Gesundheits-Apps für Frauen

Mein Körper - meine Daten

Digitale Patientenakte, Gesundheitskarte, Vivy-App (Symbolfoto)
Digitale Patientenakte, Gesundheitskarte, Vivy-App (Symbolfoto) © imago / Christian Ohde
Von Dena Kelishadi · 15.11.2018
Immer mehr Gesundheits-Apps kommen auf den Markt, gerade für Frauen. Oft fragen sie sensible Daten ab: zum Gemütszustand oder zum Intimleben. Und offenbar werden diese Daten auch weitergegeben – zum Beispiel an Facebook, warnen Datenschützer.
Die Programmiererin Daria Hosseini* sitzt an einem Gruppenarbeitstisch und diskutiert mit ihren Mitstreiterinnen. Sie ist eine von 120 Teilnehmern, die an diesem Wochenende in Berlin-Mitte digitale Lösungen erfinden für die gesundheitliche Versorgung von Frauen. Mit 34 Jahren wurde bei ihr Endometriose diagnostiziert – eine Krankheit, die vom Gebärmutterschleim ausgeht und besonders während der Menstruation für viele Frauen unerträglich wird.
"Ich hatte immer sehr starke Schmerzen, so stark, dass ich einmal in Ohnmacht gefallen bin und ins Krankenhaus musste, aber es wurde trotzdem auch da nicht erkannt", sagt Daria. Ihre Erfahrung als Patientin ermöglicht dem Team, das digitale Hilfsmittel auf die Bedürfnisse der Nutzerinnen anzupassen. Vor allem mehr Bewusstsein wollen sie für die Krankheit schaffen, denn bis Patientinnen mit Endometriose diagnostiziert werden, vergehen im Schnitt 10 Jahre.
"Die Idee war, Hygieneprodukte für Frauen mit einem QR-Code zu bedrucken und dazuzuschreiben 'Regelschmerzen sind nicht normal'. Und dann führt dieser Code zu einer Webseite, wo man dann einen Test beantworten kann, der die typischen Symptome abfragt, die Endometriose eben ausmachen."
Blick aus den Zuschauerreihen zum Podium des Hackathon zum Thema Frauengesundheit im Rahmen der Science Week
Hackathon zum Thema Frauengesundheit im Rahmen der Science Week© Dena Kelishadi
Die Technologie soll helfen, den Leidensprozess der Frauen zu verkürzen. Tea Böhm vom Fraunhofer-Institut hat die Hacker-Veranstaltung organisiert. Sie ist begeistert von der Alltagserfahrung und den Fachkenntnissen, die die Teilnehmenden mitbringen:
"Fraunhofer macht Technologien, das klingt erstmal so kalt. Ein Hackathon zum Thema Frauengesundheit ist schon etwas sehr Emotionales und dadurch wird auch so eine Technologie emotional. Wir hoffen, dass diese Technologien in den Markt kommen. Und wir glauben, dass das nur möglich ist, wenn ganz viele Leute aus verschiedenen Disziplinen zusammenkommen."
Am Ende der Veranstaltung werden neben der Endometriose-App weitere Prototypen präsentiert. Darunter: "Melow-D" - eine Software, die anhand der persönlichen Musikauswahl auf dem Smartphone, erkennt, wie es um die mentale Gesundheit der Nutzerinnen steht.

Immer mehr seriöse Medizin-Apps

Timo Thranberend von der Bertelsmann-Stiftung sagt, die Potenziale digitaler Gesundheitsanwendungen seien vielfältig und sollten häufiger eingesetzt werden. Er nennt als Beispiel die elektronische Patientenakte, mit der sich Ärzte, Therapeuten und Pflegende immer auf dem aktuellen Stand halten könnten:
"Wir haben ein sehr starkes Gesundheitssystem in Deutschland. Aber die Versorgung ist derzeit noch sehr fragmentiert, oft weiß die linke Hand nicht, was die Rechte vorher getan hat und dann kann man eben unnötige Doppeluntersuchungen vermeiden oder gefährliche Wechselwirkung von Medikamenten."
Die Bertelsmann-Stiftung hat eine Analyse in Auftrag gegeben, die einen Überblick über die verschiedenen Typen von Gesundheits-Apps liefert. Demnach wachse die Zahl der ernst zu nehmenden medizinischen Apps, sagt Thranberend.
"Sie stärken die Selbstbestimmung von Patienten, helfen chronisch Kranken ihren Alltag zu organisieren oder wirken therapeutisch im Bereich der Psychotherapie. Perspektivisch können intelligente Algorithmen dazu beitragen, Krankheiten früher zu erkennen und die Therapien besser auf den Patienten zuschneiden."

