Größer geht's nicht
Bäume sind ausgeprägte, einzigartige Persönlichkeiten, das möchte James Balog uns in seinem Bildband "Baumriesen" zeigen. Tatsächlich zeigen die Ausklapptafeln des Buches die Bäume auf eine Weise, wie man sie in der Natur - unter dem Baum stehend oder im Wald von anderen Bäumen verdeckt - niemals sehen könnte.
Sechs Jahre lang hat sich der renommierte amerikanische Naturfotograf James Balog auf die Suche nach den ältesten, größten und mächtigsten Bäumen Nordamerikas gemacht. 92 Bäume aus 47 Baumarten fanden schließlich Eingang in seinen großformatigen, prächtigen Bildband.
Bäume sind ausgeprägte, einzigartige Persönlichkeiten, das möchte James Balog uns zeigen. Da gibt es den kalifornischen Küstenmammutbaum "Stratosphere": mit seinen 120 Metern ist er der höchste Baum der Welt. Die Borstenkiefer "Methuselah" feiert bald ihren 5000. Geburtstag und zählt als ältester Baum der Welt. Auch biologische Besonderheiten stellt Balog vor - wie die Espenkolonie "Pando" in Utah, die aus 47.000 miteinander verwachsenen und genetisch identischen Bäumen besteht. Dieses Gewächs kann sich rühmen, der größte lebende Organismus der Welt zu sein.
Und in South Carolina wächst die unglaubliche Eiche "Angel Oak", deren Alter auf 1400 Jahre geschätzt wird - sie zwängte sich also zurzeit von König Artus erstmals ans Sonnenlicht. Wie eine Riesenkrake scheint diese Eiche mit ihren ausufernden Armen den Betrachter jeden Augenblick tödlich umschlingen zu wollen. Beim Anblick solcher Bäume, schreibt Balog, habe er sich doch manchmal gefragt, wer da Beobachter gewesen sei und wer beobachtet habe.
So riesig wie die alten Bäume kommt auch das Buch daher: Aufmachung und thematischer Gegenstand harmonieren perfekt. Um zum Beispiel die gewaltigen Küstenmammutbäume angemessen präsentieren zu können, machte sich der Fotograf mit vielen Kilo Fotoausrüstung behängt zu in waghalsigen Baumkletter-Touren auf - auch davon gibt es einige Bilder im Buch zu sehen. Er stieg auf die Nachbarbäume der Riesen, seilte sich Stück für Stück ab und schoss jeweils auf Augenhöhe Fotos. Aus zum Teil über 800 Aufnahmen sind dann in wochenlanger Arbeit in der Dunkelkammer mosaikartig zusammengesetzte Porträts entstanden, von denen sieben in diesem größten aller Baumbücher als Ausklapptafeln von über 1,50 Meter Breite abgedruckt sind.
Seine Aufnahmetechnik bezeichnet Balog als "digitale Mehrfachbelichtung in Anlehnung an kubistischen Bildaufbau, wie bei Picasso oder Braque". Tatsächlich zeigen die Ausklapptafeln die Bäume auf eine Weise, wie man sie in der Natur - unter dem Baum stehend oder im Wald von anderen Bäumen verdeckt - niemals sehen könnte. Manchmal stellt der Fotograf seine Baum-Modelle auch vor gigantische weiße Leinwände, die er an Kränen aufhängt. Er setzt Licht, schafft im Wald eine Studioatmosphäre. So erhalten die Bäume plötzlich scharfe Konturen und werden in ihrer Schönheit für einen Moment isoliert und herausgehoben. Andere Bilder zeigen die Bäume fast entfremdet in schwarz weiß, eingetaucht in grelles Licht.
Die großformatigen Bilder dominieren das Buch, wie sich das für einen so prächtigen Bildband gehört. Aber Balog erzählt auch - von seinen persönlichen Abenteuern und Gedanken beim Fotografieren, und er lässt die Biografien der Bäume in prägnanten, lakonischen Texten Revue passieren. Von "General Sherman" ist zum Beispiel die Rede, einem kalifornischen Mammutbaum und dem größten einzelnen Organismus der Erde. Der gewaltige Stamm dieses Baumes sprengt sämtliche Rekorde: 8,15 Meter Umfang hat er am Boden und beherbergt 1559 Kubikmeter lebendes Holz. Benannt wurde der Baum 1879 nach dem Oberbefehlshaber der Unionstruppen. Die besondere Ironie an dieser Namensgebung: Der beinharte General Sherman verbrannte bei seinem Marsch durch Georgia mehr Holz als irgendein anderer Mensch in der Geschichte Nordamerikas.
Für Balog sind Bäume die ultimativen Überlebenskünstler der Natur, sie erinnern uns daran, wie die Landschaft einst aussah und wie sie wieder aussehen könnte. Doch in den Laubwäldern Nordamerikas besteht nur noch ein halbes Prozent der 140 Millionen Hektar bewaldeter Flächen aus unberührtem Urwald. Und so ist James Balogs Buch nicht allein ein Bildband mit atemberaubend schöner Naturfotografie, sondern auch ein Plädoyer für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur: "Eine Gesellschaft, die versäumt, das Schöne zu sehen und zu leben, schafft einen kargen, dürren Lebensraum."
