Grenzen der künstlichen Intelligenz

"Liebe ist nicht nur Herzpochen"

ROBOY, the robot developed by the Artificial Intelligence Laboratory of the University of Zurich, is presented to the media in Zurich, Switzerland, 27 February 2013. Technical know-how from over 15 project partners from industry and scientific research helped to build the robot during the last nine months. Thanks to 'Brain Technology' ROBOY can reply intelligently to questions.
Roboy, gebaut vom Institut für Künstliche Intelligenz Zürich, kann eigenständig denken © picture alliance / dpa / Samuel Truempy
Tarek Besold im Gespräch mit Ute Welty · 05.11.2016
Soll künstliche Intelligenz auch fühlen können? Technisch dürfte es eines Tages möglich sein, Robotern Gefühle einzubauen. Auf dem "State Festival" in Berlin diskutieren Forscher mit Künstlern und gesellschaftliche Akteuren nun, ob das auch gewollt ist.
Schon jetzt sei es möglich, dass Maschinen am Gesichtsausdruck erkennen, ob eine Person gestresst oder glücklich ist, so der Forscher für Künstliche Intelligenz, Tarek Besold. Nun werde diskutiert: "Reicht es, sich so zu verhalten, als würde man Gefühle erkennen oder muss man sie wirklich fühlen können?"
Man müsse bei Gefühlen zwei Aspekte unterscheiden, so der Forscher von der Universität Bremen. Einerseits die körperliche Reaktion, andererseits die "Qualität des Erlebens". "Liebe ist nicht nur Herzpochen. Liebe ist auch diese empfundene Bindung", betont Forscher Besold. "Hass ist nicht nur das Verkrampfen der Muskeln, es ist auch diese starke Abneigung. Das ist das, wo vielleicht die Maschine – im Moment auf jeden Fall, in Zukunft wissen wir nicht – an ihre Grenze kommen könnte."
Unbegrenzte Neugier der Forscher
Wichtig sei nun eine ergebnisoffene Diskussion. "Forschung ist zwar frei, bewegt sich aber immer in einem gesellschaftlichen Umfeld." Es gebe zwei Triebfedern. Einerseits die Neugier: "Können wir wirklich Computer mit Gefühlen ausstatten?" Es gebe auf der einen Seite aber auch die Nachfrage: "Werden diese Computer gewollt?" Die Neugier sei unbegrenzt, bei der Nachfrage müsse sich die Gesellschaft auf einen Konsens einigen: "Die Frage ist, wollen wir wirklich eine Gesellschaft in der vielleicht Androiden – sollte das technisch möglich sein – eines Tages gleichberechtigt sind?"
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Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Träumen Roboter von elektrischen Schafen? Freunde von "Raumschiff Enterprise" werden diese Frage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Ja beantworten, denn spätestens seit dem Jahr 2369 wissen wir, dass Roboter auch Gefühle haben. Das ist nämlich das Jahr, wo Android Data seine erste Emotion in Form eines Wutausbruchs erlebt. Künstliche Intelligenz soll jetzt also auch fühlen können. Und wie so was geht, wie man Gefühle und Emotionen in eine Maschine implantiert, damit beschäftigt sich das STATE-Festival, das heute in Berlin zu Ende geht und auf dem auch Tarek Besold zu Gast ist, der in Bremen zu Künstlicher Intelligenz und künstlichen oder echten Gefühlen forscht. Guten Morgen, Herr Besold!
Tarek Besold: Einen schönen guten Morgen!
Welty: Warum soll eine Maschine überhaupt etwas fühlen können? Kann die Maschine nicht einfach in Ruhe Maschine bleiben und vor sich hin rechnen?
Besold: Ja und Nein. Zunächst könnte sie das natürlich tun. Die Frage ist immer, was wollen wir mit unseren Maschinen machen, oder was wollen wir, dass unsere Maschinen für uns machen. Und klar, solange ich nur den Rechenknecht habe, also solange ich nur das hab, was ein besseres Taschenrechner auch kann, sind Gefühle sehr irrelevant, eher hinderlich, um genau zu sein.
Welty: Ich wollte gerade sagen: Gefühle machen das Leben ja nicht unbedingt leichter. Ich weiß zwar, dass ich diese Tafel Schokolade nicht essen sollte, aber mein Gefühl meint, ich müsse das jetzt unbedingt machen.
Besold: Ja, genau. Gefühle sind für uns natürlich omnipräsent, immer gegeben, und bestimmen auch unser Leben. Sie stehen uns aber auch häufig im Weg. Sie lenken uns ab, sie machen uns nervös, sie beeinflussen uns bei Entscheidungen. Das sind alles Sachen, die man in Kauf nehmen muss. Nichtsdestotrotz: Will man, dass Maschinen uns eben auch im täglichen Leben unterstützen, will man, dass Maschinen auf uns eingehen – wollen Sie, dass jetzt Ihr interaktives Sprachsystem feststellt, wenn Sie gestresst sind, und dadurch fragt, dadurch präziser wird, dann muss das Sprachsystem ein Modell davon haben, was Gefühle sind. Und es muss in der Lage sein, mindestens Ihre Gefühle zu erkennen.

Was sind echte Gefühle?

