Größtes Kulturfestival Afrikas

Zum perfekten Zeitpunkt

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Das Festival findet seit nahezu 40 Jahren in Grahamstown statt. © dpa / picture alliance / Hans Dieter Kley
Von Leonie March · 11.07.2015
Das "National Arts Festival“ ist Südafrikas größtes Kulturfestival. Die Künstler bringen bitterbösen Humor auf die Bühne - ihre einzige Möglichkeit, die politischen Machthaber zu kritisieren. Und der Zeitpunkt ist gut gewählt.
Das Urteil ist gefallen: Die drei Angeklagten werden wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Für eine Tat, die sie nie begangen haben.
Die "drei blinden Mäuse" sind die Sündenböcke in einer politischen Intrige. In ihrem gleichnamigen, an einen britischen Kinderreim angelehnten, satirischen Theaterstück nimmt die Regisseurin Tara Notcutt das Publikum mit auf eine absurde Reise. Eines der Highlights des diesjährigen "National Arts Festival": Es geht um Recht und Gerechtigkeit; um Justitia, die gern auch einmal ein Auge zudrückt.
"You got this saying: Justice is blind. And it is supposed to be a good thing. A fair thing. And then the flipside of it is: If it is not fair, what is the bad side of blind?"
Temporeich, bissig und pointiert verwebt Notcutt Südafrikas die schlagzeilenträchtigsten Fälle des letzten Jahres. Von Oscar Pistorius bis zu Präsident Jacob Zuma, der für den Ausbau seiner Privatresidenz Millionen Steuergelder verprasste, ohne dafür bislang zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die Parallele aus Sicht der kleinkriminellen drei blinden Mäuse ist der Käse – eine Metapher für Geld.
"Wer Käse hat, kommt buchstäblich mit Mord davon. Die weniger Betuchten können sich dagegen keine guten Anwälte leisten und sich im Gefängnis auch keine Vergünstigungen kaufen. Hier in Südafrika dreht sich also alles um den Käse. Jeder der etwas anderes behauptet, ist in meinen Augen verrückt. Es geht nur ums Geld."
Ein geschickter Schachzug
Gerechtigkeit ist käuflich. Geld regiert. Obwohl die Fabel rund um die drei blinden Mäuse ohne Namen auskommt, weiß jeder, wer gemeint ist. Ein geschickter Schachzug, denn direkte Attacken gegen Präsident Zuma bescheren Künstlern zunehmend Probleme, betont der künstlerische Leiter des Festivals Ismail Mahomed.
"Obwohl Südafrika eine extrem liberale Verfassung hat, die die Meinungsfreiheit garantiert, mehren sich die Zensurversuche. Der Präsident verklagte unseren führenden Karikaturisten Zapiro. Die Goodman Gallery in Johannesburg war gezwungen, ein umstrittenes Zuma-Portrait wieder abzuhängen. Auch Kulturförderung wird als wirksames Mittel der Zensur eingesetzt. Kritische Künstler bekommen einfach kein Geld. Deshalb hoffen wir, dass sie die Bühne, die wir ihnen bieten, voll ausnutzen."
Von der Zensur und vom Alltag im rassistischen Polizeistaat während der Apartheid erzählt Pieter-Dirk Uys bei der Uraufführung seines autobiografischen Stücks "Echo of a Noise". Der bald 70-Jährige gehört auch nach der demokratischen Wende zu den einflussreichsten Kabarettisten Südafrikas. Ein Mahner, der sich nie einen Maulkorb anlegen ließ.
"In unserer hochentwickelten Welt finden demokratisch gewählte Regierungen heutzutage demokratisch akzeptierte Wege, die Demokratie zu zerstören. Möglich ist das nur, weil wir als Bürger unsere Hausaufgaben nicht machen. Viele Südafrikaner gehen gar nicht mehr wählen, oder stimmen nur aus alter Verbundenheit für den ANC. Insofern verdienen wir unsere korrupte, plumpe und achtlose Regierung. Unsere Demokratie steht auf der Kippe. Deshalb ist die Debatte bei diesem Festival so wichtig. Meinungsfreiheit ist essenziell - aber wo ist die Meinung? Redefreiheit ebenso – aber niemand redet."
Der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten
Dieser Kritik muss auch der künstlerische Leiter des Festivals zustimmen.
"Viele südafrikanische Künstler verstünden die Freiheitsrechte nicht ganz, die durch die Verfassung garantiert werden. Und das über 20 Jahre nach der demokratischen Wende. Insofern versteht sich das Festival auch als Aufklärer."
Junge Ausnahmetalente wie Tara Notcutt und etablierte Künstler wie Pieter-Dirk Uys beweisen, dass es in Südafrika durchaus eine Bühne für politische Satire gibt. Beide spielten vor ausverkaufen Sälen.
"Wir halten der Gesellschaft einen Spiegel vor. Aber so, dass die Leute auch hineinschauen. Das hoffe ich jedenfalls. Wir wollen, dass sie uns zuhören. Wenn wir sie gut unterhalten, dann ist die Chance dafür etwas größer."
"Die Leute sind müde. Sie arbeiten hart. Ihr Privatleben ist oft auch nicht besonders erquicklich. Wenn man ihnen sagt: Ihr müsst Eure Freiheit jeden Tag verteidigen, dann schicken sie einen zum Teufel und schauen sich lieber etwas Seichtes im Fernsehen an. Wir müssen also einen Weg finden, sie zu verführen."
Bitterböser Humor scheint in diesen bitteren Zeiten genau die Verführung, nach der sich viele Südafrikaner sehnen. Das Festival hat den Zeitpunkt für den Satire-Schwerpunkt perfekt gewählt. Es warnt die politischen Machthaber, weckt das Publikum auf und macht jungen Künstlern Mut, künftig eindeutiger Stellung zu beziehen.
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