Große Politik und Familiengeschichten

08.03.2011
Angereichert mit Geschichten aus seiner Familie schildert König Abdullah II. von Jordanien den israelisch-arabischen Konflikt aus der Sicht seiner Regentschaft. Obwohl er "Die letzte Chance" vor den Revolutionen in Nordafrika geschrieben hat, ist seine Analyse dennoch aktuell.
Der jordanische König Abdullah II. schrieb einen Appell für Frieden zwischen Israel und den Palästinensern. Jordanien hat als zweites arabisches Land Frieden mit Israel geschlossen. Jeder zweite Jordanier ist palästinensischer Abstammung und der Regent, der in England und den USA studierte, sieht sich als Brückenbauer zwischen Orient und Okzident und zwischen Israel und den Palästinensern. Geprägt hat ihn der Mordanschlag auf seinen Urgroßvater Abdullah I., von einem radikalen Palästinenser als Rache für seine Verhandlungen mit Israel verübt. Der König will daher den nächsten Krieg verhindern.

"Die letzte Chance" wurde zwar vor den Revolutionen in Nordafrika geschrieben, ist aber dennoch aktuell. Für den 49-jährigen Abdullah stellt der israelisch-palästinensische Konflikt den Kern aller Problemfelder im Nahen Osten dar - von der iranischen Expansionspolitik, vor der er eindeutig warnt, bis zu den Terroranschlägen im Irak oder den religiösen Spannungen im Libanon. Die 1,5 Milliarden Muslime auf der ganzen Welt schauten mit zunehmender Sorge nach Jerusalem, meint er. Ein Ende der israelischen Besatzung und die Gründung eines Staates Palästina mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt könnte zugleich die meisten islamischen Extremisten verstummen lassen und für Israel die Anerkennung der gesamten arabischen Welt bedeuten.

Abdullah II. beschreibt den israelisch-arabischen Konflikt und ergänzt die historischen Fakten mit Familiengeschichten. Der Konflikt begann nicht mit der israelischen Besatzung 1967, sondern bereits 1947 mit der UN-Resolution zur Teilung Palästinas in einen arabischen und einen jüdischen Staat. Die arabischen Staaten lehnten die Existenz des Staates Israel ab.

Abdullahs Schilderung des israelisch-jordanischen Krieges von 1967 widerspricht den offiziellen Angaben, wonach die jordanische Armee die Offensive gegen Israel begann und nicht umgekehrt (wie Tom Segev schreibt). Er schildert unverblümt, wie die PLO unter Jassir Arafat ab 1968 in Jordanien einen Staat im Staat errichtete. Die Königin, seine Mutter, trug unterwegs immer ein Gewehr und einen Revolver, und er selbst wurde mit sechs Jahren in das sichere England und später in die USA geschickt.

König Hussein hätte Arafat töten können, ließ ihn aber als verhüllte Frau fliehen, verrät Husseins Sohn Abdullah. Die große Politik überschattet die Erinnerungen an feindselige jüdische Kommilitonen und die Prügelei in der amerikanischen Privatschule.

Besonders rührend ist die Schilderung seines Abschieds von seinem todkranken und von ihm verehrten Vater. Er schildert, wir König Hussein seinen eigenen Bruder Prinz Hassan wegen Illoyalität entthront und ihn mit nur 27 Jahren zum Thronfolger ernannt hat. Gern würde man mehr über diese Vater-Sohn-Beziehung erfahren, aber Abdullah schirmt seine Gefühle weitgehend ab.

Den Kern des Buches bildet die zwölfjährige Regentschaft Abdullahs, in denen er vier bewaffnete Konflikte im Nahen Osten miterlebte. Er schildert seine Vorgehensweise mit dem Palästinenserpräsidenten und radikalen Islamisten, die immer wieder in Jordanien Terroranschläge verübten. Interessant sind auch die Berichte über Begegnungen mit den israelischen Premierministern. Benjamin Netanjahu verdächtigt er, durch den Siedlungsbau die Entstehung eines Palästinenserstaates verhindern zu wollen. Dadurch stärke er die Extremisten und gefährde auch Abdullahs eigene Position eines Moderaten.

Der König betitelt sein Buch reißerisch "Die letzte Chance", erklärt aber nicht warum im kommenden Jahr ein Krieg im Nahen Osten ausbrechen soll. Leider geht Abdullah auf seinen vorsichtigen Kurs des Gebens und Nehmens mit den Islamisten, der Hamas und der Moslembruderschaft, nicht ein. So erfährt man leider nichts über sein Taktieren, mit dem der König es geschafft hat, bisher die eigenen Islamisten in Schach halten und Garant für Stabilität in Jordanien zu sein.

Besprochen von Igal Avidan

König Abdullah II. von Jordanien: Die letzte Chance - Mein Kampf für Frieden im Nahen Osten
Aus dem Englischen von Karola Bartsch, Gabriele Gockel, Barbara Steckhan
DVA, München 2011
447 Seiten, 29,95 Euro

Linktipp: Mehr zum Umbruch im Nahen Osten und in Nordafrika finden Sie auf unserem Portal Der arabische Aufstand