Götz Alsmann über sein Album "In Rom"

"Mehr kann man als Musiker nicht erwarten"

Götz Alsmann schaut zuversichtlich in die Kamera
Der Musiker, Entertainer und Moderator Götz Alsmann © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Moderation: Olga Hochweis · 14.09.2017
Arrangements mit sehr viel Olivenöl und Rotwein: Bei den Songs für "In Rom" sollten keine Fragen offenbleiben, erklärt Götz Alsmann. Aufgenommen hat der Musiker das Album mit seiner Band vor Ort in einem Studio unter einer Kathedrale – das einst Ennio Morricone bauen ließ.
Olga Hochweis: Teil drei seiner Städtetrilogie, nach Paris und New York, hat Götz Alsmann in den Musikkosmos Italiens geführt. "In Rom" heißt das neue Album mit Schlagern und Canzones, interpretiert wieder auf Deutsch. Und da kann man schon gute Laune kriegen bei Titeln wie dem eben gehörten, "Ciao, Ciao, Ciao" – man sieht förmlich die Vespas vorbeirauschen an schönen Piazzas und wild gestikulierenden Menschen. Ganz ruhig sitzt mit nun Götz Alsmann gegenüber. Schön, dass Sie da sind. Benvenuto!
Götz Alsmann: Danke für die Einladung!
Hochweis: Ihr Album, Götz Alsmann, klingt sehr nach Dolce Vita und nach dem, was wir vielleicht auch dafür halten. Oft steckt aber erstaunlich viel Arbeit dahinter, damit Titel so leichtfüßig klingen. Wie war das bei Ihnen?

"Noch kein Album gemacht, in dem ich so viel Mandoline gespielt habe"

Alsmann: Ich habe mich bemüht, in die Arrangements sehr viel Olivenöl und Rotwein einfließen zu lassen. Man will ja auch den Liedern und den Vorgaben gerecht werden. Es ist natürlich so, dass durch den ersten und zweiten Teil dieser Trilogie ein gewisses Klangbild schon etabliert war. Das soll auch so beibehalten sein, aber man versucht natürlich schon, ein paar musikspezifische Elemente hinzuzufügen. Ich denke, ich habe noch kein Album gemacht, in dem ich so viel Mandoline gespielt habe wie hier. Und die Songauswahl spricht ja für sich, dieses volksliedhafte der italienischen Canzonen, dieses besondere Element, das macht, dass man, wenn man ein italienisches Lied hört, das man vielleicht noch nie gehört hat, dass man trotzdem glaubt, mitsingen zu können. Das ist schon sehr einzigartig.
Hochweis: Die Auswahl ist genau das Thema, was ich jetzt auch noch gern ansprechen würde. Sie sollen ja mehrere Monate fast ausschließlich italienische Musik gehört haben. Und dann auf dem Album gelandet sind natürlich berühmte Titel, "Marina", "Volare" oder auch der "Mambo Italiano", aber auch weniger bekannte, also für mich etwa "Non Sei felice", das die junge Mina gesungen hat in ihren Anfängen. Worauf ist es Ihnen denn bei der Auswahl angekommen?
Alsmann: Ich gebe zu, dass ich hier beim dritten Teil dieser Trilogie repertoiremäßig eigentlich gedacht habe, jetzt gehe ich mal voll auf die Zwölf. Beim ersten Teil, in Frankreich, da war es noch so, die eine Hälfte waren recht bekannte Chansons und berühmte Chansons, aber auch ein paar echte Trouvaillen, Entdeckungen, Lieder, die außer mir wahrscheinlich keiner mehr kannte.
Beim Broadway-Album war es nicht ganz so. Das waren schon sehr bekannte Lieder, aber ich hatte doch gedacht, dass die Deutschen mehr Cole Porter und George Gershwin im Hinterkopf haben, als es dann letztlich der Fall war. Viele sagten, das kenne ich gar nicht. Ich sage, doch, das gibt es doch von Ella Fitzgerald, von Frank Sinatra, von Dean Martin, von Mel Tormé. Nie gehört.

