Gold als Anlage

Umstrittene Krisenwährung in unsicheren Zeiten

29:22 Minuten
Ein Arbeiter hält einen Ein-Kilogramm-Goldbarren in den Händen.
In Krisenzeiten setzen viele Anleger auf Gold, aber der Glanz der Barren täuscht. © AFP / David Gray
Von Benjamin Dierks · 12.12.2021
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163 Tonnen Gold – so viel haben deutsche Anleger im Krisenjahr 2020 gekauft. Damit steht die Bundesrepublik auf Platz zwei nach China. Aber das edle Metall ist nicht so lukrativ und krisenresistent, wie viele glauben. Die Herkunft ist oft dubios.
Eine Frau und ein Mann setzen sich, beide im Rentenalter. Er holt mehrere Schatullen aus einem braunen Lederkoffer und reicht sie seiner Frau. Sie öffnet eine Schatulle und stellt sie auf den Tisch. Darin sind goldene Ketten, Armbänder, Ringe und Uhren. Einige von ihnen sind mit Edelsteinen besetzt.
Gegenüber am golden gestrichenen Beraterpult sitzt Robert Erdinc, vor sich eine Goldwaage. Kurze dunkle Haare, grauer Pulli und Jeans. Legerer Typ. Er lehnt die Arme auf das golden gestrichene Pult und blickt in die Schatullen. Die Frau reicht ihm einen Stapel Zertifikate. Erdinc erklärt erst mal:
"Wir bedienen hier Geschäftskunden wie Privatkunden. Beide kommen an den Ladentisch, bieten ihr Material an. Wir rechnen dann aus, je nachdem, die Börse läuft ja den ganzen Tag über, und dann wird dementsprechend, wie der Kurs ist, ausbezahlt."
Erdinc leitet die "Degosi Scheideanstalt", sie liegt in einem kargen Büroklotz aus Beton in Berlin Mitte. Nichts deutet von außen darauf hin, welche Schätze im ersten Geschoss die Besitzer wechseln.

Enttäuschte Kundin - nur der Materialwert zählt

Erdinc begutachtet die Zertifikate seiner Kundin, nimmt die Schmuckstücke und legt sie auf seine Goldwaage. Mit einem Taschenrechner rechnet er den Materialwert aus: 4000 Euro. Die Besitzerin ist sichtlich enttäuscht. Sie habe das Vierfache für den Schmuck bezahlt, berichtet sie.
Erdinc erklärt ihr, dass sie bei Goldschmuck nicht nur den Materialwert bezahlt, sondern auch die Arbeit des Goldschmieds und den Markennamen der Hersteller. Sein Rat an die Kundin: Besonders kostbare Stücke oder eine goldene Uhr sollte sie lieber einem Juwelier verkaufen. Für ihn zählt nur das pure Gold.
Robert Erdinc steht am Schmelzofen.
Robert Erdinc ist der Geschäftsführer der Digosi-Scheideanstalt in Berlin.© Deutschlandradio / Benjamin Dierks
"Bei uns im Hause ist es so, dass wir praktisch alles einschmelzen. Wir können dann nach dem Schmelzen auch exakt analysieren, was drin ist", so Erdinic. Auch kleine Edelsteine wandern mit in den Schmelzkübel und verbrennen. Das Gold verkauft Erdinc dann wieder. Unabhängig davon, ob die Kunden Gold verkaufen oder kaufen möchten, hier werden sie fündig.
Erdinics Betrieb ist ein Familienunternehmen. Sein Vater eröffnete einst ein Juweliergeschäft in Berlin-Neukölln. Seine drei Söhne bauten das Geschäft aus, gründeten den Goldhandel und die Scheideanstalt.
"Man kann sagen, wir haben einen krisensicheren Job. Die Dame eben, es ist ja nicht so, dass sie Geld brauchte. Sie mistet aus. Der andere hat Geldprobleme, dann verkauft er. Auf der anderen Seite kommt jemand und sagt, ich habe Geld und will es investieren. Im letzten Jahr ist der Goldkauf extrem gestiegen, bedingt durch die ganze Krise, durch die Angst: Was passiert mit meinem Geld, verfällt es, wo geht die Reise hin? Und durch diese Angst haben sehr viele Leute investiert."

