Glitzer, Flitter, Pose

Von Rudolf Schmidt · 13.06.2013
Als ein Testballon gesellschaftlichen Aufbruchs, so zelebriert sich die Ausstellung "Glam" in Frankfurt. Sie will vieles sein, nostalgische Reise in die jüngere Vergangenheit und Rocky Horror Picture Show, und übernimmt sich damit. Das Maskenspiel ermüdet alsbald und die Frage ist: Was bleibt?
Brian Eno mit Federboa, Bryan Ferry als gittarrespielender Dandy mit Goldstiefeln, David Bowie in rotgoldener Pluderhose – das sind die Idole dieser Zeit, ihre lebensgroßen Bilder empfangen die Besucher und sagen: komm zu mir, komm auf die Bühne. Glam, das ist erst mal Glitzer, Flitter, Show, Pose, Maskenspiel, schrilles Outfit. Darren Pih, Kurator der Tate Liverpool, gibt zu, dass dieser Begriff für nicht gerade trennscharf ist:

"Glam war mehr als nur Ästhetik, es war ein Stil, verbunden mit Exzess, Übertreibung, Theatralik, Camp und viel Ironie. Perfekt verkörpert von Roxy Music und David Bowie, exzessiven und theatralischen Persönlichkeiten"

Die Schirn Kunsthalle hat sich mit viel Gestängearchitektur und Flitter in eine einzige Bühnenlandschaft verwandelt. Auch inspiriert von Gilbert&George, den Living Sculptures, die das ganze Leben als eine einzige Performance betrachten, als Gentlemen gekleidet, Goldpaste auf dem Gesicht, alte Bänkellieder auf den Lippen.

Der Pop Art Künstler Richard Hamilton malt Mick Jagger und den Kunsthändler Robert Fraser, mit Handschellen im Polizeiauto, verhaftet wegen Drogenbesitz, und feiert die Verschmelzung von Hoch- und Massenkultur. Englands Kunstschulen sind die Brutstätten dieser kulturellen Umwälzung zwischen 1970 und 75.

"Es hat mit der Kultur der Kunstschulen zu tun. Wir hatten in Großbritannien mehr Kunstschulen als überall sonst in der Welt. Wer kreativ war und Musiker, Maler oder Modemacher werden wollte, konnte zum ersten Mal einfach zur Uni gehen"."

Auch Richard Hamiltons Schüler Bryan Ferry will zunächst Maler werden. Überall das Spiel mit der Geschlechterrolle: Transvestiten und Dragqueens bevölkerten die Straßen, Nan Goldin fotografiert sie, Andy Warhol schreibt für sie Theaterstücke.

""Das Geschlecht war nicht naturgegeben, sondern konnte konstruiert werden. Jede Art von Person, jede Geschlechterrolle war möglich. Eine sehr befreiende Angelegenheit."

Ein Künstler wie Ulay präsentiert sich in seinen Polaroids halb als Mann, halb als Frau gekleidet, Jürgen Klauke schnallt sich Penisprothesen um und macht seinen Körper zur Projektionsfläche. Katharina Sieverding überlagert in ihren Fotoporträts das eigene Gesicht mit dem ihres Partners Klaus Mettig und verwischt so die Grenzen von männlich und weiblich, von Ich und Anderem. Von Andy Warhol, der die Wände seiner Factory mit Silberfolie ausgeschlagen hatte, gibt es im Rotundenhof der Schirn die schwebenden Silver Clouds zu sehen: Heliumkissen aus Alufolie. Anlässlich der Eröffnung und der Sommerparty kann man sich damit vergnügen.

Was bleibt von dieser Ausstellung? Einige schräge Kunstwerke und ansonsten das Gefühl von Überladenheit und Wiederholung. Trash und Glitter, geschminkte Selbstdarsteller, laszive Posen und unverhüllte Langweile sind kein abendfüllendes Programm.

Von allem gibt es zuviel, der große Maskenball ermüdet, das Genderspiel verläppert sich als tausendfach wiederholte Geste und wird ebenfalls stereotyp. "Glam", was ist das nun? Archäologie der Kulturgeschichte? Nostalgische Reise in die jüngere Vergangenheit? Rocky Horror Picture Show? Die Frankfurter Ausstellung will das alles zugleich sein. Und verdirbt sich damit jegliche Pointe. Eigentlich schade um diesen Testballon gesellschaftlichen Aufbruchs.