Große Mühe für kleine Pralinen

Von Kristin Hendinger · 14.12.2009
Mit Fast Food haben Eva Haubolds Spezialitäten nichts zu tun. Ganz im Gegenteil: Bei ihr braucht alles seine Zeit. Haubold hat vor fünf Jahren in Dresden einen kleinen Pralinenladen eröffnet. An manchen Kreationen tüftelt sie über ein dreiviertel Jahr.
"Mal reingucken? Ja, ... So, hier, das sind die Gelben, die ohne Alkohol sind, weil das ist eher was für Kinder. Das ist Nougat, Blätterkrokant ... Das ist dann Champagner drin, mit Orangenwasser, alles Mögliche."

Es ist spät am Abend. Der kleine, fliederfarbene Pralinenladen von Eva Haubold im Dresdner Osten hat längst geschlossen. Doch Weihnachten ist Pralinenzeit. Und so arbeitet die gelernte Konditorin derzeit die Nächte durch und kreiert Köstlichkeiten.

Augustus Rex Quitte, schwarze Johannisbeere mit Champagner oder die alkoholfreie Sanddorn-Blutorangen-Kombination sind einige der 35 selbstgemachten Pralinen, die es hier zu kaufen gibt. Sie sehen verführerisch aus und duften köstlich. Pralinen dürfen nicht gelutscht, nur gekaut werden. Dann wirken die Aromen intensiver, sagt die Fachfrau:

"Das bedeutet, man isst sie, man hat sie auf der Zunge, man merkt also verschiedene Stufen, meistens das Fruchtige zuerst, dann kommt das Schokoladige und dann das Scharfe, wenn man so 'ne Kombination zum Beispiel hat."

Eine Etage über dem Laden ist die kleine Pralinenmanufaktur. Hier finden sich beste Sorten von Karamell- bis Honig-, Vollmilch- oder Bittschokolade aus Frankreich und Belgien. Kiloweise wird die kakaohaltige Süßigkeit langsam erwärmt, geschmolzen, glatt gerührt und gibt den perfekten Pralinenmantel. In den Wandschränken verwahrt die Naschwerkerin diverse Alkoholika, sortenreine Säfte und Früchte in Alkohol. Döschen um Döschen reihen sich Zutaten und ungewöhnliche Pralinendekoration aneinander, zum Beispiel gepresste Blütenpollen - riecht nach Blumenwiese und ist sehr vitaminreich.

"Blütenpollen machen sich gut auf Sanddorn. Weil Blütenpollen an sich, wenn man den so löffelt, schmeckt der nicht so lecker, sondern mehlig vielleicht sogar. Aber der Pollen ist - durch den Sanddorn, der sehr kräftig ist, die Orange, die noch mit dabei ist - geht das unter. Aber man hat was für's Auge gehabt und tut sich noch was Gutes dabei ..."

Heiß und flüssig oder kalt und hart, Verführung auf die sanfte Art. An meinem Gaumen liegt die Welt, alle Sinne auf Genuss gestellt.

Das Geschick für Konfekt wurde Eva Haubold nicht in die Wiege gelegt. Die Eltern waren Funktechniker. Allerdings gab es da die Oma, die einen großen Hang zu Kuchen und Torten hatte. Doch die Lehre zur Konditorin war eher Zufall. Schnell entdeckte die heute 35-Jährige dabei ihre Leidenschaft für Pralinen. Was man ihr auch ein bisschen ansieht: Eva Haubold ist klein, kräftig gebaut, ihre schwarzen langen Haare trägt sie zum Pferdeschwanz gebunden. Hinter ihrem aufmerksamen Blick lauert Temperament.

Für ihre Tochter ist die Kunst der Mutter Verführung pur. Jeden Morgen ist sie die erste Kundin an der Theke und abends die letzte. Doch wie ein Luchs passt Eva Haubold auf, dass die Fünfjährige höchstens ein bis zwei Pralinen am Tag verdrückt. Beim Helfen hält sich die Kleine eher zurück. Das hat seine Gründe.

"Weil man hat natürlich als Hersteller so seine Vorstellungen, wie soll das aussehen und das Kind hat natürlich auch seine Vorstellungen, wie's noch viel besser aussehen könnte und das kollidiert manchmal ein wenig, weil gerade wenn 'ne Cranberry obendrauf liegen soll und eben nicht ganz bis runter gedrückt werden muss, das sind dann so Sachen, da scheiden sich die Geister."

Die Konditorin kreiert täglich Neues. Ihre aktuelle Erfindung ist eine hochprozentige Alkohol-Praline aus zwei übereinander liegenden Kammern - mit einem Gemisch aus 70-prozentigem Edelbrand und Fruchtsaft derselben Obstsorte. Was die Praline so besonders macht, ist der starke Alkohol.

"Dieser hochprozentige Alkohol ist natürlich schon ziemlich gefährlich. Je länger so eine Praline steht, desto mehr ist natürlich auch die Schokolade gewillt, dem Alkohol nachzugeben und einfach weich zu werden, oder dass der Zucker aus der Schokolade rausgelöst wird."

Ein dreiviertel Jahr tüftelte die Fachfrau an dieser Praline. Eine Menge Pleiten hat sie dabei einstecken müssen. Diese "alkohöllische" Nascherei wurde weich oder der Fruchtsaft tropfte raus. Jetzt ist sie perfekt. Doch bevor alle süßen Schöpfungen in der Ladentheke landen, wird äußerst viel probiert und genascht.

"Natürlich. Ein Trauerspiel. Natürlich. Ich muss naschen, weil natürlich kann man so einige Sachen nach Rezept abarbeiten, aber schon alleine, wenn man’s dann probiert und dann sagt man … also das ist schon auch Stimmungsabhängig, wenn die Stimmung eben gut ist, dann braucht man von allem ein bisschen weniger. Das heißt aber nicht, dass dann von allem nur noch ganz flache Pralinen da sind. Wenn man zum Beispiel traurig ist, dann sind die Pralinen alle bitter, aber wenn man dann nicht ganz so, dann kommen auch beschwingtere Pralinen raus."

Die Musik von Bosshoss verhindert Schlimmeres, wenn die schlechte Laune der allein erziehenden Mutter Überhand nimmt. Voll aufgedreht, hört sie sie über Kopfhörer. Schließlich sind Herstellung und Verkauf ein harter Job. Im Laden hilft ab und zu ihre Mutter aus.

Ihre Kniffe und Erfahrungen gibt Eva Haubold gern weiter. In Kursen zeigt sie, wie man Pralinen selbst zaubern und welche Rolle Schokolade noch in der Küche spielen kann.

"Wie koche ich mit Schokolade, was hierzulande eigentlich gar nicht geht, also Schokolade muss immer süß! Muss nicht immer süß, mit Hähnchenfleisch oder in der Suppe mit bisschen Orangensaft, mit bisschen Shrimps drin und Schokolade natürlich."

Eine Kombination, die den Gaumen kitzelt. Frauen erlebt sie als probierfreudig. Männer dagegen wagen eher selten eine ausgefallene Pralinenspielerei. Schade eigentlich, sie verpassen jede Menge köstliche Delikatessen.

Service:

Am 22. und 29. Januar 2010 gibt es im Johannstädter Kulturtreff in Dresden ein Schokoladenseminar mit Eva Haubold.