Blick in die Schmelzwerkstatt

An einer Seite des Verkaufsraums können die Kunden durch eine Glasscheibe in die Schmelzwerkstatt blicken. Dort schlägt ein Mitarbeiter Erdincs mit einem schweren Hammer auf eine silberne Sauciere ein. Auch Silber wird hier eingeschmolzen. Das Geschirr muss klein geschlagen werden, damit es in den Schmelztiegel passt. Erdinc öffnet die golden gestrichene Tür zum Schmelzraum.
"Was man jetzt hört, das Piepen, das ist der Schmelzofen. Das ist ein Signal, wenn es ein durchgehendes Piepen ist, dass man weiß, dass er die Temperatur, die wir eingestellt haben, noch nicht erreicht hat. In dem Moment, in dem er die Temperatur erreicht, hat man immer noch ein Piepen, aber wie ein Signal nur noch, also tiet, tiet, tiet. Der Schmelzer weiß dann: Die Temperatur ist erreicht. Und er kann dann anfangen, das Material auszukippen."
An der gegenüberliegenden Wand steht der Schmelzofen, eine Art schwere Werkbank, die nach oben hin mit einer Haube aus Metall abgeschirmt ist wie eine Fritteuse in einem Schnellimbiss. In der Mitte der Arbeitsfläche ist ein Kübel eingelassen, dessen oberer Rand durch die Hitze angefangen hat zu glühen.
Ein Arbeiter hält einen Graphitstab in einen Schmelzofen voller geschmolzenen Goldes.
Der Schmelztiegel ist aus Graphit - daran bleibt kein Edelmetall haften.© AFP / Sam Panthaky
Erdincs Mitarbeiter gräbt sich mit einer metallenen Schaufel in einen Haufen Schmuck, der in einer Wanne aus Plastik liegt. Er führt die Schaufel zum Ofen und lässt die Ketten, Ringe und Armreife langsam in den Schmelztiegel gleiten. Darin verschmelzen sie zu einer glühenden Masse. "Jetzt muss man warten, bis das Obere wegschmilzt, sodass er dann nachschütten kann. Hier unten haben wir die Temperaturanzeige, die ist jetzt gerade bei 900 Grad."
Ein gutes Viertel des Goldes, das 2020 auf dem Weltmarkt angeboten wurde, war nach Angaben des Lobbyverbands "World Gold Council" Recyclinggold, das in Scheideanstalten wie dieser aufbereitet wurde: Schmuck, Zahngold, Münzen. Die einen machen Gold zu Barem, die anderen verwandeln Bares zu Gold.
Rund 1700 Dollar oder 1450 Euro kostet die Feinunze Gold derzeit, also 31,1 Gramm, das Standardmaß für Edelmetalle. Gold ist vor allem in unsicheren Zeiten beliebt, wie in der Coronakrise. Mehr als 163 Tonnen Gold kauften deutsche Anleger 2020, zählt der World Gold Council. Das ergibt einen Gegenwert von rund 7,5 Milliarden Euro. Nur in China wurde noch mehr Gold gekauft.

