Glückssucher aus Ägypten in der Neuen Welt

03.04.2008
Der ägyptische Zahnarzt Alaa al-Aswani wurde mit seinem 2005 veröffentlichten Buch <papaya:addon addon="d53447f5fcd08d70e2f9158d31e5db71" article="135206" text="&quot;Der Jakubijan-Bau&quot;" alternative_text="&quot;Der Jakubijan-Bau&quot;" /> zum internationalen Literaturstar. Dieser Roman über ein zehnstöckiges Kairoer Wohnhaus bildet in seinen Figuren und Dramen die ägyptische Gesellschaft nach - bis hin zu einem der furchtbarsten Symptome ihrer Zerrissenheit, dem Terrorismus. Schließlich geht ein wesentlicher Bestandteil von El Kaida auf Ägyptens islamistische Oppositionsbewegung der Moslem-Brüder zurück.
Der neue Roman Al-Aswanis mit dem so wenig ägyptischen Titel "Chicago" spiegelt in ähnlicher Weise Missstände eines autokratisch regierten Landes. Diesmal aber geht es nicht um ein Mietshaus, sondern um das Histologische Institut an einer Chicagoer Universität, wo ägyptische Professoren lehren und Stipendiaten forschen und promovieren.

Al-Aswani entwickelt seine vielen Figuren weniger als Individuen denn als Typen: Schaima, das fleißige und fromme Mädchen vom Land; Tarik, der Ehrgeizige und Verklemmte; Nagi, der Lebenshungrige und politisch Aktive; Achmad Danana, der Opportunist, der seine Frau unterdrückt; Salach, der Professor, der seine Herkunft hinter sich gelassen hat; der koptische Arzt, der krank ist vor Heimweh. Und dann gibt es noch die Amerikaner: der Chauvinist und der Bürgerrechtler, die frustrierte Ehefrau und das drogensüchtige Mädchen, der weise Lehrer und die jüdische Journalistin.

Das Buch lebt ganz von seinem exemplarischen Personal, dem es seine verschiedenen Perspektiven verdankt. Doch sein zentrales Thema ist ebenso politisch wie individuell: es geht auf vielerlei und sehr unterschiedliche Weise um Emanzipation.

Auf der politischen Ebene bleibt es - realistischerweise - beim Versuch. Proteste gegen die ägyptische Autokratie bei einem Staatsbesuch werden, mit Hilfe eines effektiven Spitzelsystems, wirksam unterbunden.

Aber den Individuen gibt al-Aswani durchaus eine Chance. Zwischen Tradition, Karriere, Gefühlen und Gefahren gehen sie ihren Weg, und manchen gelingt es, wie der unscheinbaren Schaima. Andere scheitern. Der Versuchung, aus den Schicksalen seiner Figuren ein Rezept zu destillieren, erliegt al-Aswani also glücklicherweise nicht.

Dennoch hat dieser Roman etwas Holzschnittartiges, Vereinfachendes, ein bisschen so, als liege ihm ein zoologische Bestimmungsbuch für verschiedene Menschenarten zugrunde. Man erfährt darin durchaus Interessantes über ägyptische Erfahrungen und Lebenswelten; aber der große literarische Wurf ist es nicht.

Rezensiert von Katharina Döbler

Alaa al-Aswani: Chicago
Roman. Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich
Lenos Verlag, Basel 2008
480 S., 22 Euro
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