Globaler Kampf gegen Corona

"Eine Flexibilisierung der Impfpriorisierungen ist sinnvoll"

05:45 Minuten
Medizinisches Personal zieht eine Spritze mit einem Covid19-Medikament auf.
Stoffe von Biontech, Moderna und AstraZeneca stehen derzeit in Deutschland zur Verfügung. © picture alliance / AP Photo / Oded Balilty
Thomas Macho im Gespräch mit Anke Schaefer · 19.02.2021
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Wer die Wahl hat, hat die Qual - beim Covid19-Impfstoff entwickelt sich das aber zum Problem. Viele Menschen lehnen den Wirkstoff von AstraZeneca ab. Kulturhistoriker Thomas Macho sieht das als Chance für flexible Prioritäten.
Drei Impfstoffe stehen derzeit in Deutschland im Kampf gegen das Coronavirus für jene zur Verfügung, deren Schutz laut Ständiger Impfkommission des Robert-Koch-Instituts höchste Priorität hat. Einer von dreien ist allerdings weniger beliebt als die anderen beiden. Dabei handelt es sich um das Präparat des Herstellers AstraZeneca. Einige Menschen verweigern bereits die Verabreichung von AstraZeneca, da sie eine verminderte Wirksamkeit fürchten. Für Personen in anderen Priorisierungsgruppen könnte das ein Vorteil sein, da sie möglicherweise früher geimpft werden könnten.
"Alle Maßnahmen, die bisher getroffen wurden, haben umso besser gewirkt und wurden besser angenommen, je flexibler sie waren", sagt Kulturhistoriker Thomas Macho, der das Internationale Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) in Wien leitet. Deshalb empfinde er eine Flexibilisierung der Impfpriorisierungen als sinnvoll und notwendig.

Vatikan drängt zur Impfung

In Deutschland ist eine Impfung gegen schwere Folgen von Covid-19 jeder und jedem freigestellt. Im Vatikan denkt man dagegen bereits über eine Impfpflicht nach. Dort könnten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Berichten zufolge ihre Anstellung verlieren, sollten sie sich nicht impfen lassen.
Macho habe diese Nachrichten mit Verwunderung gelesen, sagt er. "Gewöhnlich ist die Praxis der katholischen Kirche, jenen die Kommunion - und inzwischen kommt es mir so vor, als wäre der Impfstoff die neue Kommunion - zu verweigern, die nicht gläubig oder sündig sind." Insofern ist eine Verpflichtung, eine Impfung zu empfangen, laut Macho problematisch. "Der Vatikan ist aber ein winziger Inselstaat, der möglicherweise die Chance hat, dass bei seinen 5.000 Bediensteten auszuprobieren oder durchzusetzen."
Papst Franziskus führt dreizehn Kardinäle neu ins Amt ein. Alle tragen medizinische Masken.
Der Vatikan denkt inzwischen über eine Impfpflicht nach.© imago images / Zuma Wire / Grzegorz Galazka
Eine Blaupause des potentiellen Vatikan-Vorgehens für den öffentlichen Dienst in Deutschland befürchtet der Kulturwissenschaftler aber nicht. "Das glaube ich nach den bisherigen politischen Äußerungen nicht", so Macho weiter.

Weltweite Solidarität im Kampf gegen Corona

Der neue US-Präsident Joe Biden hat angekündigt, vier Milliarden Euro bereitzustellen, um auch ärmeren Ländern der Welt eine Impfstoffbeschaffung zu ermöglichen. Unklar ist bisher, ob und welchen Beitrag die Europäische Union und Europa dahingehend leisten werden. "Sie haben zumindest gut verhandelt, was die Preise betrifft, und ich hoffe sehr, dass die EU ihren Beitrag leisten wird", sagt Macho.
Es sei essentiell und wichtig, dass die Impfstoffe im globalen Maßstab auch an andere Länder verteilt werden, "weil das Virus an den Grenzen nicht Halt macht und es so etwas wie eine globale Solidarität gibt, die wir ohnehin oft genug vergessen, vernachlässigen oder zu wenig wahrnehmen."
(lsc)
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