Die Reinheit des Goldes

"Der ganze Dreck, die Steine, verbrennt alles. Der Tiegel ist aus Graphit, der Rührstab ist aus Grafit und der Einguss ist aus Graphit. Das heißt, der Dreck bleibt dort hängen, aber kein Edelmetall bleibt dort haften."
Erdincs Kollege umgreift nun den Schmelztiegel mit einer langen Zange, hebt ihn vorsichtig an und gießt den glühenden Inhalt in den vorgewärmten Einguss, die schwere Barrenform, die danebensteht. "Alles kommt sauber rausgeflossen. Wenn wir es dann im Graphittiegel haben, ist es noch heiß, dann lässt man es abkühlen."
Nachdem der Barren fest geworden ist, klopft der Schmelzer ihn aus der Form und gibt ihn in ein mit Wasser gefülltes Becken. Zuletzt muss Erdinc wissen, ob sein Barren durchgängig denselben Reinheitsgrad hat. "Wir schleifen hier zwei Stellen an, bis es glatt ist. Das sind die Punkte, wo wir nachher analysieren."
An den zwei Schleifpunkten oben und unten am Barren misst der Schmelzer nun, ob die Reinheit diagonal durch den Barren homogen ist.
"Der zweite Gang, das machen wir nicht hier im Hause, das wird dann extern gemacht, ist praktisch die chemische Aufarbeitung."
Dabei werden die Fremdmetalle aus dem Gold gelöst. Erst dadurch ergibt sich die für Anlagegold nötige Reinheit von 999,9 Karat, das Feingold, das dann als Barren und Münzen wieder in den Verkauf geht — und schließlich in den Depots von Anlegern wie Veit Etzold landet.

Währungen können auch mal verschwinden

Der Krimiautor Veit Etzold sitzt an einem schweren, aufwendig gearbeiteten Schreibtisch aus massivem Holz. Die Arbeitsfläche ist mit Leder bezogen. Solides Tischlerhandwerk. "Das ist die Aufgabe von Thriller-Autoren, immer mit dem Schlimmsten zu rechnen. Ich sage mal: Das Paranoia-Prinzip, was kann alles schiefgehen?"
In der Finanzwelt kann vieles schiefgehen. Das hat Etzold von der Pieke auf gelernt. Er schreibt nicht nur Bücher, sondern war in seinem vorherigen Leben auch Vermögensberater.
"Ich glaube, das war zu Beginn der Finanzkrise, wo man ein bisschen vor Augen geführt bekommen hat: Währungen können auch mal verschwinden. Und das wird immer alles so für selbstverständlich genommen."
Porträt von Veit Etzold an seinem Schreibtisch.
Bevor Veit Etzold Thriller schrieb, war er Vermögensberater - und entschied sich in Gold zu investieren.© picture alliance / Rolf Kremming
Damals hat Etzold beschlossen, in etwas Solides zu investieren - Gold. Als er es kaufte, fragte er sich, ob er in Goldzertifikate an der Börse investieren sollte, also quasi in Papier-Gold, oder lieber in physisches Gold. Er entschied sich für die handfeste Variante.
"Ich finde, wenn schon, denn schon, dann ruhig real. Das waren so kleinere Barren. Es ist schon ein besonderes Gefühl. Es ist etwas anderes als eine Kreditkarte oder einen Kontostand digital zu sehen. Auch gerade in dieser Digitalisierung von Werten, Cryptocurrecies und Bitcoin, was mit Zentralbanken gar nichts mehr zu tun hat, ist wahrscheinlich eine Sehnsucht nach greifbaren Vermögenswerten da."