"Von vornherein darf da keine Frage offen bleiben"

Aber hier bei diesen italienischen Songs habe ich mir schon gedacht, das muss jetzt auf die Zwölf gehen, auf die Nase gehen, das muss – von vornherein darf da keine Frage offen bleiben, wie diese Musik gemeint ist. Und wenn man "Come Prima" hört und "Volare" und "Mambo Italiano" und denkt, mehr geht nicht, dann kommt immer noch "Azzurro" oder "Ciao Ciao Bambina". Und das sind ja auch Lieder, die nach wie vor in Italien sehr populär sind, es sind Lieder, die zum großen Teil schon vor langer Zeit ins Deutsche übersetzt worden sind, teilweise sehr gut, teilweise sehr unzureichend. Da haben wir uns um Genehmigungen bemüht, neue deutsche Texte schreiben zu dürfen. Diese Genehmigungen sind auch erteilt worden.
Hochweis: Die haben Sie selbst geschrieben.
Alsmann: Ja. Und teilweise sind auch Lieder dabei wie "La Piu Bella del Mondo" oder "Che Bambola", die noch nie einen deutschen Text hatten. Auch da habe ich nahe am Original nachgedichtet.
Hochweis: Sehr italienisch auch, das Album wurde in Rom aufgenommen. Erzählen Sie ein bisschen von der Atmosphäre.

"Immer in die jeweiligen Städte reisen"

Alsmann: Das ist ja die eigentliche Grundidee dieser Trilogie, dass wir immer in die jeweiligen Städte reisen, also Paris oder New York, und in einem historisch bedeutsamen Studio arbeiten. Hier in Rom war es ein Studio, das in den 60er-Jahren von Ennio Morricone gebaut worden ist, das "Forum Music Village", und das ist ein wirklich für Filmmusik gebautes Studio. Sie haben riesige Vorrichtungen, wo Sie Leinwände runterlassen können, wo ganze Symphonieorchester Platz finden und live zur Leinwand spielen können, was allerdings heute in der Form kaum noch passiert.
Das Studio befindet sich im Kellergewölbe unter einer Kathedrale. Man hat ja früher unterirdisch genauso viel Material verbaut wie überirdisch, um so ein Gebäude vor Krieg, Pestilenz und Erdbeben zu schützen. Das heißt, da ist sehr viel Platz. Und da ist nicht nur dieses gigantische Studio unterirdisch drin, sondern auch noch ein komplettes Theater. Und oben drüber wird jeden Morgen ab neun Uhr die Heilige Messe gefeiert. Das ist natürlich auch ein besonderer Zauber, der diesem Studio innewohnt.
Man fährt wirklich unten runter in diese Kirchengewölbe. Und wenn man die Wall of Fame sieht, wer also seit den 60er-Jahren dort gearbeitet hat, dann wird einem schon der Mund trocken.
Hochweis: Sagen Sie, wer zum Beispiel.

"Dieses Studio ist eine Legende"

Alsmann: Alle! Alle großen Komponisten von Riz Ortelani bis Ennio Morricone. Alle großen französischen Sänger waren irgendwann mal da, selbst singende Schauspieler wie Gérard Depardieu. Natürlich Adriano Celentano, natürlich Rita Pavone, all die italienischen Stars, die uns jetzt so einfallen, die waren alle da, und auch alle, die uns jetzt nicht so einfallen, waren alle da. Außerdem war Bruce Springsteen da und die Red Hot Chili Peppers waren da, also viele aktuelle Künstler. Dieses Studio ist eine Legende.
Man will den Sound, man nimmt dort auch, wenn man den Sound haben will, live auf. Wir haben auch immer zu fünft live aufgenommen. Denn sonst kann man ja in ein anonymes Studio gehen. Man will diesen Kathedralenklang haben. Es war ein sehr erfahrenes Tonteam da – wir arbeiten auch mit dem jeweiligen Team. Wir bringen einen Produzenten mit, die Sachen sind arrangiert und einstudiert, aber unser Produzent wird, das ist hier Tradition, während dieses Aufnahmezeitraums erstmalig mit den Sachen konfrontiert, sodass wir dann eben einen ganz frischen Input kriegen.
Und das Team, das war unter anderem der Sohn des jetzigen Studiobesitzers, der das in den 70ern gekauft hat, das heißt, ein Mann, der sein ganzes Leben in diesem Studio verbracht hat. Und die waren sehr freundlich, und man denkt ja immer, das war in Paris so, das war auch in New York so, jetzt in Rom denkt man, wie finden die das? Da kommen da jetzt fünf Deutsche und spielen den Italienern ihre eigenen Lieder vor.
Finden die das doof, lachen die uns aus, zeigen sie uns einen Vogel? Verlassen sie unter Protest den Raum? Nein. Die sitzen da und fragen sich, warum das nicht jeden Tag passiert.
Der Musiker Götz Alsmann zu Besuch in unserem Funkhaus.
Der Musiker Götz Alsmann zu Besuch im Berliner Funkhaus© Deutschlandradio - Maurice Wojach
Hochweis: Und irgendwann hängt dann wahrscheinlich auch von Ihnen ein Bild an der Wand.
Alsmann: Ist schon so …
Hochweis: Ach, das freut mich. Wie schaffen Sie es denn, mit dieser Band – vielleicht sollten Sie einfach ein paar Worte sagen zu Ihren Musikern, das sind ja wirklich wunderbare Arrangements, sie haben es vorhin erwähnt, also auch viel mit Vibraphon, längere Instrumentalpassagen. Erzählen Sie uns etwas davon.
Alsmann: Wir verstehen uns schon als Jazzband im weitesten Sinne. Das heißt, es gibt also sehr jazzmäßige Arrangements, und Platz für Soli. Wir sind eine Fünf-Mann-Band. Wir haben Klavier, Bass, Schlagzeug, Perkussion und Vibraphon. Das ist die Grundbesetzung. Der Vibraphonist spielt auch die anderen Schlaginstrumente wie Xylophon, Marimbaphon, Glockenspiel, Röhrenglocken, spielt aber auch Trompete und Klarinette. Und der Perkussionist spielt alle exotischen Rhythmusinstrumente, die man sich vorstellen kann. Wir haben einen Kontrabassisten dabei, einen Schlagzeuger, und ich selbst spiele Klavier, Orgel, Celesta, Akkordeon, Banjo, Mandoline und solche Sachen, Hawaii-Gitarre, allerlei Zeugs. Wir reisen mit einem riesigen Wagen voll Instrumenten dahin.
Und was diese Band auszeichnet, ist, dass sie halt schon sehr lange zusammenspielt. Das neueste Bandmitglied ist jetzt seit anderthalb Jahren dabei. Unser 40 Jahre lang Bass spielender Kollege Mike Müller ist leider verstorben im letzten Jahr, und der jetzige Bassist war schon lange Ersatzmann im Laufe der Krankheit, und den haben wir dann Anfang des Jahres aufgefordert, der Band beizutreten. Das war jetzt unsere erste gemeinsame Produktion. Und so sind wir ja im Grunde mit einem Apparat herumgereist, der sich sehr gut kennt und blind aufeinander eingespielt ist, bis hin zu dem Produzenten, dessen dritte Zusammenarbeit mit uns das ist. Und dann schaut man halt.

