"Global Female Leaders Summit" in Berlin

Ein Davos für Frauen

ILLUSTRATION - Eine Frau sitzt am 03.01.2013 an einem Schreibtisch vor einem Computer in einem Büro in Berlin und ließt einen Vertrag. Vor ihr steht ein Schild mit der Aufschrift "Chefin".
Das "Global Female Leaders Summit" ist das Gipfeltreffen weiblicher Führungskräfte. © Jan-Philipp Strobel/dpa
Sigrid Bauschert im Gespräch mit Dieter Kassel · 18.04.2016
In Berlin findet derzeit das "Global Female Leaders Summit” statt. Das Gipfeltreffen für weibliche Führungskräfte ist nach Vorstellung der Organisatorin der Veranstaltung, Sigrid Bauschert, ein Ort des Austauschs - und keine Jobbörse.
Im Berliner Ritz Carlton gehen derzeit jede Menge weibliche Topmanager ein und aus. Denn hier findet zum dritten Mal der "Global Female Leaders Summit" statt. Sigrid Bauschert von der Management Circle AG und Organisatorin der Veranstaltung sieht in dem Treffen ein "Davos für Frauen". Beim Weltwirtschaftsforum in Davos kämen Frauen "viel zu wenig zu Wort", kritisierte sie im Deutschlandradio Kultur.
Beim Summit in Berlin sollen sich die Top-Frauen aus Wirtschaft und Politik über Wirtschaftsfragen, gesellschaftliche Themen, geopolitische Risiken und die Digitalisierung austauschen - "also kurz: sämtliche Herausforderungen, die einem im täglichen Berufsleben auf diesem Niveau in der Führungsverantwortung begegnen", sagte Bauschert.
Um noch mehr Frauen in Top-Positionen zu bringen, fordert sie die Quote und einen gesellschaftlichen Mentalitätswandel. Man könne nicht einfach nur die Vorzeichen ändern und sagen, die Männer sollten fortan zu Hause bleiben. Beide müssten Karriere machen können - es müsse deswegen echte Gleichberechtigung von Eltern im Berufsleben geben.

Das Interview im Wortlaut:

Dieter Kassel: Bereits zum dritten Mal findet in Berlin gerade der "Global Female Leaders Summit" statt. Das ist ein internationaler Wirtschaftsgipfel für Frauen in Führungspositionen.
Es ist aber nicht irgendein Treffen, sondern wirklich ein hochkarätig besetztes. Die Liste der Teilnehmerinnen – und auch einiger weniger Teilnehmer, Männer sind da nicht verboten – ist wirklich beeindruckend. Catherine Ashton zum Beispiel ist dabei, die ehemalige EU-Außenbeauftragte, Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der hessisch-thüringischen Landesbank, und viele, viele andere.
Veranstaltet wird dieser Gipfel von der Management Circle AG, einer Firma, die Weiterbildung für Führungskräfte anbietet in höchst unterschiedlicher Form, und deren Gründerin und Vorstandsvorsitzende Sigrid Bauschert ist. Schönen guten Morgen, Frau Bauschert!
Sigrid Bauschert: Guten Morgen, Herr Kassel!
Kassel: Das ist ein Gipfeltreffen für weibliche Führungskräfte, sagt auch der englische Originaltitel, aber es ist kein Frauentreffen in dem Sinne, wie wir Männer uns das vielleicht vorstellen. Es geht da nicht ausschließlich oder auch nur vorrangig um die Frage, wie kommen Frauen in Führungspositionen, oder?

