"Gesine Schwan hat eine Chance"

Moderation: Hanns Ostermann · 23.05.2008
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Elke Ferner, sieht bei einer Kandidatur von Professorin Gesine Schwan Chancen für deren Sieg bei der Wahl zum Bundespräsidentenamt. Es sei überfällig, dass endlich eine Frau an die Spitze des Staates komme, sagte Ferner.
Hanns Ostermann: Ja, ich will! Auf diesen einfachen Nenner lässt sich die gestrige Entscheidung des Bundespräsidenten bringen. Nicht überraschend teilte Horst Köhler mit, Deutschland ist voran gekommen. Diesen Prozess möchte ich für weitere fünf Jahre begleiten und fördern. Jetzt muss sich die SPD entscheiden, die zunächst die Stellungnahme des Bundespräsidenten abwarten wollte. Schickt sie eine eigene Kandidatin ins Rennen? Denn es ist ein offenes Geheimnis: Viele stehen hinter Gesine Schwan, der Universitätspräsidentin in Frankfurt an der Oder. Zu denen, die dafür sein dürften, gehört die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag Elke Ferner. Guten Morgen Frau Ferner!

Elke Ferner: Guten Morgen Herr Ostermann.

Ostermann: Ihr Parteichef zollte gestern Horst Köhler Respekt. Aber wäre es nicht respektvoller gewesen, den Bundespräsidenten vorher über die Haltung der Sozialdemokraten zu informieren?

Ferner: Wir pflegen eigentlich unsere Haltung erst in den Parteigremien zu entscheiden und festzulegen. Das werden wir am Montag tun. Und ich gehe auch davon aus, dass Kurt Beck dann dem Bundespräsidenten, bevor es eine Pressemitteilung gibt, auch die Entscheidung des Parteivorstandes mitteilen wird.

Ostermann: Trotzdem: Horst Köhler - nach vier Jahren im Amt -, hätte er es nicht verdient gehabt, vorher über die Haltung Ihrer Partei informiert zu werden? Gehört das nicht zu demokratischen Gepflogenheiten?

Ferner: Ich glaube, zunächst einmal muss sich der Amtsinhaber natürlich auch äußern, ob er überhaupt wieder antreten will oder nicht. Das hat Herr Köhler gestern getan. Und wir werden jetzt, wie vorher auch schon gesagt, am Montag im Parteivorstand unsere Haltung dazu festlegen.

Ostermann: Aber steht die Entscheidung nicht längst fest? Ja, wir nominieren Gesine Schwan?

Ferner: Nein. Die Entscheidung kann nur der Parteivorstand treffen. Der tagt am Montag. Bei uns ist das dann auch nicht so, dass einer sagt, wir treten mit einer eigenen Kandidatin an oder nicht, sondern das entscheiden wir gemeinsam.

Ostermann: Das heißt also Kurt Beck ist mittlerweile zu einem Mannschaftsspieler geworden? Das war ja nicht immer so.

Ferner: Das sehe ich nicht so. Ich glaube, dass Kurt Beck von Anfang an ein Mannschaftsspieler gewesen ist. Zumindest ist das meine Erfahrung mit ihm in den letzten Jahren.

Ostermann: Der meinte immerhin gestern, "wenn, dann wird es eine Sozialdemokratin". Nun wies Grünen-Chef Bütikofer darauf hin, niemand bekäme automatisch die Stimmen seiner Partei. Er halte auch nichts davon, nur dann Frauen aufzustellen, wenn sie keine Chance hätten. – Hätte Frau Schwan eine Chance?

Ferner: Ich denke schon, dass Frau Schwan eine Chance hat. Zum einen ist sie eine herausragende Persönlichkeit. Das haben wir glaube ich schon 2004 gesehen und sie hat damals auch in der Bundesversammlung Stimmen bekommen weit über das rot-grüne Spektrum hinaus. Insofern glaube ich nicht, dass die Kandidatur von Gesine Schwan, wenn wir das am Montag so beschließen sollten, aussichtslos wäre.

Ostermann: Nun braucht die SPD nicht nur die Stimmen der Grünen in der Bundesversammlung, sondern auch die der Linkspartei und der Rechten. Darauf hat ja schon sehr früh Peter Struck, der Fraktionschef, aufmerksam gemacht. Wie groß ist die Gefahr, die die SPD da möglicherweise mit einer eigenen Kandidatin eingeht, nämlich die Glaubwürdigkeit auf Bundesebene zu verlieren?