Gold weckt Emotionen

Auch einen südafrikanischen Krügerrand besitzt Etzold, neben dem Maple Leaf aus Kanada, dem American Eagle und dem Wiener Philharmoniker die bekannteste Goldmünze weltweit.
"Ich glaube, die Story ist bei Gold ganz wichtig", sagt er. "Gold romantisiert. Gold ist was Emotionales. Gold ist ganz viel in allen möglichen Sagen in der Geschichte thematisiert worden. Wir sehen, dass Gold ein Jahrtausende altes Zahlungsmittel ist."
Gold, so die Hoffnung, bleibt auch im Wert bestehen, wenn alles andere zusammenbricht. Wenn die Börse abschmiert oder die Inflation steigt. Wenn ein Schuldenberg kollabiert oder gleich eine ganze Währung. Außerdem hat der Goldpreis seit der Jahrtausendwende um knapp 500 Prozent zugelegt. Ein blendendes Geschäft. Aber wird Gold den Erwartungen gerecht?
Was Thriller-Autor Etzold manchmal zum Grübeln bringt: Wenn es wirklich mal hart auf hart kommt, wie soll es dann eigentlich funktionieren mit Gold als Notwährung?
"Die Frage ist, wie kann man etwas mit einem Goldbarren bezahlen, wenn es weniger kostet als der Goldbarren. Zersäge ich ihn dann? Das Währungssystem ist zusammengebrochen, ich muss vom Bauern Lebensmittel kaufen in Gold. Das sagt sich immer so leicht mit Reservewährung. Es muss auch in der Stückzahl vorhanden sein, wo ich auch komfortabel Dinge kaufen kann, ohne gleich alles loszuwerden."
Tatsächlich bieten Händler für alle, die Angst haben, dass sie eines Tages ihre Kartoffeln mit Gold bezahlen müssen, auch kleinste Einheiten an. Plättchenbarren aus Teilen zu je einem Gramm sind nach derzeitigem Kurs ungefähr 45 Euro wert, die sich im Notfall abtrennen lassen. Sie sind im Verhältnis teurer, weil Kosten für Prägung und Bearbeitung bei kleinen Barren stärker ins Gewicht fallen.
Als gelernter Anlageberater hält Etzold es aber wie die meisten Goldanleger. Sie haben einen kleinen Teil Edelmetall im Portfolio neben anderen Anlageklassen wie Aktien, Fonds oder Anleihen, um es in der Krise gegen allzu große Wertschwankungen abzusichern.
Er sagt: "Viele Deutsche haben Gold, weil man es halt so hat. Ich bin da auch nicht so emotional, dass ich sage: Gold muss unbedingt sein. Von daher ist das meiner Ansicht nach einfach eine vernünftige Depotbeimischung, wo man sich überlegen kann, mache ich das mit Goldaktien, mit Minenaktien. Der Vorteil ist halt: Physisches Gold können Sie nach einem Jahr steuerfrei verkaufen."
Wer hingegen Gold-Wertpapiere verkauft, muss auf die Gewinne Abgeltungssteuer bezahlen. Ausgenommen von der Regel sind Wertpapiere, die den Sparern einen Anspruch auf die Lieferung von physischem Gold einräumen.

Das "Goldhaus" am Stadtrand von München

Experten raten, Gold allenfalls als stabilisierenden Anteil zu halten. Da der Goldpreis sich oft entgegengesetzt zum Aktienmarkt entwickelt, kann Gold Schwankungen im Portfolio leicht abschwächen.
Etzold ist ein recht nüchterner Anleger. Aber so ganz lässt ihn der Gedanke an die Krise nicht los. Denn die nächste Frage, die sich der Anleger stellte, war: Wohin mit dem Gold?
"Die Frage ist: Sollte man es bei der Bank lagern? Wenn alle jetzt glauben, die Währung bricht auseinander, dann wollen sie alle an ihr Geld und ihr Geld in irgendwas umtauschen. Da wollen sie also alle an die Geldautomaten. Und damit die Bank nicht erschlagen wird von diesen Abbuchungswünschen, wird die Bank zugemacht, und damit auch das Schließfach.
Das heißt: Mit einem Bankencrash rechnen, deshalb Gold kaufen, das Gold im Schließfach aufbewahren, das macht den Bock so ein bisschen zum Gärtner. Das sollte man nicht machen. Entweder zu Hause im Safe oder bei einem Goldhändler."
Etzold entschied sich für einen Goldhändler. Einer der größten von ihnen ist "Pro Aurum". Robert Hartmann ist einer der Gründer und Geschäftsführer. Das Unternehmen unterhält Filialen in allen großen Städten Deutschlands. Seinen Hauptsitz hat es am östlichen Stadtrand von München. Das "Goldhaus" ist nicht nur ein Firmensitz, sondern auch ein weithin sichtbares Statement.
Die Firmenzentrale von Pro Aurum in München-Riem sieht aus wie ein riesiger Goldbarren.
In Krisenzeiten reicht die Warteschlange vor der Münchener Firmenzentrale von "Pro Aurum" schon mal bis auf die Straße.© imago / HRSchulz
"Wenn sie von oben auf das Gebäude sehen, sieht es aus wie ein Goldbarren. Wenn kein Parteienverkehr in dem Gebäude ist, werden an den Seiten eine Art Rollladen heruntergelassen. Das sollte Sicherheit verdeutlichen, sodass es wirklich aussieht wie ein Goldbarren."
Doch damit der Symbolik nicht genug, die Abmessungen des Gebäudes sollten auch ungefähr dem Volumen des Goldes entsprechen, das bis zum Bau des Gebäudes vor gut zehn Jahren weltweit gefördert worden war.
Seither ist noch einiges dazu gekommen. Rund 200.000 Tonnen sind es insgesamt. Ein Würfel mit knapp 22 Metern Seitenlänge wäre das. Wenn sich im Münchner "Goldhaus" die Tore senken, sieht der schimmernde Block aus wie ein Fort, das nach allen Seiten abgesichert ist. Dazu Hartmann:
"Wir lagern erhebliche Goldmengen für unseren Kunden ein. Wir haben natürlich die höchsten Sicherheitsstandards. Es war uns wichtig, das auch zu visualisieren und ein Signal nach außen zu geben, dass die Leute sich auf uns verlassen können."
Das Signal wirkt offenbar. Wenn die Nachfrage besonders hoch ist, bilden sich vor dem "Pro-Aurum-Haus" mitunter sogar Warteschlangen, die bis auf die Straße reichen. "Wenn man sieht, wann wir diese Schlangen hatten, das war zum Höhepunkt der Finanzkrise 2011, 2012.", erinnert sich Hartmann.
"Das war Ende 2019, als die Bargeldgrenze für anonyme Goldkäufe abgesenkt worden ist. Und jetzt eben auch im April 2020 nach der ersten Lockdown-Phase der Corona-Pandemie. Also das sind schon Momente, die den Anleger ein bisschen emotional werden lassen. Und das hat sicherlich damit zu tun, dass das dann die Zeit ist, in der sich die Schlangen bilden."

