Gothas schlummernde Schätze

Von Blanka Weber · 02.11.2010
Thüringen profitiert im Tourismus vom reichen kulturellen Erbe seiner Städte, allen voran Weimar mit seiner Klassik. Doch auch Städte wie Gotha hüten manch unentdeckten Schatz - abseits der Touristenströme. Das soll sich jetzt ändern.
Er macht keinen Hehl aus seinem Unmut. Wirtschaftsminister Matthias Machnig, zuständig für Thüringens Tourismus, sieht die Schätze Gothas deutlich im Dornröschenschlaf und bleibt dennoch diplomatisch:

"Wir haben enorme Kulturschätze. Die müssen in den nächsten Jahren auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden durch Ausstellungskonzepte. Ich glaube, dass damit Thüringen als Kultur- und Tourismusland enorme Chancen hat."

Mit seiner Kritik steht der Wirtschaftsminister nicht alleine. Auch die Stadt Gotha möchte endlich – ganz nach dem Weimarer Modell – einen Leuchtturm der Kultur haben. Einen, der über die Thüringer Grenzen hinausstrahlt und Touristen anzieht. Eine starke, vom Bund getragene Stiftung Friedenstein als Marke wäre vielleicht DIE Lösung, dann gäbe es auch die "Kultur als Wirtschaftsfaktor". Und das wäre wieder im Sinne des Ministers:

"Das ist auch eine Frage von Kapazitäten, finanziellen Ressourcen. Aber wir müssen darauf achten, dass solche Leuchttürme, touristische und kulturelle, auch in der angemessenen Geschwindigkeit, so entwickelt werden, dass sie ein Anziehungspunkt sind."

Derzeit teilen sich mehrere Akteure das Terrain und somit den historischen Schatz: Die Stiftung Friedenstein mit Schloss und Museum gehört der Stadt und dem Land. Die Forschungsbibliothek hingegen wird seit elf Jahren von der Universität Erfurt verwaltet. 2003 kam der Perthes Nachlass – im Auftrag des Landes - hinzu: Eine historische karthografische Sammlung, die für sich als Raritätenschatz gilt.

Doch die Forschungsbibliothek hat weit mehr zu bieten: Etwa 570.000 Bände mit 10.000 abendländischen und orientalischen Handschriften, 350.000 Drucke des 15., 16. bis 18. und 19. Jahrhunderts. Die historischen Bücher stammten einst aus der Landesbibliothek des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg. Den Grundstein legte Herzog Ernst der Fromme im 17. Jahrhundert. Von einem "barocken Universum" ist die Rede. Doch dieses Universum ist derzeit unter wissenschaftlicher Obhut, fernab vom Scheinwerferlicht großer Vitrinen.

Für den Kanzler der Universität Erfurt ist es eine Basis für wissenschaftliches Arbeiten:

"Wir sind als Universität eine Einrichtung des Wissenschaftsministers und wir haben ganz klar einen bildungspolitischen Auftrag. Unsere Kernaufgaben liegen in Forschung und Lehre und im Rahmen dieses Kernauftrages betreiben wir die Forschungsbibliothek Gotha nicht als eine museale Einrichtung, sondern als etwas, was bibliothekarisch erschlossen werden muss, um dann von Wissenschaftlern erforscht zu werden."

Genau das ist der Knackpunkt: Das Erschließen der Bücherschätze und das Personal dazu. Zwar wurde extra für Gotha eine Junior-Professur geschaffen und Personalstellen umgeschichtet, doch genug sei das nicht, weiß auch Michael Hinz:

"Und wir mussten die Mittel für die Forschungsbibliothek Gotha aus unserem Uni-Etat herausnehmen. Und da konkurrieren natürlich Ausgaben in Gotha mit unseren anderen Aufgaben in Forschung und Lehre."

Nun geht es um einen Extrastatus, das heißt auch ein Extrabudget für die historischen Bücher. Eine Trennung des edlen Bestandes in einen Part für die Wissenschaft und einen, der gezeigt werden könnte, sei keine gute Idee, meint der Kanzler der Universität Erfurt:

"Ich glaube, eine solche Trennung wäre künstlich, zumal wir auch ganz klar sagen müssen, wenn andererseits Interesse geäußert wird seitens der Stiftung Schloss Friedenstein, da ist es primär nicht nur Interesse an unseren Schätzen, sondern an unserem Geld, Geld der Uni. Und das werden wir auf gar keinen Fall zulassen, dass es innerhalb des Ressorts des Wissenschaftsministers zu einer Umverteilung kommt."

Man sei sich der Verantwortung durchaus bewusst, heiß es von Seiten der Universität. Doch Kulturtourismus gehöre nicht zu den primären Aufgaben:

"Eine Ausstellung ist für uns ein Nebeneffekt. Aber sicherlich keine Priorität."

Dabei ist der Schatz in großen Teilen noch nicht einmal erschlossen und wird es mit den begrenzten Mitteln auch nicht werden.

Die Stadt Gotha sieht ihren heimlichen Leuchtturm als blasses Etwas und nicht als barockes Universum, was es eigentlich sein könnte und auch sollte, wenn es nach dem Oberbürgermeister ginge.

Eine gemeinsame Trägerschaft für die historischen Bestände könnte es geben, sagen diejenigen, die den Schatz gerne ins Scheinwerferlicht setzen möchten, ihn aber nicht besitzen. Jetzt ist das Land gefragt. Und nicht nur der Wirtschaftsminister wird hier diplomatisch agieren müssen:

"Wir haben viele Leuchttürme. Und alle müssen auch entsprechend angestrahlt werden, um ihre Strahlkraft entwickeln zu können. Darum geht es mir."