Gespräche ohne Inhalt

Von Dina Netz · 05.04.2012
Drei Szenen, in denen zwei Menschen miteinander reden, ohne sich zu verstehen. Ein Abend voller Schmerzen, die endlich an die Oberfläche kommen, voller Erlebnisse, die der andere nicht hören möchte.
"Wastwater" des britischen Dramatiker Simon Stephens ist ein Triptychon, dessen Teile lose miteinander verbunden sind, die alle am selben Abend in der Nähe des Londoner Flughafens Heathrow spielen und in denen jeweils zwei Figuren auftreten. Sie alle reden viel, ohne etwas zu sagen. Später reden sie viel und sagen wirklich etwas, was schon lange herauswollte. Die Verständigung mit ihrem Gegenüber erleichtert das allerdings nicht unbedingt.

In der ersten Szene verabschiedet sich Frieda von ihrem Pflegesohn Harry, der nach Kanada auswandern wird. Erst reden sie nur über die Abfahrtzeit des Flughafenbusses, den Regen, das Abendessen. Aber dann rutscht Frieda ein "bitte geh nicht weg" heraus, und damit ist die Schleuse geöffnet für alle anderen Lebensbekenntnisse: Harry geht vor allem weg, weil er sich die Schuld gibt am Tod seines Freundes Gavin. Frieda sagt über ihren Vater: "Nach seinem Tod hat meine Mutter zugegeben, dass sie ihn viel mehr geliebt hat als uns." Sätze wie Axthiebe, Einfallsschneisen des Grauens. Das Sprechen darüber bringt die beiden aber einander nicht näher: "Nimm mich mal in den Arm", sagt Harry am Schluss, doch Anja Laïs und Carlo Ljubek bleiben an den äußersten Enden des Stegs stehen, den Katrin Nottrodt für diese Szene auf die Bühne gebaut hat.

Das Paar im zweiten Teil von "Wastwater" verfehlt sich noch viel gründlicher: Lisa und Mark treffen sich in einem Airport-Hotel zum Seitensprung. Erst sprechen sie ein wenig über die Arbeit, über die Einrichtung des Hotelzimmers, doch dann erzählt Lisa von ihrer Heroin-Sucht, den Pornofilmen, in denen sie mitgespielt hat. Marks Lust erschlafft, Lisa sitzt vor dem Fernseher und guckt Pornos mit fremden Darstellern.

Sian und Jonathan verbindet ohnehin nur das Geschäft. So würde es zumindest Jonathan gern sehen. Er und seine Frau haben lange vergeblich versucht, Kinder zu bekommen. In seiner Verzweiflung hat er sich um eine illegale Adoption beworben. Darüber ist offenbar seine Ehe zerbrochen, und aus den Trümmern seines Lebens kommt er nun in eine Halle in der Nähe des Flughafens, wo das Mädchen von den Philippinen eintreffen wird, das er "bestellt" hat. Sian, die Vermittlerin, kassiert das Geld und macht Jonathan klar, das er sich mit seinem illegalen Schritt erpressbar gemacht hat - sie spielt mit ihm und demütigt ihn.

Pauline Knof gibt diese Sian mit süffisanter Kaltschneuzigkeit, der Martin Reinke nur handschwitziges Winseln entgegenzusetzen hat. In diesem dritten Teil von "Wastwater" drängen Jonathans metaphorische Leichen geradezu auf die Bühne, so dass es einen auch beim Zuschauen gruselt. Die anderen vier Schauspieler (Anja Laïs, Judith Rosmair, Carlo Ljubek, Christoph Luser) kommen ihren Figuren nicht so nahe, lassen stärker das soziale Labor spüren, in das Simon Stephens sie schickt.

Es ist ein Abend für die Schauspieler, denn auf sie und den Text des britischen Dramatikers setzt Regisseur Dieter Giesing alles: "Wastwater" ist Sprech-Theater im eigentlichen Sinne, es wird nur ganz wenig herumgelaufen oder überhaupt etwas getan. Ein guter Theatertext, eine zurückhaltende Inszenierung, die die Bühne den meist überzeugenden Darstellern überlässt - "Wastwater" in Köln ist gutes Handwerk, solide, aber manchmal auch etwas langweilig. Wie Martin Reinke am linken Bühnenrand unter den Zumutungen Pauline Knofs immer weiter in sich zusammensackt, dabei könnte man allerdings noch stundenlang zusehen.