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Polen
Spitzenbeamte sollen von der Regierung bestimmt werden

Nach dem Verfassungsgericht will die neue Regierung Polens sich jetzt offenbar auch den Beamtenapparat unterordnen. Das entsprechende Gesetz liegt schon im Sejm: Die PiS will die Auswahlverfahren abschaffen, Spitzenbeamte werden nur noch berufen. Außerdem müssen sie nicht mehr aus dem Beamtenapparat selbst stammen.

Von Florian Kellermann | 30.12.2015
    Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo
    Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo (dpa / picture alliance / Radek Pietruszka)
    Etwa 1.600 Führungspositionen sind im polnischen Beamtenapparat zu vergeben. Bisher werden sie durch Auswahlverfahren bestimmt, die Kandidaten sollen sich durch Qualifikation und durch Erfahrung auszeichnen. Eine gute Regelung, so scheint es. Trotzdem will Ministerpräsidentin Beata Szydlo sie ändern.
    "Wenn Sie in einen beliebigen Ort in Polen fahren und sich erkundigen, wie das läuft, vor allem auf der Gemeinde- oder Landkreisebene - dann sehen sie: Die Stellen dort bekommen Freunde und Genossen der beiden früheren Regierungsparteien. Unser Gesetzesprojekt soll den Beamtenapparat öffnen. Heute haben junge, gut ausgebildete Polen keine Chance, dort eine Anstellung zu finden. Denn der Zugang ist zubetoniert."
    Experten geben der Ministerpräsidentin Recht - zumindest in der Analyse. Die alte Regierung der rechtsliberalen "Bürgerplattform" und der Bauernpartei PSL installierte in der Ämtern überall im Land ein System der Vetternwirtschaft. Da halfen auch die Auswahlverfahren nicht, erklärt Piotr Arak von der Nicht-Regierungsorganisation "Polityka insight".
    "Oft gab es nur einen Kandidaten. Und wenn es drei waren, dann waren die Kriterien oft auf den einen Kandidaten zugeschnitten, der die Stelle bekommen sollte. Oder nehmen wir das Kriterium, dass der Bewerber Führungsqualitäten mitbringen musste. Das bezog sich nur auf ein Dienstverhältnis mit einigen Untergebenen. Selbstständige hatten keine Chance, auch wenn sie gute Manager waren, deshalb kamen häufig nur Menschen in Frage, die schon in der Verwaltung arbeiteten."
    Auch in diesem Bereich versprach die neue Regierung der rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit, kurz PiS, einen "guten Wandel", wie es in ihren Wahlslogans hieß.
    Doch das nun von ihr vorgeschlagene Gesetz schaffe die benannten Mängel keineswegs ab, sagen viele Beobachter. Statt Auswahlverfahren zu durchlaufen, sollen die Spitzenbeamten jetzt einfach von der Regierung bestimmt werden. Nichts wird die PiS hindern, ihre Gefolgsleute zu berufen, im Gegenteil: Bisher durften die Bewerber für eine Führungsposition im Staat in den vorhergegangenen fünf Jahren keiner Partei angehört haben. Diese Voraussetzung soll nun wegfallen.
    Piotr Arak von "Polityka insight" machen weitere Punkte des Gesetzes misstrauisch:
    "Das Problem ist das Ziel des Gesetzes. Die leitenden Beamten sollen innerhalb von 30 Tagen überprüft werden. Die Absicht des Gesetzgebers ist deshalb ziemlich klar: Es geht ihm darum, einen Teil der Beamten von ihren Posten entfernen zu können."
    Darauf weisen auch Aussagen aus der Regierung selbst hin. So sagte Beata Kempa, Büroleiterin der Ministerpräsidentin, die Minister sollten sich ihre Mitarbeiter freier auswählen können.
    In den Augen der Opposition steht das geplante Beamtengesetz exemplarisch für das Vorgehen der neuen Regierung. Sie gebe vor, einen Missstand abzuschaffen - und vertiefe ihn dabei, sagt Jerzy Meysztowicz, Abgeordneter der liberalen Partei "Modernes Polen".
    "Wie kann man davon sprechen, den Beamtenapparat entpolitisieren zu wollen, wenn die Kandidaten keine Voraussetzungen mehr erfüllen müssen. Mich würde nur eines interessieren: Dürfen die Beamten auf ihren Posten bleiben, wenn sie - wie in der Volksrepublik Polen in den 1980er-Jahren - eine Loyalitätserklärung abgeben, nur diesmal gegenüber der Partei Recht und Gerechtigkeit?
    Das Beamtengesetz wird allerdings nun doch nicht so rasch verabschiedet wie andere Gesetze der neuen Parlamentsmehrheit. Der Verwaltungsausschuss des Sejm entschied gestern Abend, erst solle die Regierung eine ausführliche Stellungnahme vorlegen.