"Wir glauben nicht an Jamsessions und Nachtsessions"

Wir fangen morgens um zehn Uhr an zu arbeiten. Wir machen keine Nachtsessions. Wir glauben nicht an Jamsessions und Nachtsessions. Wir beginnen morgens um zehn. Und wir dachten uns, wie mag das gehen, sind die Italiener morgens um zehn schon da? Ja, sie waren immer da. In Paris hatten wir das Problem, dass wir schon mal ein Stündchen vor dem geschlossenen Studio standen. Aber nicht in Rom.
Und dann haben wir meistens abends zwischen acht und neun Feierabend gemacht, und das Hotel lag ungefähr zehn Fußminuten vom Studio entfernt. Glücklicherweise befand sich auf der Hälfte der mörderischen Strecke ein sehr schönes Lokal, in dem wir dann allabendlich noch feierten. Das war insofern ein sehr schöner Romaufenthalt.
Hochweis: Sie sprühen wie ein Italiener. Kann man sich Götz Alsmann in dieser Zeit der Aufnahmen als einen besonders glücklichen Menschen vorstellen?
Alsmann: Ich bin immer sehr glücklich, wenn wir arbeiten, wenn die Arrangements zum Klingen gebracht werden, wenn ich merke, dass die Freunde aus der Band mit Spaß spielen. Wenn es keine langen Gesichter gibt, wenn alles funktioniert, auch die Zusammenarbeit mit Regis Ceccarelli, unserem Produzenten – das ist ein Traum.
Das ist eigentlich so schön, dass wir vor langer Zeit beschlossen haben, dass, wenn wir im Studio arbeiten, dass wir uns auch immer was Schönes anziehen. Wir empfinden dieses Geschenk dieser Reiseproduktion als den Höhepunkt unserer Musikerlaufbahn. Und dabei wollen wir nicht aussehen, als würden wir im Keller Holz hacken.

"Wir zelebrieren jeden Tag"

Wir feiern jeden Tag. Ich meine jetzt Feiern – natürlich feiern wir nach der Arbeit ein bisschen. Aber was ich sagen will, ist, wir zelebrieren jeden Tag. Das ist ein besonderes Privileg, im Sear Sound Studio in New York aufzunehmen oder im Studio Ferber in Paris oder jetzt halt in dem alten Ennio-Morricone-Studio. Ich denke, mehr kann man als Musiker nicht erwarten. Mehr kann man nicht verlangen.
Hochweis: Wunderbar. Vielen Dank, Götz Alsmann, für den Besuch im Studio!
Alsmann: Ich bin gern gekommen!
Hochweis: "In Rom" heißt sein neues Album, und ich wünsche dafür ganz viel Erfolg!
Alsmann: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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