Es gibt lukrativere Anlagemöglichkeiten

Bis August 2020 kletterte der Goldkurs auf ein neues Rekordhoch - 2070 Dollar kostete damals die Feinunze. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor lag der Preis noch rund 500 Dollar niedriger. Hartmann erklärt den dramatischen Anstieg so: Die Nachfrage stieg und gleichzeitig brach das Angebot als Folge der Reise- und Transportbeschränkungen deutlich ein.
"Da sind Lieferketten zerbrochen. Wenn man sich vorstellt, dass die größten Goldbarrenhersteller Europas in der Schweiz sitzen, nahe der der italienischen Grenze, und 60 bis 70 Prozent der Mitarbeiter aus Italien kommen und dann nicht mehr in die Arbeit kommen konnten, weil die Grenzen zu waren, hat das natürlich einen negativen Einfluss auf die Versorgungslage, auf die Produktion.
Wir hatten auch große Probleme, Münzen aus Kanada, aus Südafrika oder Australien einfliegen zu lassen, weil einfach kein Flugzeug abgehoben hat. Das hat diesen physischen Markt extrem verengt und die Aufgelder extrem steigen lassen. Das haben wir vorher so noch nie erlebt. Es hat sich natürlich im Preis widergespiegelt. Der ging sehr schnell nach oben."
Seither ist der Kurs wieder deutlich gefallen, auf zwischenzeitlich unter 1700 Dollar die Feinunze, was Hartmann noch nicht allzu nervös macht. "So gesehen hat der Goldpreis das gemacht, was er soll in solchen Phasen: Er ist angestiegen und konsolidiert diesen Anstieg im Moment."
Gold gilt vielen als sicherer Hafen, die Anlage hat aber auch Nachteile. Gold wirft keine Zinsen ab, unterliegt starken Schwankungen und die Aufbewahrung kostet. Wenn sich Konjunktur und Aktienkurse wieder erholen, stecken viele ihr Geld deshalb lieber wieder in lukrativere Anlagemöglichkeiten.
Der Goldpreis legte in der Vergangenheit im Jahresmittel wesentlich weniger zu als etwa ein gut aufgeteiltes Aktienportfolio. Auch im Krisenjahr kamen nicht unbedingt die besser weg, die ihr Geld in Gold angelegt haben. Gold-Anleger und Krimiautor Etzold verfolgt die Kurse von seinem massiven Schreibtisch aus genau:
"Wenn man im letzten Jahr Anfang des Jahres in Tesla investiert hätte — wo ja alle sagen würden, oh, gefährlich, weg damit, geh lieber in Gold — hätte man den Wert verzehnfacht, oder auch in den Nasdaq gegangen wäre oder Dow Jones, alles hat am Ende — abzüglich des Crashs im letzten März — im Plus abgeschlossen. Selbst der Dax. Also wäre man um einiges reicher, als wenn man Gold gekauft hätte."

