Gespenster der Vergangenheit

Von Wolfgang Martin Hamdorf · 18.07.2011
Vor 75 Jahren putschten die Militärs in ganz Spanien, der Bürgerkrieg begann. Drei Jahre später siegte General Franco und führte das Land in eine fast vierzigjährige Diktatur. Nun machen sich auch die spanischen Filmemacher an die Aufarbeitung der Geschichte.
Am Ende eines verlorenen Gefechtes im Spanischen Bürgerkrieg stürzt ein großer Clown verzweifelt mit der Machete um sich schlagend, in einen Haufen faschistischer Soldaten. Jahrzehnte später, in den letzten Jahren des Franco-Regimes, führt sein Sohn eine blutige Fehde gegen einen anderen Clown. Es geht um die Liebe zu einer Trapezkünstlerin und alles endet in einem nächtlichen Showdown am Valle de los caidos, dem Tal der Gefallenen, dem übergroßen Monument, das Franco 1940 von Kriegsgefangenen errichten ließ.

In "Balada triste de trompeta" (Traurige Ballade der Trompete) inszeniert Alex de la Iglesia seine Vergangenheitsbewältigung im schrillen und skurrilen Mikrokosmos eines kleinen Wanderzirkus. Der 45-Jährige hat die letzten Jahre der Diktatur noch als Kind erlebt und sieht seinen Film auch als Abrechnung mit den Gespenstern der Vergangenheit:

Alex de la Iglesias: "Monumente, wie das 'Tal der Gefallenen' haben mir immer sehr viel Angst und Respekt eingeflößt, wegen der ganzen dunklen Geschichte dahinter. Daher musste ich meinen Film auch da enden lassen. Für mich ist das eine Art Exorzismus, es geht gar nicht mehr um etwas Politisches, sondern um einen inneren Druck, Dynamit unter diese alte pathetische Propaganda des Bürgerkriegs legen. So gesehen bin einfach nur noch einer mehr."

"Nur noch einer mehr", damit stellt sich Alex de la Iglesia einerseits in eine Linie einer langen Auseinandersetzung von Filmemachern mit dem spanischen Bürgerkrieg, von Carlos Saura bis Fernando Trueba. Andererseits spielt er aber auch auf die andauernde Diskussion an, in Spanien entstünden mit staatlicher Filmförderung zu viele Filme über Bürgerkrieg und Diktatur. Dabei berühren gerade einmal zehn von den etwa 170, im letzten Jahr produzierten spanischen Filmen, die Traumata der jüngsten Vergangenheit.

Die neueren Filme über Krieg und Diktatur erzählen Schicksale zwischen den Fronten, an ungewohnten Orten oder in ungewohnten Milieus: Ist es bei Alex de la Iglesia der Zirkus, so führt Emilio Aragón in die Welt der kleinen Revuetheater des Tingeltangel und des Kabaretts. Sein Kinodebüt "Pajaros de papel" (Papiervögel) erzählt von einer ungewöhnlichen Lebensgemeinschaft: zwei Männer und einem Waisenkind, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit mit sentimentalen und derben Revuenummern durchschlagen. Ihre unterschwellige Kritik am Regime wird lebensgefährlich, als sie in ein Attentatskomplott von Offizieren gegen den verhassten Staatschef geraten.

Spannende und bewegende Filme zum Spanischen Bürgerkrieg können auch ein breiteres Publikum erreichen, sagt Regisseur Emilio Aragón.

Emilio Aragón: "Ja, natürlich gibt es irgendwie diese Haltung 'Oh Gott, schon wieder ein Film über den spanischen Bürgerkrieg!', aber das ist rückläufig. Für mich war es eine große Überraschung als wir auf einem Festival den Jugendpublikumspreis bekamen. Das war für mich die schönste Auszeichnung, denn ich fühlte, dass man mit dem Thema auch Jugendliche zwischen 15 und 25 erreichen kann, da ist eine neue Generation, die auch an Geschichten interessiert ist, wenn sie anders und interessant erzählt werden, das ist doch eine gute Nachricht."

Andere Filmemacher verlagern das Drama des Spanischen Bruderkrieges in die Ferne: "Ispansi" ist das russische Wort für "Spanier" und der gleichnamige Film erzählt von der Begegnung spanischer Faschisten, Kommunisten und Flüchtlingskinder im russischen Winter. Es geht um versöhnliche Momente zwischen Todfeinden. Vor 75 Jahren begann der spanische Bürgerkrieg und fünf Jahre später schickte General Franco die so genannte "Blaue Division" zur Unterstützung Hitlers nach Russland. Regisseur und Hauptdarsteller Carlos Iglesias:

Carlos Iglesias: "Wir verbrüdern diese beiden feindlichen Spanien im 7000 Kilometer entfernten Russland, Hier gab es viele Episoden von Falangisten und Franco Anhängern, die Anhänger der Republik vor den Deutschen retteten und umgekehrt spanische Kommunisten, die ihre faschistischen Landsleute vor den Sowjets retteten. Diese Geschichten wurden nie erzählt und ich weiß nicht warum."

Die Suche nach unbekannten Episoden, nach Schicksalen zwischen den ideologischen Fronten verbindet die sehr unterschiedlichen neueren Filme zum Spanischen Bürgerkrieg. Das führt allerdings nicht zu einer politischen Beliebigkeit, alle Filmemacher nehmen mehr oder weniger Partei für die Seite der Besiegten. Das ist verständlich, denn die großen Helden- und Melodramen zur Verherrlichung der Franco Seite wurden ja auch alle schon gedreht: In den 1940er- und 1950er Jahren während der Diktatur und mit starker staatlicher Filmförderung.