Glücksverheißung, Öko und freie Liebe

Von Tobias Wenzel · 08.01.2010
1837 starb der Gesellschaftstheoretiker Charles Fourier in seiner Pariser Wohnung, die einem Gewächshaus glich. Die Pflanzen sollten nach Lust und Laune wachsen dürfen.
Geile Triebe gestand Fourier auch den Menschen zu. Gesellschaftliche Harmonie, da war sich der Franzose sicher, könne nicht durch Unterdrückung von ökonomischen, machtspezifischen und sexuellen Trieben entstehen. Der Mensch könne nur glücklich werden, indem er seine Leidenschaften auslebe - allerdings zum Allgemeinwohl. Denn der Kapitalismus war für Fourier egoistisch und inakzeptabel.

Seine Idee einer utopischen sozialistischen Wirtschafts- und Liebesgemeinschaft namens "Harmonie", in der Frauen Männern absolut gleichgestellt sein sollten, konnte er allerdings aus Geldmangel nie verwirklichen.

Missmutig beäugte Fourier seinen frühsozialistischen Zeitgenossen Robert Owen. Der hatte das Geld, das Fourier fehlte. Der britische Unternehmer führte 1799 in seiner Baumwollfabrik in Schottland ein Experiment zu menschenwürdigen Arbeitsbedingungen durch: Er verkürzte die Arbeitszeit, führte Kranken- und Rentenversicherungen für die Mitarbeiter ein, baute ihnen günstige Mietunterkünfte. Arbeit für Kinder unter zehn Jahren verbot er. Das Modell wurde ein großer Erfolg, auch wirtschaftlich. Die Produktivität der Fabrik stieg gewaltig an.

Was in einer Fabrik funktioniert, müsste auch für eine größere Gemeinschaft gelten, dachte sich Owen, verkaufte 1825 die Fabrik, ging in die USA und gründete dort die utopische Kolonie "New Harmony". Aber das Experiment scheiterte schon nach vier Jahren. Und Owen, der Vater der Genossenschaften, kehrte entmutigt und finanziell ruiniert zurück nach Großbritannien.

In den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts hatten utopische Kommunen ihre Hochzeit. Die Öl- bzw. Wirtschaftskrise hatte das Umweltbewusstsein geweckt. Ökokommunen schossen wie Pilze aus dem Boden, verschwanden aber meist bald schon wieder. Einige konnten aber die Utopie in bescheidenem Rahmen zur Wirklichkeit werden lassen.

So auch die bis heute existierende Kommune "Christiania", eine Wohnsiedlung in Kopenhagen, die von der dänischen Regierung geduldet wird. Die rund 900 Mitglieder von Christiania scheinen trotz einiger Kompromisse mit dem dänischen Staat einiges, was utopisch klingt, zum Beispiel ein Leben ohne Waffen und Gewalt und das Einführen einer eigenen Währung, umgesetzt zu haben.

Für immer utopisch bleibt dagegen wohl Charles Fouriers Vorstellung, der zufolge in einer harmonischen Gesellschaft selbst das Meer irgendwann zum Wandel bereit ist und nach Zitronenlimonade schmeckt.