Crash-Szenarien spielen mit der Angst

Das steht im Gegensatz zu dem angeblich nahenden Zusammenbruch, den einige Köpfe auch aus der Edelmetallbranche prophezeien. Staatsbankrotte, Hyperinflation und der Zusammenbruch des Euros — das sind einige der Crash-Szenarien, die in zahlreichen Büchern gezeichnet werden, die es immer wieder auf die Bestsellerlisten schaffen. Lieblingsfeinde sind dabei: die Europäische Zentralbank mit ihrer Niedrigzinspolitik und die Bundesregierung.
"Es wurden schon so viele Crashs vorhergesagt, und die einzigen, die an diesen Crashs verdienen, sind die, die Bücher über den Crash schreiben, der dann nie kommt", so Etzold. "Von daher ist da Vorsicht geboten. Es wird schon seit Monaten gesagt, die Märkte sind überhitzt. Die rennen aber immer noch von einem Rekord zum anderen."
Bleibt die Frage nach der Sicherheit: Ist Gold wirklich der Fels in der Brandung, wenn alles mitgerissen wird? Dagegen spricht eine der Tücken des Goldes, vor der Experten und Verbraucherschützer warnen: Gold hängt nicht wie eine Aktie an einem Unternehmen, das bestenfalls aus sich heraus Wert schöpft. In der Industrie — abgesehen vom Schmuck — ist sein Einsatz im Vergleich zu anderen Edelmetallen verschwindend gering. Und statt Zahngold wird heute häufig Keramik verwendet[1] .
Das lässt auch Etzold zweifeln: "Die Dinge sind das wert, was die Leute dafür zu zahlen bereit sind. Und wenn irgendwann jahrelang keiner mehr was für Gold bezahlt, ist auch Gold nichts mehr wert, egal ob es jetzt Gold ist oder nicht. Das ist halt auch eine traurige Wahrheit. Dinge haben genau genommen keinen inhärenten Wert."
Der Goldpreis steigt demnach einfach so lange, wie die Anleger glauben, dass er steigt. Der Wert bleibt auch hoch, weil die Staaten Gold künstlich knapp halten. Die Bundesbank allein hält 3364 Tonnen Barren. Nur die USA besitzen mehr: 8133 Tonnen.
Die deutsche Reserve stammt aus den 1950er-Jahren, aus der Zeit der Bretton-Woods-Systems. Damals übertrugen Länder mit Außenhandelsdefizit jenen mit einem Überschuss Gold. Heute soll es Vertrauen schaffen und gegen Währungsrisiken schützen, sagt die Bundesbank. Würden die Banken ihr Gold verkaufen, käme der Goldpreis schnell ins Trudeln.

