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Bakteriengemeinschaft von Schimpansen
Smalltalk belebt den Darm

Schon vor ein paar Jahren berichteten US-Forscher darüber, dass Schimpansen ganz ähnliche Bakteriengemeinschaften in ihrem Darm haben wie Menschen. Und das, obwohl sie sich ganz anders ernähren. Nun haben jene Forscher die Ergebnisse einer neuen Studie veröffentlicht, bei der sie untersuchten, ob soziale Kontakte untereinander die Darmflora der Tiere beeinflussen.

Von Christine Westerhaus | 18.01.2016
    Zwei Schimpansen im Qingdao Zoo in Shandong, China umarmen sich gegenseitig, um sich warm zu halten. Sie liegen in einer Art Hängematte.
    Umtriebige Schimpansen haben tatsächlich mehr Bakterienspezies in ihrem Darm als Einzelgänger. (imago / China Foto Press)
    Schon vor ein paar Jahren berichteten US-Forscher darüber, dass Schimpansen ganz ähnliche Bakteriengemeinschaften in ihrem Darm haben, wie Menschen. Und das, obwohl sie sich ganz anders ernähren als Menschen. Nun haben diese Forscher die Ergebnisse einer neuen Studie veröffentlicht, bei der sie acht Jahre lang untersucht haben, ob soziale Kontakte untereinander die Darmflora der Tiere beeinflussen. Umtriebige Schimpansen haben tatsächlich mehr Bakterienspezies in ihrem Darm haben, als Einzelgänger.
    Bei der Geburt bekommen Babys von der Mutter eine Art Gründerpopulation mitgeliefert: Bakterien aus der Vaginalschleimhaut, die in Windeseile den ganzen Körper besiedeln. Am Anfang sind es vor allem Milchsäurebakterien, doch Jahre später leben im Darm eines Menschen mehr als 1000 unterschiedliche Bakterienspezies. Andrew Moeller von der Universität von Kalifornien in Berkeley wollte herausfinden, woher diese Vielfalt rührt. Deshalb hat er sich die Bakterien unserer nächsten Verwandten angesehen: Gemeinsam mit Verhaltensforschern hat er wild lebende Schimpansen in Tansania untersucht.
    "Für uns war die wichtigste Frage: Wo kommen all diese Mikroben her. Wir haben daher die Vielfalt der Bakterien im Kot einzelner Schimpansen untersucht und mit ihren sozialen Kontakten verglichen. Dabei hat sich gezeigt, dass ihre Darmmikrobiota umso vielfältiger war, je häufiger sie mit anderen Individuen in der Gemeinschaft interagierten."
    Für ihre Studie haben Andrew Moeller und seine Kollegen acht Jahre lang den Kot unterschiedlicher Schimpansen Populationen untersucht. Dabei arbeiteten sie mit Primatologen zusammen, die ihnen Daten über die sozialen Kontakte der Tiere lieferten. Aus ihren Beobachtungen schließen die Forscher, dass Schimpansen über Körperkontakte untereinander Bakterien austauschen und so die Vielfalt in ihrem Darm beleben. Beispielsweise über das Bettelverhalten, mit dem hungrige Tiere Nahrungsbissen direkt vom Mund ihrer Artgenossen erbeuten. Über den Speichel können die Bakterien dabei ausgetauscht werden und in den Magen-Darmtrakt gelangen.
    "Für mich ist das der spannendste Aspekt: Unsere Ergebnisse erklären, wie die Vielfalt der Darmbakterien über lange Evolutionszeiträume erhalten bleiben kann. Würde immer nur die Mutter die Bakterien an ihre Nachkommen weitergeben, würden zwangsläufig ein paar Spezies über die Jahre verloren gehen. Doch wenn wir unseren Vorrat an Bakterien immer wieder über soziale Kontakte zu anderen Individuen auffüllen können, passiert das nicht. Die soziale Gemeinschaft ist also so etwas wie ein kollektives Bakteriengedächtnis."
    Andrew Moeller ist überzeugt, dass auch der Mensch Darmbakterien über soziale Kontakte austauscht. Wer sich von anderen Menschen aus Angst vor fremden Keimen fernhalte, riskiere also möglicherweise die Vielfalt der Bakterien in seinem Darm - und damit seine Gesundheit.
    "Es gibt Hinweise darauf, dass eine große Vielfalt an unterschiedlichen Bakterienspezies im Darm vor Infektionen schützt. Wir wissen aber nicht, ob die Mikroben, die wir im Darm der Schimpansen gefunden haben, diesen Effekt haben. Das müssen wir genauer untersuchen."
    Andere Forscher haben nachgewiesen, dass Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen weniger Bakterienspezies in ihrem Darm haben, als Gesunde. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass ein gestörtes Gleichgewicht der Mikroben im Darm zu Typ II Diabetes führen kann. Über Körperkontakte werden zwar auch Krankheitserreger übertragen. Doch in erster Linie scheint dies ein wichtiger Mechanismus zu sein, nützliche Bakterien untereinander auszutauschen, meint Andrew Moeller.
    "Ich denke, dass wir eindeutig zeigen konnten, dass Schimpansen ihre Mikroben untereinander über soziale Kontakte austauschen. Außerdem haben Studien an Paviane ähnliches gezeigt: Sie tauschen Bakterien aus, während sie sich gegenseitig lausen."
    Als Nächstes wollen Andrew Moeller und seine Kollegen erforschen, welche Rolle einzelne Bakterienspezies im Darm der Schimpansen spielen. Ihre Mikrobiota ist vielfältiger, als die des Menschen. Deshalb hoffen die Forscher, ein paar Stämme ausfindig zu machen, die im Laufe der Evolution abhandengekommen sind.