"Glaubwürdigkeits-Delta" der FDP

14.12.2010
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler hat eine Grundsatzdebatte in seiner Partei angemahnt. Es gebe eine Diskrepanz zwischen Handeln und Tun der FDP. Dies sei einer der wesentlichen Gründe dafür, dass die Partei bei ihren Wählern an Vertrauen verloren habe.
Jan-Christoph Kitzler: Das Katastrophenjahr für die FDP, es will irgendwie nicht zu Ende gehen. Begonnen hatte alles mit der "spätrömischen Dekadenz", dann kam der Vorwurf der Klientelpolitik dazu, und jetzt ist von der Spätphase der DDR die Rede. Wolfgang Kubicki sieht bei seiner Partei Auflösungserscheinungen, die ihn an die späte DDR erinnern, und Kubicki ist nicht irgendwer, immerhin sitzt er im FDP-Vorstand und ist Fraktionschef für seine Partei im schleswig-holsteinischen Landtag.

Wie soll die FDP wieder aus der Krise kommen, hat Kubicki recht – darüber spreche ich jetzt mit dem Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler. Er hat in der FDP die Initiative "Liberaler Aufbruch" gegründet. Guten Morgen!

Frank Schäffler: Guten Morgen!

Jan-Christoph Kitzler: Was verbinden Sie denn mit der Spätphase der DDR?

Schäffler: Ich glaube, dieser Vergleich, den Kubicki da gewählt hat, ist natürlich völlig daneben, das kann man natürlich nicht vergleichen, aber er hat damit natürlich die FDP noch mal im alten Jahr aufgerüttelt, und das war, glaube ich, auch seine Absicht und das ist ihm auch gelungen.

Jan-Christoph Kitzler: Jetzt kann man ja an den Worten, die Kubicki gewählt hat, seine Zweifel haben – Sie haben die ja auch geäußert –, andererseits sind solche harten Worte nicht nötig, um zur Parteiführung durchzudringen, die manche ja als abgehoben bezeichnen?

Schäffler: Na ja, offensichtlich schon, denn es gibt natürlich schon eine Diskrepanz zwischen dem, was wir sagen, und dem, was wir handeln, und das müssen wir eben stärker in der Alltagspolitik, insbesondere in Berlin, zusammenbringen. Und das ist einer der wesentlichen Gründe, wieso wir so an Vertrauen verloren haben.

Jan-Christoph Kitzler: Das heißt, Sie geben Kubicki recht in dem Vorwurf, den er heute auch noch mal bekräftigt hat, die Parteiführung bekommt nicht mit, was an der Basis passiert?

Schäffler: Also ich glaube schon, dass das tatsächlich ein wenig ein Problem ist. Die Basis führt in Hessen Kommunalwahlkampf und ist vor ein, zwei Jahren noch mit zweistelligen Wahlergebnissen nach Hause gegangen. Und wenn jetzt untere einstellige Wahlergebnisse nur noch erzielt werden können, dann fragen sich die Mitglieder natürlich schon, wofür mache ich da Wahlkampf, wenn insbesondere auf Bundesebene die Partei nicht richtig in den Tritt kommt.

Jan-Christoph Kitzler: Die Partei muss Vertrauen zurückgewinnen, natürlich bei den eigenen Leuten an der Basis, aber auch bei den Wählern – wie soll das passieren Ihrer Meinung nach?

Schäffler: Na, ich glaube, wir müssen halt stärker uns wieder zu einer ganzheitlichen Rechtsstaatspartei entwickeln. Die FDP war immer stark, wenn sie auch erkennbar war – in der Steuer- und Finanzpolitik, aber auch in der Innen- und Rechtspolitik. Das sind unsere Markenkerne, und wenn wir diese Markenkerne auch im Regierungsalltag leben, dann wird deutlich, wofür die FDP steht, und dann macht sich die FDP auch unterscheidbar von anderen Parteien, und das gelingt uns zu wenig jetzt im Regierungsalltag. Das hat aber nicht nur mit dem Regierungsalltag zu tun, sondern auch mit der Programmatik der FDP, wir müssen halt auch auf unseren Parteitagen wieder mehr diskutieren, auch wieder mehr kontrovers diskutieren. Das hat mir in den letzten Jahren ein wenig gefehlt, und ich glaube, das ist auch ein bisschen Ursache der aktuellen Situation der FDP.