Goldminen verursachen schlimme Umweltschäden

Der Glaube an das Gold hat weitreichende Folgen: Zwar betonen Branchenvertreter gerne, dass ein großer Teil des gehandelten Goldes recycelt sei, also eingeschmolzen wurde. Aber Tatsache ist, dass über die vergangenen zwanzig Jahre mehr als zwei Drittel des weltweiten Bedarfs neu gefördert wurden. Im vergangenen Jahr waren es 3400 Tonnen.
Noch 50.000 Tonnen stecken gängigen Schätzungen zufolge in der Erde. Die Förderung bringt erhebliche Schäden für Menschen und Umwelt mit sich. Für den Abbau von Golderz werden gewaltige Minen angelegt, oft mehrere Quadratkilometer groß. Zwar verpflichten die großen Hersteller sich in Verhaltenskodizes zu Nachhaltigkeit und Menschenrechten. Die richteten aber oft nicht viel aus, sagt Florian Harkort, der das Unternehmen "Fairever" für fair gehandeltes Gold in Leipzig führt.
Harkort sagt: "Gold, das im großindustriellen Bergbau abgebaut wurde, hinterlässt Kraterlandschaften in Entwicklungsländern. Meistens sind es multinationale Konzerne, die da tätig sind, die einen guten Deal mit der Regierung schließen. Oft ist leider auch Korruption im Spiel. Das Geld fließt nicht wirklich der Bevölkerung zu.
Die Bevölkerung vor Ort wird eher vertrieben und profitiert nicht vom Bergbau. Und wenn die Goldader erschöpft ist, zieht der Konzern wieder ab. Die Wertschöpfung im Land ist äußerst gering. Stattdessen werden vor allem Schäden hinterlassen."
Das meiste Gold wird in China, Russland, Australien und den USA abgebaut. Aber auch in Ländern wie Peru oder Indonesien, wo die Minen Wüstenlandschaften mitten im Regenwald hinterlassen. In den Minen werden Chemikalien wie Zyanid und Quecksilber eingesetzt, um das Gold vom Gestein zu lösen.
Der Agrarökonom Harkort arbeitete einst als Entwicklungshelfer in Äthiopien. Dort bekam er mit, wie es im unregulierten Kleinbergbau zugeht, wo sogar Kinder in den Stollen schuften und ungeschützt mit giftigen Chemikalien gearbeitet wird. Harkort beschloss, ein Unternehmen zu gründen, um Gold fair zu fördern und zu vertreiben. Dafür schlägt er rund 20 Prozent auf den Goldpreis auf.
"Was man heute bei uns kaufen kann, sind im Anlagebereich eine kleine Münze und ein Barren mit einer Unze Gewicht. Und im Schmuck- und Juweliergeschäft sind das Drähte, Bleche, vieles, was der Goldschmied gebrauchen kann."

Faires Gold - gibt es das?

Eine Unternehmerin, die ihren Schmuck ausschließlich aus fair gehandeltem und recyceltem Gold herstellt, ist Guya Merkle. Sie hat ihr Homeoffice am Küchentisch ihrer Berliner Altbauwohnung eingerichtet. Ein Laptop steht auf dem Tisch, daneben einige Schachteln mit Schmuck und Materialien.
An der großzügigen Kochinsel in der Mitte der Küche hat Merkle schon manch eine Kundin bekocht — mit Pasta, weil ihre Großmutter Italienerin war. "Von meiner Großmutter habe ich so eine Box mit Edelsteinen vererbt bekommen. Und ich sage immer, ich will nichts im Safe herumliegen haben. So fing es an, dass ich Kunden eingeladen habe, für sie gekocht habe und die durften sich in der Zwischenzeit ihre Edelsteine aussuchen."
Merkle kam über Nacht ins Schmuckgeschäft, als vor neun Jahren ihr Vater überraschend starb. Sie übernahm das vom Großvater gegründete Schmuckunternehmen — und fuhr es geradewegs an die Wand. Aber sie wollte sich nicht einfach geschlagen geben und belegte Kurse über Juwelierhandwerk und Schmuckgeschäft am renommierten "Gemological Institute of America" in Kalifornien. Und sie wollte wissen, wo die Industrie ihre Rohstoffe herbekommt.
Ein Klumpen Rohgold wird in einer Schale über Kohlen erhitzt.
Der gefährlichste Prozess bei der Arbeit in der Mine ist das Erhitzen des Rohgoldes. Dabei verdampft das hochgiftige Quecksilber und das Gold erhält seine übliche Farbe.© picture alliance / AA / Pablo Parra
Als Merkle daraufhin in Peru eine Goldmine besichtigte, bekam auch sie mit, wie Gold im Kleinbergbau gefördert wird.
"Auffällig war der beißende Geruch. Die Leute im herkömmlichen Small-Scale-Mining haben relativ wenig Equipment und wissen nicht, wie man verantwortungsbewusst Gold aus der Erde holt. Das heißt, die fassen das Quecksilber wirklich mit der Hand an, die atmen die Dämpfe ein beim Verbrennen."
In einer Mine in Uganda beobachtete sie danach ähnlich dramatische Zustände. Ein wenig von dem geförderten Gold brachte Merkle mit. Es liegt vor ihr in einer kleinen Dose auf dem Küchentisch.
"Das hier ist Gold, so wie es aus der Mine kommt. Das kommt aus Uganda aus einer Minenregion. Ich glaube, dass Sie, wenn Sie daran vorbeilaufen würden auf der Straße, sich nicht bücken würden, um es aufzuheben. Es glänzt null, es ist eher so ein bisschen dreckig, bräunlich, porös, nicht sonderlich spannend."
Um so zu glänzen wie die fertigen Nuggets in dem Beutel daneben, müsste das rohe Feingold weiterverarbeitet werden. Mit ihrer Probe aus Uganda hat Merkle es aber vergeblich versucht. In Deutschland nimmt keine Raffinerie solches Gold an. Es ist zu stark durch Quecksilber belastet.
Sie sagt: "Und wenn man das vor Ort live sieht, verliert man schon den Glauben an die Welt, weil man denkt: Wie kann es so ungleich sein, das Endprodukt und die Quelle des Ganzen? Im ersten Moment hatte ich tatsächlich das Gefühl: OK, zum Glück ist die Firma pleite. Und im zweiten Moment dachte ich, das kann ich so nicht stehenlassen. Ich möchte das angehen. Ich hatte zwar keine Ahnung, wie, aber ich habe daraufhin mein eigenes Unternehmen gegründet."

