"Große Bilder erzählen"

Von Vanja Budde · 19.08.2010
Sein Drama um einen pädophilen Mörder trägt dick auf: Dramatischer Soundtrack, große Gefühle, pathetische Gesten. Wenn schon Kino, dann richtig, meint der 32-jährige Regisseur Baran Odar, dessen Spitzname kurz "Bo" lautet.
"Ich hab Schule gemacht in 'ner Kleinstadt und dann hab' ich Zivildienst gemacht auch dort und dann bin ich direkt in die Filmhochschule ganz, ganz jung, ich war sogar 20 erst, einer der Jüngsten da und hatte überhaupt keine Auszeit gehabt für mich, was man dann doch manchmal braucht, um mal kurz in sich zu gehen und wirklich darüber nachzudenken, wer man vielleicht ist oder wer man sein will. Und hab' dann noch so 'nem Vordiplom gemerkt, ich brauch mal kurz 'ne Auszeit, ich muss mal so'n bisschen nachdenken auch."

Baran Odar, Spitzname "Bo", ging nach Barcelona, feierte viele Partys, stellte aber fest, dass er trotz seiner russischen Wurzeln doch durch und durch deutsch ist. Das heißt in seinem Fall: zielstrebig, organisiert und effizient. Vater Manager, Mutter Apothekerin - das hat ihn geprägt: Die Mañana-mañana-Aufschiebe-Kultur der Spanier trieb ihn in den Wahnsinn und zurück in die Heimat. In Barcelona hatte er nicht etwa im Filmbusiness gearbeitet, sondern ein Atelier gemietet und Bilder gemalt:

"Ich hab' sehr viel sehr früh angefangen, meine Schwester zu kopieren und die hat nämlich gemalt. Und ich hab' dann irgendwann auch angefangen, mit acht Jahren zu malen, und hab' seitdem 'ne große Liebe zur Malerei gewonnen, wollte eigentlich auch mal an 'ner Akademie studieren, wurde auch genommen in München und in Berlin, hab' dann aber mich irgendwie für Film auch beworben in München, eigentlich so aus Laune, und bin dann eher durch Zufall da reingeschlittert und bin aber Gott sei Dank reingeschlittert, weil ich kann mir nichts anderes mehr vorstellen."

Schon sein erster 60-Minuten-Film "Unter der Sonne" wird von Kritikern wegen stimmiger Atmosphäre und starker Bilder bejubelt und auf Festivals mit Preisen überhäuft. Trübe Farben und wackelnde Handkameras sind nicht sein Ding: Wenn Kino, dann richtig, sagt Baran "Bo" Odar: Mittelgroß, sehr schlank, akkurat gestutzter Bart, konstanter Blickkontakt.

"Ich vertrete immer stark die Philosophie, dass Kino ist, Geschichten in Bildern zu erzählen. Meistens in großen Bildern natürlich, deswegen geht ja auch der Zuschauer ins Kino und guckt es sich auf einer acht Meter mal drei Meter Leinwand an. Und bin auch eher von so alten Filmen sehr beeinflusst. Bei mir ist, seit ich zwölf bin, immer auf Nummer eins ‚Blade Runner’ mein Lieblingsfilm. Auf Nummer zwei ist ,Lawrence of Arabia’, auch ein alter Film, aber es sind halt große Bilder. Und grad als junger Regisseur versucht man natürlich so Vorbilder nicht nachzuahmen, aber man ist dann sehr stark beeinflusst darin und darum versuche ich immer, große Bilder zu erzählen."

So auch in seinem Langfilm-Debut "Das letzte Schweigen", ein Drama um einen pädophilen Mörder. Baran "Bo" Odar trägt darin dick auf: dramatischer Soundtrack, große Gefühle, pathetische Gesten, berühmte Schauspieler. Sebastian Blomberg, Burghart Klaußner, Wotan Wilke Möhring, Ulrich Thomsen, Katrin Sass: Sie alle hätten angesichts des Drehbuchs sofort zugestimmt, eine Rolle zu übernehmen, sagt Odar. Geschrieben hat das Drehbuch - er selbst. Das Thema Trauer und Verlust beschäftigt Odar, seit ein Freund an Krebs starb:

"Und durch den Verlust dieses Schulfreundes, den man ja seit man fünf oder sechs Jahre alt ist kennt, habe ich zum ersten Mal wirklich verstanden, dass es vergänglich ist, das Leben. Das wissen wir alle, aber ich glaub', begreifen tut man es erst wirklich, wenn man jemanden verliert. Das ist vielleicht so aus dem Persönlichen heraus, warum mich das Thema interessiert. Aber auch, weil es halt so universell ist: Wir werden alle sterben. Und letztendlich geht es ja eher darum, vielleicht auch zu kapieren, dass es auch gar nicht schlimm ist."

Natürlich hatte er Muffensausen, als junger Nachwuchs-Regisseur von damals gerade einmal 31 Jahren, aber dann doch kein Autoritätsproblem bei den Dreharbeiten. Obwohl seine Schauspieler auch schon mit Größen wie Michael Haneke oder Ridley Scott gedreht haben. Das wäre bestimmt anders gewesen, wenn er verhuscht und verängstig am Set aufgetreten wäre, grinst Odar. An mangelndem Selbstvertrauen leidet er aber nicht:

"Das war noch nie ein Problem, würde ich jetzt oberflächlich sagen. Ganz tief im Unteren sind wir ja alle verletzliche Menschen. Aber es bringt ja nichts, wenn man Selbstzweifel hat, weil dann ist man so gehemmt irgendwann mal, dass man gar nichts auf die Reihe kriegt. Und ich glaub', es ist ganz, ganz wichtig, Dinge auszuprobieren und Fehler zu machen, um daraus zu lernen und dann bei seinem nächsten Film anders zu machen oder auch im Leben einfach anders zu machen. Also wenn man zu sehr Angst hat vorm Leben und auch vorm Drehen, dann kann man auch zu Hause einfach bleiben und fern schauen."

Baran "Bo” Odar lehrt mittlerweile selbst an Filmhochschulen. Sein nächster Film soll wieder ein Thriller werden. Und er überlegt, aufs Land zu ziehen, damit seine zehn Monate alte Tochter in der Natur aufwächst. So wie er damals in Erlangen, wo er mit einem Stock im Wald Stunden lang D’Artagnan spielte. Filmemachen ist auch nur ein Spielplatz, meint er. Ein teurer allerdings. In mehr als einer Hinsicht ist es da praktisch, dass er mit einer kühl kalkulierenden Filmproduzentin verheiratet ist:

"Ich kann nicht so trennen zwischen Privatleben und Arbeit. Wenn ich an 'nen Film denke oder an einem Buch schreibe, dann denke ich da wirklich sieben Tage die Woche, die ganze Zeit. Und wenn man dann einen Partner hat, der damit nicht klar kommt, dann ist es wahnsinnig schwierig, glaub' ich."

Homepage von Baran Odar

Filmhomepage Das letzte Schweigen
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