Jan-Christoph Kitzler: Jetzt stehen ja einige Wahlen an, im kommenden Jahr allein sieben Landtagswahlen. Ist das der richtige Zeitpunkt für Grundsatzdebatten, eigentlich muss man doch jetzt Wahlkampf machen?

Schäffler: Na ja doch, also ich glaube schon, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Wir haben unsere Initiative ja im September ins Leben gerufen, da habe ich immer gedacht, man hat jetzt bis Ende des Jahres Zeit, den Karren wieder flott zu kriegen und die FDP auf den richtigen Weg zu bringen. Gut, jetzt haben wir noch ein paar Tage, aber die Zeit muss man schon nutzen und die darf man nicht einfach verstreichen lassen, und dann "step by step" immer die nächsten Ereignisse abwarten und versuchen zu erreichen, das ist zu wenig.

Jan-Christoph Kitzler: Sie haben schon kurz darüber gesprochen, man muss ein liberales Programm auch in der Regierungsarbeit durchsetzen. Jetzt ist die Konstellation ja nicht so einfach, wie man am Anfang gedacht hatte. Wie will man das denn durchsetzen, mit einer CDU, die um ihr konservatives Profil ringt, mit einer CSU, die versucht, sich als Sozialstaatspartei zu profilieren?

Schäffler: Na ja, wir merken aktuell ja, dass der CDU das durchaus gelingt, und dann muss man sich schon fragen, wieso gelingt es der FDP nicht. Und meine Analyse ist, dass wir eben in den zentralen Fragen, die unsere Wähler interessieren, eben zu häufig einknicken, also die Fragen der Steuerpolitik, die Fragen der Stabilität des Euros – das sind Fragen, die unsere Wähler ganz unmittelbar interessieren, und deshalb sind wir damals auch gewählt worden. Und wenn wir in gewissen Bereichen Steuern erhöhen, zum Beispiel bei der Tabaksteuer oder bei der Luftverkehrsabgabe und bei anderen Fragen, dann ist das das Gegenteil dessen, was wir bei der Wahl dem Wähler versprochen haben. Und dieses Glaubwürdigkeitsdelta, das wird halt deutlich. Und wenn wir das nicht umdrehen und die Menschen nicht erkennen, wenn sie FDP wählen, dann bekommen sie dieses oder jenes, so wie das bei anderen Parteien auch ist, dann gewinnen wir eben nicht Glaubwürdigkeit zurück.

Jan-Christoph Kitzler: Die programmatische Erneuerung oder sagen wir mal lieber die Rückbesinnung auf das liberale Profil, ist das am Ende nicht auch eine Frage von Personen? Anders gefragt: Kann Guido Westerwelle noch Parteichef bleiben in Ihren Augen?

Schäffler: Ich möchte eigentlich nicht über Personen diskutieren. Ich weiß, Journalisten tun das gerne, aber ich glaube, es ist nicht nur eine Frage von Personen, sondern es ist im Wesentlichen auch eine Frage der liberalen Programmatik, wie wir sie durchsetzen. Und da ist jeder gefragt – da ist auch der Frank Schäffler gefragt und da ist die gesamte Bundestagsfraktion gefragt, da ist nicht nur der Vorsitzende gefragt.

Jan-Christoph Kitzler: Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler meint, die FDP braucht einen programmatischen Neuanfang. Vielen Dank für das Gespräch!

Schäffler: Ich danke!
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