GIZ-Koordinator: Bevölkerung im Südsudan profitiert bisher wenig von Erdölvorkommen

Manfred van Eckart im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 11.02.2011
Der Leiter des Koordinationsbüros der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im südsudanesischen Juba, Manfred van Eckart, hat kritisiert, dass die Erdölvorkommen im neuen Staat Südsudan der Bevölkerung bislang wenig zugute kommen.
Jörg Degenhardt: Blumen aus New York. Der UN-Sicherheitsrat hat allen Beteiligten im Sudan, dem größten afrikanischen Land, zu dem friedlichen und erfolgreichen Referendum im Januar gratuliert. Dabei stimmten fast 99 Prozent der Südsudanesen für die Loslösung vom islamisch-arabisch dominierten Nordsudan. Im Süden leben vor allem Christen und Anhänger afrikanischer Religionen. Gleichzeitig wurde damit einer der längsten Bürgerkriege in Afrika friedlich beendet. Die Aufteilung des Sudans in zwei Staaten, die soll am 9. Juli vollzogen werden. So weit, so gut.

Jetzt aber geht es darum, den neuen Staat zum laufen zu bringen, ein Staat, der ein Fünftel der bisherigen Gesamtfläche ausmacht, in dem sich aber drei Viertel der sudanesischen Erdölvorkommen befinden. In der Hauptstadt des Südsudan arbeitet auch Manfred van Eckart. Er leitet dort die Koordinierungsstelle der GIZ, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Ich grüße Sie!

Manfred van Eckart: Ja, guten Morgen.

Degenhardt: Welche Herausforderung, würden Sie sagen, ist die größte, die der neue Staat bewältigen muss?

van Eckart: Ich glaube, Sie haben in dem vorherigen Beitrag schon gehört, die Herausforderung, die größte, ist die neue Unterbringung der zurückkehrenden Menschen, ist der Wiederaufbau des Landes und vor allem die Beibehaltung der staatlichen Kernfunktionen, die jetzt im Vordergrund stehen müssen, damit ein Staat funktionsfähig überhaupt entwickelt werden kann und seine Tätigkeiten aufnimmt.

Degenhardt: Wie können Sie jetzt, wie kann Ihre Gesellschaft helfen?

van Eckart: Nun, wir können nur im Auftrag der Bundesregierung die Tätigkeiten durchführen. Wir sind dabei, den föderalen Staatsaufbau zu unterstützen. Wir beraten die Ministerien, wir bilden Verwaltungsbeamte aus und fördern die zivilgesellschaftliche Teilhabe an den politischen Prozessen.

Darüber hinaus hat die Bundesregierung den Schwerpunkt gelegt auf die Verbesserung der Wasserversorgung, sowohl auf dem Land, aber vor allen Dingen auch der städtischen Bevölkerung, denn eine Mehrzahl der Flüchtlinge, die aus dem Norden kommen, wird sich am Anfang in den Städten ansiedeln und da ist es sehr wichtig, Wasserversorgungssysteme und Wasserentsorgung, also Abwassersysteme, aufzubauen. Das sind die beiden Hauptschwerpunkte.

Darüber hinaus unterstützen wir im Auftrag der Bundesregierung die Reintegration eben solcher Flüchtlinge durch den Aufbau von Dörfern, durch die Verbesserung ihrer Lebensgrundlage, durch die Investitionen in die Landwirtschaft und vor allen Dingen eben auch Investitionen in die Berufsausbildung, damit sie handwerkliche Tätigkeiten aufnehmen können und eigene Geschäfte im Prinzip aufbauen können, um dann zum Gesamtaufbau des Landes einen Beitrag zu leisten.

Degenhardt: Hilfe von außen ist wichtig, das haben wir auch gerade gehört. Aber wie steht es um die Ausbildung eigener Eliten im Südsudan?

van Eckart: Gut, auch hier ist ein großer Nachholbedarf notwendig. Wir hoffen darauf, dass eben sehr viele gut qualifizierte Leute zurückkommen in den Süden. Das ist die eine Möglichkeit. Die andere ist natürlich die, dass auch im Süden höhere, also Sekundar- und höhere Bildungseinrichtungen, Universitäten, Institutionen geschaffen werden, die die jungen Leute ausbilden für die zukünftigen Herausforderungen und Aufgabenstellungen, die mit einem so großen Staat, der an und für sich sehr viel Entwicklungspotenzial bietet, verbunden sind, damit sie dies dann meistern können.

Degenhardt: Von wegen Entwicklungspotenzial. Das Land, um mal auf die Habenseite zu schauen, hat Erdöl, die viertgrößten Vorkommen in Afrika. Könnte sich das schon bald als eine Quelle von Reichtum erweisen?

van Eckart: Nun, eine Quelle von Reichtum ist es sicherlich, wenn man das pro Kopf sieht. Allerdings kommt es natürlich darauf an, dass die Einnahmen auch a) in den Süden kommen, b), dass sie auch für Entwicklungsprogramme entsprechend eingesetzt werden. Momentan sind die Erdölvorkommen hauptsächlich dazu da, die Soldaten, die Staatsbeamten und die Staatsbediensteten zu finanzieren, und leider bleibt noch zu wenig für die Durchführung von Entwicklungsmaßnahmen übrig in der Staatskasse.

Man sieht wesentlich größere Potenziale neben dem Erdöl auch im Bereich der Landwirtschaft und im Mining-Bereich, also im Bergbau. Das heißt, diese Potenziale müssen jetzt in absehbarer Zeit genutzt werden, gehoben werden und in Wert gesetzt werden. Das ist eine der Kernaufgaben der internationalen Staatengemeinschaft, den Südsudanesen dabei zu helfen, ihre Einnahmenseite zu verbessern und natürlich auch dafür zu sorgen, dass die Korruption nicht diese Einnahmen alle verschwinden lässt.

Degenhardt: Bei allen Problemen, welche Zeichen oder welche Signale machen Sie aus, dass der neue Staat gelingen könnte und nicht neue Konflikte in dieser Region drohen?

van Eckart: Gut, ich bin seit etwas über zwei Jahren im Südsudan und habe eigentlich von den Mitarbeitern der Ministerien eine sehr hohe Zuverlässigkeit erfahren, eine sehr hohe Identifikation mit den Entwicklungszielen dieses Landes, und das macht mich schon ein bisschen zuversichtlich. Wichtig allerdings ist, glaube ich, die Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft, den Südsudan vor allem bei der friedlichen Auseinandersetzung mit dem Norden zu unterstützen, dass der Friedensprozess im Prinzip in diesen Trennungsprozess übergeht und dass der friedlich gestaltet wird und das nicht zu weiteren oder neuen Konflikten und Kampfhandlungen führt.

Solange dieser friedliche Prozess gewährleistet wird, ist eigentlich sehr viel Hoffnung im Süden, und auch der Erzbischof vom Südsudan hat in einer Rede am Referendumstag den Leuten klar mitgeteilt, dass die Hoffnung und die harte Arbeit den Südsudan in seiner Entwicklung nach vorne bringen können, und ich glaube, das ist auch, was alle Leute wissen, was jetzt ansteht.

Degenhardt: Manfred van Eckart, er leitet die Koordinierungsstelle der GIZ im Südsudan. Vielen Dank für das Gespräch.

van Eckart: Bitte, bitte. Auf Wiederhören!