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SV Wilhelmshaven
Auswärtssieg in Karlsruhe

Im jahrelangen Rechtsstreit um eine nicht gezahlte Ausbildungsentschädigung und den deshalb verfügten Zwangsabstieg hat der SV Wilhelmshaven heute vor dem Bundesgerichtshof Recht bekommen. Der Zwangsabstieg war rechtswidrig.

Von Jonas Panning | 20.09.2016
    Choreografie der Wilhelmshavener Fans in der Heimkurve. Sie halten ein großes, buntes Banner mit der Aufschrift: "Stolz wie unsere Fußballtradition" hoch.
    BGH entscheidet zugunsten des SV Wilhelmshaven (imago / Thomas Bielefeld)
    Sergio Sagarzazu galt 2007 als vielversprechendes Talent. Der SV Wilhelmshaven befand sich im Drittligaabstiegskampf und war in der Winterpause auf der Suche nach einer Verstärkung fürs Mittelfeld. Der damals 19jährige Jugendspieler wechselte vom argentinischen Rekordmeister River Plate an die Nordseeküste. Ablösefrei. Doch wenig später kam doch noch eine Rechnung. Es ging um 157.500 Euro Ausbildungsentschädigung für die Jugendvereine des Argentiniers. Korrekt laut Regelwerk der FIFA. Doch viel Geld für einen kleinen Verein wie Wilhelmshaven. Und deshalb fragten sich die Verantwortlichen dort: was haben wir eigentlich mit der FIFA zu tun? Sie weigerten sich zu zahlen und beriefen sich auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU, denn Sagarzazu hatte auch einen italienischen Pass. Für die Weigerung wurde die Wilhelmshaven mehrmals bestraft – zuletzt mit dem Zwangsabstieg.
    Zu Unrecht, so heute der Bundesgerichtshof. "Das Reglement des Norddeutschen Fußballverbandes enthält aber keine solche Rechtsgrundlage. Der Umstand, dass vielleicht in den Regelungen der FIFA oder beim DFB entsprechende Regelungen vorhanden sind, spielt keine Rolle, denn der SV Wilhelmshaven ist nicht Mitglied dieser Verbände", sagt BGH-Sprecherin Dietlind Weiland.
    Das, was in den Regelungen von FIFA und DFB steht, gilt also nicht automatisch für alle Fußballvereine in Deutschland. Denn die haben ihre eigenen Satzungen und müssten diese theoretisch erst verändern, so der Kölner Sportrechtler Jan F. Orth: "Immer, wenn der DFB seine Satzung ändert, weil sich bei der FIFA was geändert hat, müssen alle - mehrere zehntausend Fußballvereine - ebenfalls ihre Satzung ändern. Dieser Verwaltungsaufwand kann natürlich nicht im Sinne des Erfinders sein."
    Der Deutsche Fußballbund (DFB) will die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Sein für Satzungsfragen zuständiger Vize-Präsident Rainer Koch warnte, dass "ohne einheitliche, nachvollziehbare und verbindliche Regelungen ein rechtssicherer Spielbetrieb nicht möglich" sei. Mögliche Satzungsänderungen müssten auf den Weg gebracht werden.
    Der DFB fürchtet sich vor Sanktionen der FIFA. Denn er sei verpflichtet, die Entscheidungen der FIFA bis an seine Basis durchzusetzen, meint Sportrechtler Orth: "Aber selbstverständlich können auch Mannschaften des DFB von internationalen Turnieren ausgeschlossen werden. Ein Horrorszenario wäre natürlich, wenn unsere A-Nationalmannschaft nicht an der nächsten Weltmeisterschaft teilnehmen könnte. Das halte ich allerdings nur für eine theoretische Möglichkeit."
    Der SV Wilhelmshaven spielt mittlerweile nur noch in der siebtklassigen Bezirksliga. Er will weiterkämpfen und fordert Wiedergutmachung. Aufsichtsratschef Harald Naraschweski sagte nach dem Urteil: "Wir müssen uns jetzt mit der Zukunft befassen. Und die bedeutet: Wiedereingliederung in die Regionalliga. Darum haben wir ja gekämpft. Und bedeutet weiterhin Schadensersatz in Geld, um die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen."
    Dem vielversprechenden Talent von 2007, Sergio Sagarzazu, dürfte es egal sein. Er hatte Wilhelmshaven nach einem halben Jahr verlassen und spielt schon lange wieder in seiner Heimat Argentinien.