Welty: Kann man das am besten zusammenfassen in so einem Begriff wie Empathie?
Besold: Das ist der Anfang, Empathie, allerdings in einer sehr technischen Hinsicht. Also allein das Erkennen ist der erste Schritt. Der nächste Schritt ist dann natürlich, Gefühle auch darstellen zu können, Gefühle zu zeigen. Das heißt, wenn Sie jetzt – Sie hatten Data gerade schon erwähnt – wollen Sie jetzt einen menschenähnlichen Roboter in Ihrer Umgebung, einen Roboter, der sich wie ein Mensch verhält, dann muss der auch in der Lage sein, emotional zu kommunizieren.
Welty: Wie kann man der Maschine jetzt Gefühle beibringen? Und sind das dann echte Gefühle, oder sind das angenommene Gefühle?
Besold: Ja, was sind echte Gefühle? Was wir können und was wir auch langsam anfangen zu machen, ist beispielsweise, einer Maschine, die jetzt eine Kamera hat, in Ihrem Gesichtsausdruck zu erkennen, sind Sie gestresst, sind Sie glücklich. Das geht relativ simpel. Ihre Mundwinkel, Ihre Augenbrauen, das übersetzt sich in eine mathematische Funktion, die eben einen Schwellenwert hat. Unterhalb des Werts 30 ist man entspannt, oberhalb des Werts 30 ist man gestresst. Und damit bin ich in der Lage, einzuschätzen, okay, ist mein Nutzer gerade zufrieden mit dem, was ich mache? Allerdings – ist das ein echtes Gefühl? Das ist die große Frage. Also, reicht es, sich so zu verhalten, als würde man Gefühle erkennen, oder muss man sie wirklich fühlen können? Das wird diskutiert. Das ist auch eine Frage, die beim STATE-Festival sicherlich häufig gestellt werden. Und das ist vielleicht das, wo wir die magische Linie eines Tages erreichen werden.
Welty: Ist es nicht eigentlich dann auch egal am Ende des Tages, ob es ein echtes oder ein angenommenes Gefühl ist? Weil, wenn ich mir zum Beispiel die Reaktionen, die physischen Reaktionen eines Körpers angucke bei Träumen, dann sind die ja komplett identisch. Also egal, ob ich das Erlebte träume oder ob ich das Erlebte in der Realität erlebe.

Hass ist nicht nur das Verkrampfen der Muskeln

Besold: Der Unterschied ist, denke ich, sehr bedeutend. Für uns sind Gefühle ja zwei Sachen: Auf der einen Seite haben wir die körperliche Reaktion. Bei Angst verfallen wir in Starre, wir beginnen zu zittern. Nichtsdestotrotz, Sie haben auch die Qualität des Erlebens. Und diese Qualität ist sehr entscheidend für viele Gefühle. Liebe – Liebe ist nicht nur Herzpochen. Liebe ist genau auch diese empfundene Bindung. Hass – das ist auch nicht nur das Verkrampfen der Muskeln. Es ist auch diese starke Abneigung. Das ist genau das, an dem vielleicht die Maschine - im Moment auf jeden Fall, in Zukunft wissen wir nicht, an ihre Grenzen kommen könnte.
Welty: Wir reden über fühlende Computer, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, dass es die gibt oder in absehbarer Zeit geben wird. Haben wir eine Wahl?
Besold: Ich denke schon. Wir haben eine Wahl, wenn wir es zu einer Wahl machen. Forschung ist zwar frei, bewegt sich aber immer in einem gesellschaftlichen Umfeld. Und es gibt zwei Triebfedern. Es gibt auf der einen Seite die Neugier: Können wir wirklich Computer mit Gefühlen ausstatten? Es gibt auf der anderen Seite aber auch die Nachfrage. Werden diese Computer gewollt? Und die Neugier ist natürlich unbegrenzt, wie wir alle wissen. Die Nachfrage ist aber die, bei der sich eine Gesellschaft wahrscheinlich auch auf einen Konsens einigen muss, wofür sie sich aber vorher damit auseinandersetzen muss. Insofern sind Gelegenheiten wie das STATE-Festival, aber auch Gelegenheiten, bei denen einfach in die Diskussion eingetreten wird und offen, ergebnisoffen diskutiert wird, sehr wichtig auch für uns als Forscher, ob das, was wir tun, überhaupt gewünscht wird.
Welty: Wünschen Sie sich das?

Was wollen wir?

Besold: Die Neugier ist eine große Triebfeder, wie bereits gesagt. Nichtsdestotrotz, es ist die Frage, wo wollen wir uns hin entwickeln. Und es ist natürlich auch kein binäres Ja-Nein. Die Frage ist, wollen wir wirklich eine Gesellschaft, in der wir Androiden vielleicht – sollte das technisch möglich sein – eines Tages gleichberechtigt haben? Sobald ich einen Android mit tatsächlichen Gefühlen ausstatte, muss ich natürlich auch fragen, stehen ihm dieselben Rechte zum Schutz dieser Gefühle zu? Oder will ich eine Welt, in der Maschinen zwar meine Gefühle wahrnehmen, sich drauf einstellen und anpassen, aber sicher selber keine Gefühlsqualitäten hat? Oder will ich eine Welt, wo ich sage, nein, ich bin froh mit meinem besseren Taschenrechner und Rechenknecht? Und den Rest, den lassen wir einfach mal in menschlicher Hand.
Welty: Ein denkender und fühlender Mensch über fühlende Maschinen. Tarek Besold ist zu Gast auf dem STATE-Festival heute, und ich danke sehr für dieses Gespräch!
Besold: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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