Der Wirtschaftsgipfel soll keine Jobbörse sein

Bauschert: Nein, überhaupt nicht. Es ist keine Jobbörse, um sich zu vermitteln oder ins Gespräch zu bringen, es dient tatsächlich dazu, dass Frauen auf dem Top-Level, auf hohem Niveau, in der Position auf hohem Niveau, sich austauschen über Wirtschaftsfragen, über eine sich verändernde Gesellschaft, über geopolitische Risiken, über die digitale Transformation, über disruptive Technologien, also kurz sämtliche Herausforderungen, die eben einem im täglichen Berufsleben auf diesem Niveau in der Führungsverantwortung begegnen.
Kassel: Da bietet sich jetzt ein großer Vergleich an, denn über all das, was Sie aufgezählt haben, wird ja auch jedes Jahr auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos zum Beispiel gesprochen und auf vielen anderen Treffen dieser Art. Wozu braucht man dann noch so ein Frauentreffen?
Bauschert: Ja, das ist ein sehr schönes Stichwort, vielen Dank! Also meine Idee war, als wir das zum ersten Mal veranstaltet haben und eben in der Konzeptionsphase waren, die ja sehr lange im Vorlauf schon brauchte, um eben auch genau dieses wichtige hochkarätige Panel zusammenzustellen, ein Davos für Frauen – nicht ausschließlich für Frauen, aber in Davos, beim Weltwirtschaftsforum, kommen Frauen zu wenig zu Wort, viel zu wenig, gehen unter.
Natürlich tauchen Frauen auf, oft sind es eben dann sehr prominente Frauen, auch aus Schauspiel, Kunst oder Hollywood sogar, sehr hochkarätig, aber tatsächlich die Wirtschaft und der Austausch in der Wirtschaft für Frauen mit Frauen kommt da zu kurz. Und deshalb war unsere Idee, wir machen das viel kleiner – es gibt ja auch viel weniger Frauen an der Spitze – und wir starten eben mit einem wirklichen Global Female Leaders Summit für Damen.
Kassel: Warum ist es denn immer noch so, wie Sie gerade ja auch tatsächlich noch mal gesagt haben, dass es immer noch so wenig Frauen in Spitzenpositionen gibt?

Karriere oder Kinder? Frauen stecken noch immer zurück

Bauschert: Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern es ist halt generell so, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eben schon nach wie vor ein großes, schwieriges Thema ist. Man tut sehr viel, es gibt Gesetze, es gibt Fördermöglichkeiten, aber es ist natürlich auch immer noch ein Denken im Kopf in den tradierten Rollen, wie man denkt, und da sind eben Frauen mit der Erziehungsarbeit immer noch so, dass sie eben häufig in ihrer beruflichen Karriere zurückstecken, auch gerne zurückstecken, aber es wird oft vorausgesetzt, dass man sich ein bisschen zurücknimmt, was meistens in den Spitzenpositionen auch die Karriere hemmt.
Kassel: Heißt das umgekehrt auch, wenn Frauen in solche Spitzenpositionen kommen, dann muss halt die Familie zurückstecken, sie müssen Glück haben, dass der Mann das übernimmt, oder irgendjemand kommt zu kurz?
Bauschert: So könnte man es sehen. Es ist sicherlich ein Mentalitätswandel erforderlich, weil es ist natürlich auch für Männer ein ganz anderer Umstand, als in einer tradierten Rolle sich weiterzubewegen.
Die Männer oder manche Männer können sich ja auch fragen, ja, bin ich überhaupt auch noch so attraktiv oder männlich, wenn ich Hausmann bin statt Vorstandsvorsitzender, bin ich auch für meine Frau attraktiv und interessant genug.
Es geht ja nicht darum, dass man einfach dann die Vorzeichen ändert und die Männer zu Hause bleiben sollen, sondern ich denke, wir müssen insgesamt einen Mentalitätswandel erreichen, dass auch in der Wirtschaft Grundlegendes für Eltern und in der Politik verbessert wird, aber eben nicht nur, dass man sagt, die Frauen können eine längere Elternzeit haben – das ist ja eben auch eigentlich ein Karrierehindernis. In den USA ist man gezwungen, wenn man einen Topjob behalten möchte, sehr schnell wieder zurück in den Beruf zu gehen.
Kassel: Ich verstehe Sie aber schon richtig, dass Sie nicht dafür plädieren - also wenn jemand das will, darf er es sicherlich tun - aber nicht dafür plädieren, dass die Frau halt sagt, mein Mann bleibt zu Hause und ich mache Karriere, sondern dass sich unsere Gesellschaft so entwickelt, dass es im Prinzip beide tun können.

