Grass als "neuer Grimmelshausen"

Fritz J. Raddatz im Gespräch mit Anke Schaefer · 16.10.2012
An seinem Schriftstellerkollegen Günter Grass schätze er besonders dessen fantasievolle und genaue Sprache, sagte der Essayist und Romancier Fritz J. Raddatz zum 85. Geburtstag des Literaturnobelpreisträgers. Diese beiden Koordinaten hätten ein großes Werk geformt.
Seine frühen Gedichte in "Gleisdreieck" und die Erzählungen "Katz und Maus" und "Das Treffen in Telgte" nannte Raddatz als herausragende Leistungen in Grass Schaffen. Als besonders gelungen bezeichnete Raddatz den Roman "Der Butt", der ihm wegen der seltsamen und märchenhaften Melange aus Fantasie und Nacherzählung besonders gut gefiele.

In seinem eigenen "Bestiarium der deutschen Literatur" habe er Grass, zugegebenermaßen wenig originell, als Aal eingeordnet: Das sei "eine Platitüde" gewesen, gab Raddatz zu, sollte aber die wichtige Rolle in Erinnerung rufen, die der Aal in Günter Grass Erfolgsroman "Die Blechtrommel" spielte.

Dieser Roman sei bei dessen Erscheinen eine Sensation gewesen, erinnerte sich Raddatz, weil er im Kontrast zu den in dieser Zeit üblichen realistischen Romanen gestanden habe. Mit seiner barock strotzenden Prosa, die gleichzeitig Bezug auf die politische Aktualität nahm, habe sich Grass damals als "neuer Grimmelshausen" präsentiert.

Vor allem wegen unterschiedlicher politischer Bewertungen habe er sich allerdings mit dem früheren engen Freund überworfen: Analysen zur deutschen Wiedervereinigung, das späte Eingeständnis der Zugehörigkeit zur Waffen-SS und auch das aufsehenerregende Gedicht "Was gesagt werden muss" nannte Raddatz als Beispiele dieser Meinungsverschiedenheiten - letzteres bezeichnete Raddatz als "unangenehm, falsch und schlecht".

Allerdings schmälerten diese politischen "Irrtümer" nicht den Stellenwert von Grass schriftstellerischem Schaffen. Dies sei eher ein Thema für die Journalisten, stellte Raddatz fest: "Literaturgeschichte schreibt sich anders."

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"Ein politisch eingreifender Schriftsteller" - Literaturkritiker zum 85. Geburtstag von Nobelpreisträger Günter Grass, (DKultur, Thema)
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