Ferner: Ich glaube, die Gefahr ist überhaupt nicht groß, weil bei der Bundesversammlung es ja nicht darum geht, für die nächsten vier Jahre ein inhaltliches politisches Programm mit wem auch immer zu vereinbaren, sondern es geht um die Wahl des Bundespräsidenten oder der Bundespräsidentin. Im Zweifel würde ich sagen,hat eher Herr Köhler Schwierigkeiten, sich der Stimmen von den Rechten zu erwehren, als Gesine Schwan. Ich kann mir nicht vorstellen bei der Haltung der Rechtsnationalen, dass sie bereit sind, eine Frau und dann noch eine Sozialdemokratin zu wählen.

Ostermann: Aber immerhin hat Kurt Beck ja betont, auf Bundesebene wird es keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei geben. Und wenn eine Kandidatin der SPD sich zur Wahl stellt, dann brauchen Sie die Stimmen der Linkspartei. Das heißt da bahnt sich doch dann möglicherweise wieder eine Korrektur der Politik der SPD an?

Ferner: Nein. Da brauchen Sie, glaube ich, keine Angst zu haben. Ich sehe nicht, dass es inhaltlich überhaupt Gemeinsamkeiten gibt, mit der Linkspartei nach einer Bundestagswahl in eine Koalition einzutreten. Das wird auch nicht so kommen. Und die Bundesversammlung ist ein einmaliges Ereignis in fünf Jahren. Es ist eine geheime Abstimmung und die Vertreter und Vertreterinnen in der Bundesversammlung sind auch nicht weisungsgebunden, sondern können frei nach ihrem Gewissen abstimmen.

Ostermann: Die Gefahr der Glaubwürdigkeit, dass man die verliert innerhalb der SPD, nämlich wieder bei einer entscheidenden Frage auf die Stimmen der Linkspartei - ich erinnere nur an Hessen - angewiesen zu sein, diese Gefahr des Glaubwürdigkeitsverlustes sehen Sie nicht?

Ferner: Nein. In Hessen ging es auch um mehr, als ein Staatsoberhaupt zu wählen. Dort ging es auch um die Frage, ob eine Regierung vier Jahre lang dann eine entsprechende parlamentarische Mehrheit hat. Bei der Bundesversammlung geht es wie gesagt darum, dass einmal in fünf Jahren die Bundesversammlung das Staatsoberhaupt wählt – um nicht mehr, aber auch nicht um weniger.

Ostermann: Dieses Staatsoberhaupt, das wir derzeit haben, ist bei den Bürgerinnen und Bürgern ausgesprochen populär. Das muss man ja festhalten. Warum ist die SPD nicht in der Lage zu sagen, Horst Köhler hat eine gute Arbeit gemacht, auch wenn er von den falschen Parteien nominiert wurde: Wir stehen zu ihm.

Ferner: Wir nominieren ja nicht eine eigene Kandidatin oder sprechen über eine eigene Kandidatin, weil andere Parteien jemand anderen vorschlagen, sondern wir haben als große Volkspartei natürlich auch den Anspruch, selber darüber zu entscheiden, ob wir bei der Bundespräsidentenwahl mit einer eigenen Kandidatur antreten oder nicht. Ich persönlich bin sehr dafür, dass endlich eine Frau an die Spitze des Staates kommt. Insofern hoffe ich, dass am Montag der Parteivorstand auch in diesem Sinne entscheiden wird.

Ostermann: Ist dieser Aspekt wirklich so ausschlaggebend oder spielt möglicherweise eine Rolle, dass Horst Köhler in der einen oder anderen Frage die Sozialdemokraten enttäuscht hat?

Ferner: Ich glaube, jeder Bundespräsident bisher in der Geschichte der Bundesrepublik hat immer an der einen oder anderen Stelle bei jeder Partei angeeckt. Das wird nie ein Grund für uns sein zu sagen, wir wählen einen Amtsinhaber nicht oder wir treten mit einer eigenen Kandidatur an. Da spielen andere Dinge eine Rolle. Ich glaube schon, dass die Zeit überfällig ist, dass endlich eine Frau das höchste Amt im Staat bekleidet, zumal wir in der Frage der Gleichstellung von Frauen und Männern in dieser Republik noch einiges zu tun haben.

Ostermann: Bei dieser Meinung widerspreche ich Ihnen nicht. – Elke Ferner war das, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch im Deutschlandradio Kultur heute Früh.