James Balog: Baumriesen
Frederking & Thaler, München 2006, 192 Seiten, rund 220 Farbfotos
Bäume sind ausgeprägte, einzigartige Persönlichkeiten, das möchte James Balog uns zeigen. Da gibt es den kalifornischen Küstenmammutbaum "Stratosphere": mit seinen 120 Metern ist er der höchste Baum der Welt. Die Borstenkiefer "Methuselah" feiert bald ihren 5000. Geburtstag und zählt als ältester Baum der Welt. Auch biologische Besonderheiten stellt Balog vor - wie die Espenkolonie "Pando" in Utah, die aus 47.000 miteinander verwachsenen und genetisch identischen Bäumen besteht. Dieses Gewächs kann sich rühmen, der größte lebende Organismus der Welt zu sein.
Und in South Carolina wächst die unglaubliche Eiche "Angel Oak", deren Alter auf 1400 Jahre geschätzt wird - sie zwängte sich also zurzeit von König Artus erstmals ans Sonnenlicht. Wie eine Riesenkrake scheint diese Eiche mit ihren ausufernden Armen den Betrachter jeden Augenblick tödlich umschlingen zu wollen. Beim Anblick solcher Bäume, schreibt Balog, habe er sich doch manchmal gefragt, wer da Beobachter gewesen sei und wer beobachtet habe.
So riesig wie die alten Bäume kommt auch das Buch daher: Aufmachung und thematischer Gegenstand harmonieren perfekt. Um zum Beispiel die gewaltigen Küstenmammutbäume angemessen präsentieren zu können, machte sich der Fotograf mit vielen Kilo Fotoausrüstung behängt zu in waghalsigen Baumkletter-Touren auf - auch davon gibt es einige Bilder im Buch zu sehen. Er stieg auf die Nachbarbäume der Riesen, seilte sich Stück für Stück ab und schoss jeweils auf Augenhöhe Fotos. Aus zum Teil über 800 Aufnahmen sind dann in wochenlanger Arbeit in der Dunkelkammer mosaikartig zusammengesetzte Porträts entstanden, von denen sieben in diesem größten aller Baumbücher als Ausklapptafeln von über 1,50 Meter Breite abgedruckt sind.
Seine Aufnahmetechnik bezeichnet Balog als "digitale Mehrfachbelichtung in Anlehnung an kubistischen Bildaufbau, wie bei Picasso oder Braque". Tatsächlich zeigen die Ausklapptafeln die Bäume auf eine Weise, wie man sie in der Natur - unter dem Baum stehend oder im Wald von anderen Bäumen verdeckt - niemals sehen könnte. Manchmal stellt der Fotograf seine Baum-Modelle auch vor gigantische weiße Leinwände, die er an Kränen aufhängt. Er setzt Licht, schafft im Wald eine Studioatmosphäre. So erhalten die Bäume plötzlich scharfe Konturen und werden in ihrer Schönheit für einen Moment isoliert und herausgehoben. Andere Bilder zeigen die Bäume fast entfremdet in schwarz weiß, eingetaucht in grelles Licht.
Die großformatigen Bilder dominieren das Buch, wie sich das für einen so prächtigen Bildband gehört. Aber Balog erzählt auch - von seinen persönlichen Abenteuern und Gedanken beim Fotografieren, und er lässt die Biografien der Bäume in prägnanten, lakonischen Texten Revue passieren. Von "General Sherman" ist zum Beispiel die Rede, einem kalifornischen Mammutbaum und dem größten einzelnen Organismus der Erde. Der gewaltige Stamm dieses Baumes sprengt sämtliche Rekorde: 8,15 Meter Umfang hat er am Boden und beherbergt 1559 Kubikmeter lebendes Holz. Benannt wurde der Baum 1879 nach dem Oberbefehlshaber der Unionstruppen. Die besondere Ironie an dieser Namensgebung: Der beinharte General Sherman verbrannte bei seinem Marsch durch Georgia mehr Holz als irgendein anderer Mensch in der Geschichte Nordamerikas.
Für Balog sind Bäume die ultimativen Überlebenskünstler der Natur, sie erinnern uns daran, wie die Landschaft einst aussah und wie sie wieder aussehen könnte. Doch in den Laubwäldern Nordamerikas besteht nur noch ein halbes Prozent der 140 Millionen Hektar bewaldeter Flächen aus unberührtem Urwald. Und so ist James Balogs Buch nicht allein ein Bildband mit atemberaubend schöner Naturfotografie, sondern auch ein Plädoyer für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur: "Eine Gesellschaft, die versäumt, das Schöne zu sehen und zu leben, schafft einen kargen, dürren Lebensraum."
James Balog: Baumriesen
Frederking & Thaler, München 2006, 192 Seiten, rund 220 Farbfotos