Graham Moore: "Verweigerung"

In den Mühlen der Justiz

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Das Cover des Krimis "Verweigerung" von Graham Moore auf orange-weißem Hintergrund.
Mit seinem Thriller wirft Graham Moore einen ebenso kritischen wie erhellenden Blick auf das US-Rechtssystem. © Deutschlandradio / Eichborn
Von Ulrich Noller · 26.02.2021
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"Verweigerung" erzählt die Geschichte einer Anwältin, die selbst vor Gericht steht. Gewitzt und unterhaltsam arbeitet Graham Moore in seinem Justizthriller die Schwachstellen des US-amerikanischen Rechtssystems heraus.
Maya Seale ist Anwältin. Erfolgreich. Eine der besten Strafverteidigerinnen in Los Angeles. Was keiner weiß und was auch niemand wissen darf: Die Mittdreißigerin lebt deshalb so abgeschottet von allem und jedem, weil sie ein Geheimnis hat, das keinesfalls an die Öffentlichkeit geraten darf. Sonst wäre es vorbei mit dem Job und der Karriere. Und mit ihrem nun endlich halbwegs unbelasteten Leben.
Denn Maya Seale ist die Maya Seale, die vor Jahren dafür sorgte, dass der Angeklagte in einem spektakulären Fall freigesprochen wurde – ein junger Schwarzer, dem zur Last gelegt wurde, ein weißes Mädchen, Tochter eines schwerreichen Unternehmers, getötet zu haben. Ein Chancenloser also. Eigentlich. Wäre da nicht Maya Seale gewesen. Als eine von zwölf Geschworenen hat sie dafür gesorgt, dass alle für "nicht schuldig" plädiert haben, und zwar teils gegen ihre Überzeugung.
Genau in dieser Hinsicht holt Maya in Graham Moore Thrillers "Verweigerung‟ ihre Vergangenheit dann natürlich doch ein: Zum zehnten Jahrestag des Falles will ein Fernsehsender mit allen Beteiligten an den Originalschauplätzen dem Prozess und dem Urteil noch einmal auf den Grund gehen. Treibende Kraft ist Rick, der den Fall wie ein Besessener recherchiert hat. Ihr Kontrahent von damals – und möglicherweise auch ihr heimlicher Geliebter.
Maya möchte nicht, aber sie kann sich der Produktion nicht entziehen. Sie wäre die Einzige, und die Partner der Kanzlei wünschen die Publicity. Nach all den Jahren treffen Maya und Rick in ihrem Zimmer also wieder aufeinander. Es kommt zum Streit. Maya verlässt wutentbrannt den Raum. Als sie zurückkehrt, liegt Rick tot auf dem Boden. Sie, die Staranwältin, ist plötzlich eine Hauptverdächtige in einer Mordermittlung. Und alle Indizien sprechen gegen sie.

Die US-Gesellschaft wird durchleuchtet

Sehr gewitzt und geschickt, wie Graham Moore das Muster des Justizthrillers mit seinen fixen Koordinaten nutzt und weitet, um die amerikanische Gesellschaft und das Justizsystem gleich auf mehreren Ebenen zu durchleuchten und zu hinterfragen. Denn natürlich muss die Ermittlerin in eigener Sache sowohl den aktuellen wie auch den "historischen" Fall klären, um den eigenen Hals irgendwie aus der Schlinge zu ziehen. Und dazu müssen die Geheimnisse ans Licht, die ausnahmslos alle Beteiligten zu verbergen suchen.
Graham Moore erzählt von alldem angenehm entspannt und unaufgeregt. Er liefert Genre-Unterhaltung im allerbesten Sinn und zeigt dabei fast spielerisch auf, welche Problematiken ein Rechtssystem hat, das auf Geschworenengerichte baut – und was für ungeheure Konsequenzen daraus erwachsen können, solch einen Dienst an der demokratischen Gemeinschaft tun zu müssen.
Für den besonderen Thrill sorgt eine kleine Botschaft, die der Autor für seine geneigte Leserschaft zwischen den Zeilen stets präsent hält, egal welches Rechtssystem für sie zuständig ist: So leicht und so schnell kannst du in die Mühlen der Justiz geraten. Und du musst verdammt kreativ und tough sein, um lebend wieder herauszufinden. Wenn überhaupt.

Graham Moore: "Verweigerung‟
Aus dem amerikanischen Englisch von André Mumot
Eichborn, 2020
396 Seiten, 22 Euro

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