Alternativen für die Zukunft

Zwischen 20 und 25 Millionen Menschen arbeiten in solchen kleinen, meist vollkommen unregulierten Minen. Rund ein Viertel des jährlich geförderten Goldes stammt aus diesem Kleinbergbau.
Große Abnehmer beziehen ihr Gold aus dem industriellen Bergbau und haben sich Zertifizierungssystemen verschrieben, die einen gewissen Schutz von Mensch und Natur verlangen. Sie beziehen ihr Gold deswegen nicht direkt aus dem besonders schädlichen Kleinbergbau.
Aber Merkle ist sicher, dass es über Umwege trotzdem zu ihnen gelangt. Mit ihrem Unternehmen will sie zeigen, dass es anders geht. Sie verwendet nur fair gefördertes wie gehandeltes Gold und am liebsten recyceltes. Vor ihr liegen einige filigrane Ketten, die sie ausschließlich mit wiederverwendeten Goldplatinen aus gebrauchten Handys hergestellt hat.
"Das ist für mich die totale Erfolgsgeschichte. Denn wenn man es schafft, aus einem elektronischen Teil ein emotionales Schmuckstück zu machen, ist es das, wo ich die Zukunft sehe."
Geschätzt 200 Millionen ausgediente Handys verstauben ungenutzt allein in Deutschland. Daraus ließen sich rund sechs Tonnen Gold gewinnen. Nach ihren Reisen nach Peru und Uganda fragte Merkle sich, wie für sie die perfekte Goldmine aussähe. "Dann kam doch der sehr philosophische Ansatz zu sagen, eigentlich ist die perfekte Mine keine Mine."
Ihr Ziel: Das Gold im Boden lassen. Mit der von ihr gegründeten "Earthbeat Foundation" arbeitet Guya Merkle daran, auch andere in der Branche zu sensibilisieren. In Uganda konnten sie und ihre Mitstreiter die erste Mine schließen und den Beschäftigten dabei helfen, andere Einnahmequellen aufzubauen.
Viele der früheren Minenarbeiter verdienen jetzt als Imker ihr Geld. Merkle arbeitet daran, diesen Honig auch nach Deutschland zu holen. Das wäre Gold, das sie ohne Vorbehalte importieren würde.
Die Erstausstrahlung der Sendung war am 4. April 2021.

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