Wir brauchen echte Gleichberechtigung

Bauschert: Richtig. Wir müssen, ich denke in Deutschland vor allem oder auch in anderen Ländern, aber Deutschland sehe ich eben direkt, dass wir eine echte Gleichberechtigung … Wir brauchen eine Gleichberechtigung von Eltern im Berufsleben. Unsere Arbeitswelt muss die Infrastruktur für die Kinderbetreuung, oder wir müssen die Infrastruktur für Kinderbetreuung schaffen, und das muss sich ziemlich radikal ändern – für Frauen und für Männer.
Kassel: Nun gibt es natürlich immer wieder Leute, die sagen, kommt Kinders, das geht wirklich nur bis zu einer bestimmten Grenze. Wenn man jetzt wirklich Vorstandsvorsitzende eines Milliardenkonzerns ist mit Hunderttausenden von Mitarbeitern, dann hat man halt eine 80-Stunden-Woche, und daran kann man im Prinzip auch nichts ändern. Ist das nicht zum Teil tatsächlich auch wahr?
Bauschert: Nein, ich glaube nicht, dass das wahr ist. Weil wenn tatsächlich man … wie viele Topmanager sind eben überhaupt nicht an ihrem Schreibtisch tagelang, sind auf Reisen, sind unterwegs. Es geht nicht darum. Es muss auch über Nacht möglich sein, man hat Notfallpläne, wenn irgendjemand auf der Top-Ebene ausfällt. Warum ist es nicht möglich, für eine gewisse kurze Zeit, wenn eine Top-Frau ausfällt oder eben kalkulierbar ausfällt, dass man dann eben diese vermeintliche Lücke auch überbrücken kann?
Kassel: Wir haben jetzt ein Wort die ganze Zeit vermieden, ich kann jetzt nicht mehr anders: Quote. Was halten Sie denn von der Quote – einer richtigen oder auch so einer, wie ich das ja doch nennen würde, Softquote wie diese Flexiquote, die wir in Deutschland zum Teil schon haben? Ist das der richtige Weg?

Jüngere Frauen sind oft gegen die Quote, ältere meist dafür

Bauschert: Ja, davon halte ich was. Es ist so: Wenn man Umfragen macht, ist es auch sogar bei weiblichen Führungskräften so, dass junge Frauen sagen, nee, ich bin gegen die Quote, ich kann’s allein, ich brauche das nicht. Und wenn man Frauen fragt, die dann so mal auf der Karriereleiter sehr weit oder weitergekommen sind, sagen wir mal jenseits der 40, 45, die sagen, eine Quote wäre schon wichtig in der Mehrheit, weil, sie haben gemerkt, wo eben die Hemmnisse sind, also die Realität hat sie auf diese Art eingeholt. Und eine Vorstandsvorsitzende eines großen Unternehmens, MDax, hat mal gesagt, ich wurde so oft etwas nicht, weil ich eine Frau war, dass ich gar kein Problem habe, etwas zu werden, weil ich eine Frau bin.
Kassel: Ich lache nicht, weil das lustig ist, sondern ich lache, weil mich das beeindruckt. Kurz zum Schluss eine Jahreszahl von Ihnen: Wie lange wird es dauern, bis Sie Ihren Gipfel entweder grundlegend verändern oder einstellen müssen, weil Sie feststellen müssen, Frauen sind nichts Besonderes mehr in Führungsebenen, es ist jetzt ungefähr 50 Prozent?
Bauschert: Hm, ich glaube, wir werden schon noch einige Themen einige Jahre anbieten können. Herren sind herzlich willkommen auf der Top-Ebene auch, aber die Mehrheit bei uns werden ziemlich lange die Frauen bleiben.
Kassel: Herzlichen Dank! Sigrid Bauschert war das, Gründerin und CEO von Management Circle, dem Veranstalter des gerade in Berlin stattfindenden internationalen Wirtschaftsgipfels für Frauen in Führungspositionen. Frau Bauschert, danke schön und viel Erfolg!
Bauschert: Danke schön, Herr Kassel!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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