Menstruationsdaten an Facebook übermittelt

Katharina Nocun ist Datenschützerin und Autorin. Sie hat einen Selbstversuch gewagt und ein Jahr lang mit einer Fitness-Armbanduhr die eigenen Vital-Daten aufgezeichnet. Mit ihrer Datenspur ist sie dann zu ihrem Hausarzt gegangen und wollte wissen, was er darin rauslesen kann.
"Das Interessante war, dass man aus den Daten nicht nur ableiten konnte, wie fit ich war, sondern man konnte wirklich anhand des Pulses sehen, wann ich gestresst war und als Freiberuflerin meine Abgabetermine für Manuskripte hatte. Und wenn ich die Uhr nicht in einschlägigen Situationen nicht abgenommen hätte, hätte man sogar sagen können, wann ich Sex hatte und ob ich den Orgasmus nur vorgetäuscht habe."
Viele Gesundheitsapps, die speziell für Frauen entwickelt wurden, fragen Informationen zum Gemütszustand oder zum Intimleben ab. Eine Analyse von Daten-Experten hat gezeigt: Die Menstruationsapp Flo zum Beispiel übermittelt die persönlichen Angaben zum Zyklus zu Werbezwecken an Facebook. (Siehe dazu z.B. den Artikel "What happens when you tell the internet you are pregnant"). Auch Google und Amazon kooperieren mit vielen Apps. Das Beunruhigende ist: Wenn Daten bei Drittanbietern landen, steigt die Gefahr, dass sie missbraucht werden.
"Wenn wir unseren Eisprung haben, sind wir viel offener, sexy Klamotten zu kaufen", sagt Katharina Nocun. "Das heißt, mit Hilfe dieser Daten kann man schauen, wann der ideale Zeitpunkt ist, mir ein Produkt anzupreisen, das ich vielleicht nicht brauche. Man weiß, wann ich schwach werde. Das ist schon etwas, worüber wir uns Gedanken machen sollten, denn so werden wir gezielt manipuliert."
Porträt der Autorin und Datenschützerin Katharina Nocun.
Die Datenschützerin Katharina Nocun warnt vor Datenmissbrauch mit Health-Apps.© Dena Kelishadi
Viele der Health-Apps, die auf dem Markt sind, wurden von Pharmaunternehmen oder Krankenkassen finanziert und verfolgen auch kommerzielle Interessen. Katharina Nocun findet daher: Persönliche Daten sollten ausschließlich auf dem eigenen Gerät gespeichert und zusätzlich verschlüsselt werden.
"Das ist meine Privatsphäre, das ist mein Körper, das sind meine Daten, und so lange das gewährleistet ist, kann man sowas nutzen. Wobei man immer sagen muss: Es gibt keine absolute Sicherheit, niemand kann garantieren, dass es nicht doch eine Sicherheitslücken gibt. Da müssen die Anbieter dringend nachbessern. Und da sehe ich auch den Staat in der Pflicht, dass er Vorgaben macht, damit Mindeststandards eingehalten werden, und dass wir das auch als Gesellschaft klarkriegen: Wir wollen nicht, dass unsere Daten an US-Dienste übertragen werden, weil dort ein ganz anderes Datenschutzniveau liegt. Unsere Google-Akte ist schon groß genug, wir brauchen da nicht noch Gesundheitsdaten drin."
*Name von der Redaktion geändert bzw. anonymisiert
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