Grau melierter Partylöwe

Von Katja Bigalke · 04.06.2008
Bis vor fünf Jahren hieß Friedrich Liechtenstein Holger Friedrich und versuchte als gelernter Puppenspieler das Theater neu zu erfinden. Dann begann er ein neues Leben als Popstar: Mit Hilfe junger Berliner Elektroniker tingelt er durch die Clubs, wo das Publikum so alt ist wie seine drei erwachsenen Kinder. Sein Mischung aus schräger Poesie und eingängigen Clubsounds kommt an.
"Hey Guys! Alles ist Schwingung, nicht nur Musik. Wir müssen uns diese Welt einverleiben und verwandeln in körpereigene Schwingungen und dann raus damit ... Heute Abend wieder einmal Musiktheater ganz groß. Oh mein Gott, strange people in a strange world"

"Strange", seltsam, das ist das Schlüsselwort für diesen Abend. Mit lässigem Hüftschwung tänzelt ein untersetzter Mann, Ende vierzig, grauer Bart, cremefarbener Anzug über die Theaterbühne. Kniet nieder, sagen seine Bewegungen, hier kommt Friedrich Liechtenstein, auf der selbstgefühlten Popstarskala gleichauf mit Barry White oder Tom Jones. Über ihm dreht sich glitzernd eine Discokugel, hinter ihm auf dem roten Samtsofa räkelt sich lasziv eine junge Frau, die viel Haut zeigt.

"Oh baby, baby, baby, oh my god..."

Nur etwa 30 Besucher sind an diesem Samstag ins "Engelbrot" nach Moabit gekommen. Das wiederbelebte Privattheater, das einst Boxkämpfe und Berliner Volksstücke zeigte, soll zu Liechtensteins neuer Showbühne werden. Mit ihm als Moderator und Stargast in einem. Aber aller Anfang ist schwer, vor allem wenn er jenseits eingetrampelter Szenepfade stattfindet.

Friedrich Liechtenstein: "Leute, die mich gar nicht kennen, sind oft irritiert und dann denken die, oho, ist ja gar nicht schlecht, und dann geht es richtig ab. Ist erst immer ein bisschen komisch und dann nach 'ner Weile merken sie: ist gut."

Seit vier Jahren gibt es die Kunstfigur Friedrich Liechtenstein. Früher hieß der Mann Holger Friedrich und war in der Off-Theater-Szene für seine schrägen Ideen bekannt. Mit Sasha Waltz verabschiedete er Betriebsküchen in der Uckermark, die Berliner Sophiensäle verwandelte er in einen Mittagsschlafsaal für gestresste Großstädter, dem brasilianischen Hollywood-Star Carmen Miranda widmete er eine wunderbare Revue. Doch dann entdeckte er sein zweites Ich - Liechtenstein.

Friedrich Liechtenstein: "Das ist ein Popmusiker und ein Flaneur und ein bisschen altmodischer Mensch mit Glam und einem Gefühl für Party."

Zusammen mit jungen Berliner Elektronikmusikern nahm er seine erste Platte auf. Eingängige Discobeats mit leicht melancholischen Texten, die von Liebe, Ruhm und Vergänglichkeit handeln. Wie der PanAm-Song über die glamouröse amerikanische Fluglinie der Sechziger und Siebziger, die mit dem Fall der Mauer in der Insolvenz verschwand.

Liechtenstein begann durch Clubs zu tingeln, deren Publikum so alt war wie seine drei erwachsenen Kinder. Anfangs als Unikum belächelt - wer startet schon eine Popstarkarriere mit Mitte vierzig? - avancierte er schnell zum Geheimtipp für leicht zugängliche Tanzmusik mit dem gewissen Sugardaddy-Touch. Bei einem Auftritt in Bordeaux 2003 waren über tausend Leute dann ganz hingerissen und Liechtenstein beschloss endgültig, dem Theater Lebewohl zu sagen.

"Jeder sei gewarnt. Mit der Musik ist am Anfang schwer was zu reißen. Aber ich hatte so 'n tolles Gefühl in Bordeaux auf der Bühne und ich hab gedacht: Was für ein Blödsinn, sich mit dem Theater so rumzuschlagen mit dem ganzen Ärger und dem ganzen Aufwand, wenn man das mit zwei Songs viel weltumspannender schafft."

Seitdem hofft er auf den großen Durchbruch. Vielleicht ein One-Hit-Wunder oder eine Teilnahme am Grand Prix d'Eurovision. Das würde ihm gefallen und auch ganz logisch erscheinen: Vom ausgebildeten Puppenspieler mit DDR-Wurzeln zum Entertainer, der süße Puppen tanzen lässt .

"Eisenhüttenstadt ist ja 'ne ausgedachte Stadt mit Alleen und Springbrunnen, an den Laternen hängen Megafone. Da gab's Musik, es war so ein inszeniertes schönes Leben wie 'ne Truman Show - diese Schiene habe ich auch so gespeichert und die Songs sind auch so eigene Welten, die durch die Welt getragen werden."

Heute abend im "Engelbrot" bleibt die Welt im Kiez. Um sich und seine Live-Radio-Show in Fahrt zu bringen, versohlt Liechtenstein seiner Sofa-Muse den kurzberockten Popo - mit einer Stange frischem Lauch.
"Sugardaddy - du Luder, böses Mädchen - und jetzt du bei mir. oh ja, das ist zu wenig! Sugardaddy..."

Später wird ein kleiner Italiener, der in München ein Restaurant betreibt, von seinen großen Zeiten als Darsteller in "sexy Filmen" berichten. Liechtenstein stellt ihm mal frivole, mal ironische Fragen und haucht dann selbst noch ein paar Schmusesongs ins Mikrofon. Der Mann hat viele Talente, keine Frage.