Graphic Novel

Keine Gerechtigkeit nirgends

Hände versuchen, die letzten Sonnenstrahlen des Tages einzufangen.
Katharina Greve schafft eine spielerisch bösartige Jenseitsvariante. © picture alliance / dpa / Maximilian Schönherr
Von Frank Meyer · 17.10.2014
Ein Frittenbudenbesitzer, eine Schriftstellerin und ihr Geliebter. Drei Ermordete landen in einer bösartigen Version des Jenseits. In Katharina Greves Roman "Hotel Hades" hat das Schattenreich mit sehr irdischen Problemen zu kämpfen.
Gott hat Sorgen. Seine Kollegen Odin, Osiris und Quetzalcoatl haben sich bei ihm über Hades beschwert, den Herren der Unterwelt. Der soll krumme Geschäfte machen, angeblich können sich begüterte Menschen bei ihm eine exquisite Sonderbehandlung im Jenseits kaufen, auch wenn ihr Lebenswandel sie eher in die Hölle schicken sollte.
Aber Hades streitet alles ab und geigt Gott die Meinung. Er hat inzwischen so viel zu tun in seinem Totenreich, 57 Millionen Neuzugänge pro Jahr, und denen haben diverse Götter alles Mögliche versprochen: Auferstehung, Nirwana, 72 Jungfrauen. Hades muss dann mit den Frustrierten zurechtkommen.
Überlastung, Bürokratie und Korruption, in Katharina Greves Jenseitsvision "Hotel Hades" hat das Schattenreich mit sehr irdischen Problemen zu kämpfen. Drei Ermordete schickt Katharina Greve dort hinunter: die Schriftstellerin und Literaturnobelpreiskandidatin Martha Korn, ihren deutlich jüngeren Gespielen Florian Brinkmann und den Imbissbudenbetreiber Peter Fischer. Die drei Toten führen den Leser in die verschiedenen Reiche der jenseitigen Welt. Der junge Florian steigt mit einer geklauten VIP-Karte ins Elysion auf, die Schriftstellerin aber muss hinunter in den Tartaros und dort Tag um Tag alle Sätze ausradieren, die sie je geschrieben hat, Sätze, die immer wieder auf das Papier zurückkehren. Für den Frittenbrater Peter ändert sich im Jenseits nicht so viel, er muss dort für die Glücklichen im Elysion die Pommes zubereiten.
Reich des Vergessens
Bei dieser Graphic Novel arbeitet Katharina Greve mit den präzise gezeichneten, stilisierten Formen, die sie schon bei früheren Arbeiten verwendet hat. Ihr Architekturstudium scheint da durchzuschlagen, ihre Hades-Vision ist auch ein Architektur-Inferno. Die durchschnittlichen Toten müssen in einer riesigen Hochhausstadt weiterexistieren und dort jeden Tag ihre Lethe-Becher trinken. Dieses Reich des Vergessens hat Katharina Greve in monochromes Grau gehüllt, sparsam eingesetzte Farben gibt es bei ihr nur bei den Lebenden und im Elysion.
Katharina Greve wurde mit dem Sondermann-Förderpreis für Komische Kunst ausgezeichnet und als erste Frau mit dem Deutschen Cartoonpreis für neue Talente geehrt. Bei ihren Buchprojekten interessiert sie sich vor allem für das Groteske und Überraschende. Ihre erste Graphic Novel "Ein Mann geht an die Decke" spielt in einer Parallelwelt mitten in Berlin, in der die Schwerkraft aufgehoben ist. Ihr zweites Buch "Patchwork. Frau Doktor Waldbeck näht sich eine Familie" berichtet von einer Transplantationsforscherin, die sich aus Menschenteilen eine eigene Familie bastelt.
Auf fliegende Bratwürste schießen
Auf Greves trockenen Humor und ihre spielerische Bösartigkeit trifft man nun auch in ihrem dritten Buch. Im Tartaros des "Hotel Hades" sitzt unter anderem Hitler, der Schäferhundwelpen zu Gulasch verarbeiten und aufessen muss. Im Elysion kann man Mutter Teresa, Mao und Steve Jobs dabei beobachten, wie sie begeistert mit Pfeilen auf fliegende Bratwürste schießen, eine Beschäftigungstherapie für gelangweilte Paradiesbewohner.
Aus solchen Späßen wird keine zwingende Geschichte und keine erschütternde Jenseitsvision, aber eine gezeichnete Reflexion über metaphysische Leere und mangelnde Erlösungsbedürftigkeit. Die Vorfreude auf das Weiterleben nach dem Tode wird mit diesem "Hotel Hades" deutlich gedämpft, denn eines wird klar: Gerechtigkeit ist auch dort nicht zu erwarten.
Katharina Greve: Hotel Hades
Verlag Egmont Graphic Novel, Köln 2014
128 Seiten, 19,90 Euro
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