Gestenreich-neckische Porzellanpaare

Von Anette Schneider · 18.04.2013
Die kleinen Porzellanfiguren Franz Anton Bustellis gelten als Inbegriff des Rokoko im 18. Jahrhundert, spiegeln dessen aristokratische Lebensart wider. Der Künstler starb am 18. April 1763, über sein Leben ist wenig bekannt.
"An Reichtum der Erfindung, Feinheit und Schwung der Modellierung übertrifft eine gewisse Gruppe von Figuren aus der Zeit bald nach der Gründung der bayerischen Manufaktur weitaus fast alles, was die Porzellankunst des 18. Jahrhunderts überhaupt geschaffen hat."

Schwärmt der Kunsthistoriker Friedrich Hofmann 1923 über das Werk Franz Anton Bustellis, mit dem der Künstler der Porzellanmanufaktur Nymphenburg einst zu europaweiter Bedeutung verhalf.

Er entwarf dort kleine, aufwendig bemalte Porzellanfiguren: Galante Herren und zierliche Damen, gekleidet in die aktuelle höfische Mode. Adlige, verkleidet als Schäferinnen und Schäfer. Die farbenprächtigen Figuren der Commedia dell' Arte. Exotisch gewandete Chinesen.

Bustellis Figuren waren an Europas Höfen sehr gefragt. Überhaupt galt Porzellan als Luxus, nur der Adel konnte es sich leisten. Anfänglich wurde das "weiße Gold" aus China importiert. Doch, so die Kunsthistorikerin und Porzellanspezialistin Dagmar Lekebusch:

"Man stellte sehr schnell fest, dass es sehr teuer war. Also es belastete die Staatskasse enorm, sodass man auf die Idee kam, dass es doch günstiger wäre, selbst Porzellan herstellen zu können."

Erstmals gelang das 1710 in Meißen. Bald folgten weitere Manufakturgründungen, darunter 1747 die bayerische. Sie wurde erst im Schloss Neudeck angesiedelt, dann im Schloss Nymphenburg bei München.

"Es waren in der Regel alles fürstliche Gründungen. Das heißt, es waren Gründungen für die Fürstenhäuser. Es waren repräsentative Manufakturen. Porzellan war in der ersten Zeit, in der Zeit des Rokoko, ein ausschließlich repräsentativ zu sehendes Produkt."

"Das Ideal des Rokoko ist ein irdisches Paradies ewiger Jugend, Heiterkeit, anmutiger Schönheit und verklärter Sinnlichkeit, das Sünde, Tod, Alter und Gebrechen verneint."

Schreibt der Kunsthistoriker Hans Sedlmayr 1969 in einem Aufsatz über Franz Anton Bustelli.

Wie kein anderer Künstler seiner Zeit goss Bustelli dieses "Ideal" in Porzellan. Ein Ideal, das dem Müßiggang und der Langeweile der Aristokratie entsprang und das sie umsetzte in Festen, Verkleidungsspielchen und erotischen Neckereien.

Zwar entwarfen auch andere Künstler solche Figuren, doch Bustellis seien sehr besonders, so Dagmar Lekebusch:

"Seine Figuren sind in der Regel immer als Paar zu sehen. Und erst in der Kombination zwischen Frau und Mann ergibt sich letztlich dann eine Geschichte."

So passt der lässig an einem Postament lehnende, à la mode gekleidete und gestenreich parlierende Kavalier bestens zu der Dame in fein gemustertem Reifrock, die ihr Gesicht kokett hinter einem Fächer verbirgt.

"Die Figuren standen nicht in irgendwelchen Vitrinen, sondern sie waren ganz praktisch gedacht. Und zwar für die Desserttafel. Und diese Figuren sind in der Regel allumsichtig, sodass alle, die um die Tafel sitzen, an den Figuren teilnehmen konnten. Dass man sich erinnern konnte zum Beispiel an die Jagd, wenn dann die Jagdfiguren da standen - und man kam ins Gespräch."

Insgesamt 150 solcher Werke schuf Bustelli zwischen seinem Arbeitsantritt 1754 und seinem Tod am 18. April 1763. Das ist auch schon fast alles, was man über den zu Lebzeiten gefeierten Künstler weiß. Sein Geburtsdatum ist unbekannt. Auch eine mögliche Ausbildung bei einem bayerischen Bildhauer stützt sich lediglich auf Vermutungen.

"Das kommt daher, dass man über ihn bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts keine Unterlagen hatte. Es wurde dann ein Siegel gefunden mit dem Namen, sodass man langsam herausfand, dass es wohl ein Künstler aus der Steiermark gewesen ist."

Als man dann im Nymphenburger Archiv die Auflistung seines Nachlasses entdeckte, bestand dieser vor allem aus Grafiken, die dem Künstler als Vorlagen für seine Figuren der Commedia dell'Arte dienten. Außerdem kam heraus: Franz Anton Bustellli erhielt so wenig Lohn, dass er mehrfach mit dem Weggang drohte.

Doch gegen Ende seines Lebens war es ohnehin vorbei mit den elitären Porzellanfiguren: Europas Aufklärer stellten die Allmacht des Adels immer heftiger infrage. Die französischen Revolutionäre wälzten die alten Machtverhältnisse nieder - die feudalen Porzellanfiguren kamen aus der Mode. Um 1800 wurden Bustellis Modelle als "unmodern" zerschlagen, er selbst war da schon vergessen.