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Maßnahmen gegen Gewalt
Wiesbaden wird entwaffnet

Wiesbaden gehört zu einer der sichersten Großstädte Deutschlands. Der Verwaltung ist sie jedoch nicht sicher genug: Sie will das Tragen von Messern nachts verbieten. Der Wiesbadener Landtag will zudem die Reichsbürger entwaffnen.

Von Ludger Fittkau | 26.04.2018
    Wiesbaden: Neues Rathaus, Marktkirche, Marktplatz
    Wiesbaden: Neues Rathaus, Marktkirche, Marktplatz (imago stock&people)
    Stadtzentrum Wiesbaden. Gediegene Einkaufszonen und autofreie Plätze rund um den hessischen Landtag und das schmucke Rathaus im Stil der Neurenaissance. Die Menschen genießen die warmen Frühlingstage in Straßencafés oder mit einer Eiswaffel in der Hand auf der Rathaustreppe. Angesichts dieser friedlichen Szenerie fragt man sich, warum Bürgermeister Oliver Franz (CDU) im Rathaus gerade ein Waffenverbot für die Wiesbadener Innenstadt vorbereitet. Ist die Idylle in der mondänen Kur- und Verwaltungsstadt trügerisch? Nein, nein, beteuert der Bürgermeister:
    "Also zunächst mal die positive Botschaft vorweg: Wiesbaden gehört nach wie vor zu einer der sichersten Großstädte in Deutschland in der Kategorie von 250.00 bis 500.000 Einwohner. Das ist seit vielen Jahren der amtliche Befund bei der amtlichen polizeilichen Kriminalstatistik. Also objektiv gesehen ist die Lage nicht schlecht. Heißt aber nicht, dass es nicht besser werden könnte. Generell gilt, jede Straftat ist im Grunde eine zu viel. Und was beobachten wir in den letzten ein, zwei, drei Jahren? Wir beobachten, dass insbesondere junge Männer, wenn sie abends ausgehen, sich nicht nur frisch machen, sondern auch ein Messer mitnehmen."
    Messer "im Volumen gesehen die gefährlichste Waffe"
    Also nicht die sonnendurchflutete Nachmittagsstimmung auf den bei Flaneuren beliebten Straßen und Plätzen der Innenstadt seien das Problem, sondern die Wiesbadener Nacht, betont der Bürgermeister. Und auch nicht Schusswaffen machen den Stadtoberen Sorgen, sondern Messer. Die sollen nun verboten werden – in der Nacht. Oliver Franz:
    "Na ja, die haben die in den Hosentaschen. Aber nicht, um einen Apfel zu schälen. Das wäre ja im Sinne gesunder Ernährung noch wünschenswert, aber nein. Es wird mitgeführt als Verteidigungs- oder als Angriffsinstrument. Und nach wie vor ist es in Deutschland so, dass das Messer für die meisten tödlichen Verletzungen verantwortlich ist. Es ist sozusagen in der Breite, im Volumen gesehen die gefährlichste Waffe. Und man unterschätzt das und ein Streit mit Waffen eskaliert schnell und das wollen wir natürlich unterbinden."
    Draußen auf dem Platz zwischen Rathaus und hessischem Landtag gehen an diesem Nachmittag Polizisten in Uniform Streife. Es ist Landtagsplenum, die Abgeordneten und die Landesregierung sind da, die Polizeipräsenz ist sichtlich erhöht. An Tagen ohne Landtagssitzungen ist das bisher nicht immer so, bedauert der Wiesbadener Bürgermeister Oliver Franz. Er weiß: Um den jungen Männern in der Nacht die Messer wirklich abzunehmen, gegebenenfalls Bußgelder zu verhängen und damit die Waffenverbotszone durchzusetzen, braucht er deutlich mehr Polizeibeamte als bisher:
    "Also zunächst mal ist das so, um auch da Entwarnung zu geben, dass wir das nur in der Zeit zwischen 21 Uhr und 5 Uhr morgens machen wollen. Also es ist nach wie vor möglich, dass jemand der seinen Messerblock in einem großen Einzelhandelsgeschäft in der Fußgängerzone gekauft hat, das nach Hause tragen kann. Und auch der Schweizer Tourist, der zu seiner obligatorischen Schweizer Ausrüstung ein Sackmesser bei sich führt und tagsüber die Fußgängerzone beschreitet, muss sich dort keine Gedanken machen."
    Vor allem abends und nachts soll sich etwas ändern.
    "Die Polizei ist da in der Lage, auch die Stadtpolizei, durch ein 'Profiling' - Gesichtskontrolle -zu erkennen, was sind potenzielle Störergruppen und die werden dann angesprochen und auch daraufhin überprüft."
    Waffenverbot für Reichsbürger
    Doch auch in Wiesbaden gibt es eine Gruppe, die nicht so leicht auf der Straße zu erkennen ist und dennoch gefährlich ist, wenn sie über Waffen verfügt. Das sind die sogenannten "Reichsbürger" – also Menschen, die die Bundesrepublik nicht als ihren Staat anerkennen. Seitdem 2016 in Bayern ein "Reichsbürger" einen Polizisten erschoss, nimmt man im Wiesbadener Landtag die Bedrohung sehr ernst. Das Land Hessen hat deshalb eine Bundesratsinitiative gestartet mit dem Ziel, bei sämtlichen bekannten "Reichsbürgern" in Deutschland ein Waffenverbot durchzusetzen. Peter Beuth, der hessische Innenminister, will die Zuverlässigkeitsprüfung für Waffenbesitzer generell an eine Anfrage beim Verfassungsschutz koppeln. Damit soll verhindert werden, dass gefährliche "Reichsbürger" Waffen in die Hände bekommen:
    "Es gibt welche darunter, die einfach nur diesen Staat ablehnen und die vielleicht ein bisschen weltvergessen sind oder die Verschwörungstheoretiker sind. Aber es gibt halt eben auch Extremisten darunter und das besorgt uns natürlich."
    Keine Messer mehr in der Hosentasche, entwaffnete "Reichsbürger" – Wiesbaden könnte also künftig wohl so friedlich sein, wie es jetzt schon aussieht – an sonnigen Frühlingstagen zumindest.