerlaubte Reisigfeuer noch löschen, ehe die Flammen den Wald erreichen.
Das System der fliegenden Luftbeobachter gibt es flächendeckend nur in Bayern. Warum sie bei Stufe 4 am Wochenende fliegen? Ganz einfach: Weil am Wochenende der Mensch den Wald in Beschlag nimmt, auch in Corona-Zeiten.
"Der erste Punkt ist, dass dann die Leute an den Wochenenden rausgehen ins Holz, und Holz machen. Und dann natürlich die Leute den Wald als Erholungsort suchen. Und dann ist potenziell einfach mehr Gefahr im Wald und dann wird stärker kontrolliert."

Mischwald mindert die Gefahr

Mit dem Trend hin zu Outdoor-Sportarten verstärke sich auch die Gefahr. Wie man das Risiko mindert? Durch artenreiche Wälder mit unterschiedlich alten Bäumen, sagt Simon Tangerding und deutet auf ein Stück Mischwald ein paar Meter weiter.
"Wenn wir jetzt hier in den Wald mal reinschauen, dann sehen wir einfach einen ganz stufigen und mehrschichtigen Waldbestand. Wir haben ganz viele kleine Bäume, mittelgroße Bäume und ganz große Bäume, die natürlich dafür sorgen, dass ganz wenig Sonnenlicht und damit auch ganz wenig Temperatur auf dem Boden ankommt. Und dadurch, wenn dort immer Schatten ist, dann ist die Verdunstung auch geringer auf dem Waldboden und die Feuchtigkeit wird tendenziell in den Beständen gehalten. Wenn man jetzt rüberschaut in den Fichtenbestand, da gibt es im Grunde genommen nur eine große Schicht. Also oben drüber stehen die Fichten. Und wenn dieser Bestand sich auflockert, ist jeder Sonnenstrahl sofort auf dem Boden, kann die Bodenstreu austrocken und dementsprechend die Waldbrandgefahr erhöhen."
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